Die Zahl ist schon beeindruckend: Mindestens 63,5 Milliarden Euro an Mehrkosten verursachen Männer im Vergleich zu Frauen für den deutschen Staat, die Gesellschaft und Unternehmen jährlich, indem sie etwa gegen Verkehrsregeln verstoßen, kleinere oder große Straftaten begehen, häusliche Gewalt ausüben oder umwelt- und klimapolitische Auflagen nicht erfüllen. Das kürzlich beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur-Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro könnte die Bundesregierung in weniger als zehn Jahren gegenfinanzieren, wenn sich Männer künftig so verhalten würden wie Frauen. Doch dafür müssten eingefahrene männliche Stereotype aufgebrochen werden. 

Diese Fakten präsentierte der Wirtschaftswissenschaftler und Buchautor Boris von Heesen in seinem Vortrag beim diesjährigen Gipfeltreffen des Karrierenetzwerks Fondsfrauen am Montag (31.3.) Der Jubiläumsgipfel war prallgefüllt mit Zahlen, Daten und harten Fakten, und es gab auch durchaus emotionale Momente. Das überrascht nicht, schließlich begingen die Fondsfrauen – erstmals in einer neuen Location in Frankfurt am Main – ihr zehnjähriges Bestehen. 500 Gäste waren der Einladung des Netzwerks gefolgt – so viele wie noch nie bei den vorangegangen neun Fondsfrauen-Gipfeln.

5.000 aktive Frauen
"Bei unserer Gründung 2015 hatten wir das Ziel, eine Plattform für Frauen aus der Finanzbranche zu schaffen, über die sie sich vernetzen, sich gegenseitig empowern können, um sichtbar zu werden", sagte Anne Connelly, Ideengeberin und Mitgründerin der Fondsfrauen in ihrer Begrüßungsrede. Das hat das Karrierenetzwerk erreicht. "Heute sind in unserer Community 5.000 Frauen aktiv", berichtete Connelly.

Längst sind Mentoring-Programme entstanden, die einen immensen Zulauf haben. Die Fondsfrauen Awards, die seit 2019 alljährlich vergeben werden, rücken Frauen und Unternehmen, die sich für Gender Diversity engagieren, ins Licht der Öffentlichkeit. Über 70 Events veranstaltet das Netzwerk jedes Jahr. Im Herbst 2025 wird bereits die fünfte Auflage des "Gender Diversity Reports" erscheinen, eine Studie, die die Fondsfrauen gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG und der Universität Mannheim herausbringen.

Nicht ausruhen
"All das hat dazu geführt, dass wir aufgefordert wurden, auch in die Schweiz zu gehen, nach Österreich und Luxemburg", sagte Connelly. Inzwischen seien alle großen Fondsgesellschaften Mitglied bei den Fondsfrauen, zusammen mit Banken und anderen Finanzdienstleistern zähle das Netzwerk rund 80 Mitgliedsunternehmen. "Doch bei allem, was wir erreicht haben, dürfen wir uns nicht ausruhen", rief Connelly den Gästen zu. Gerade angesichts politischer Bewegungen, die vor allem in den USA das Rad der Zeit zurückdrehen wollen, oder der Tatsache, dass Frauen in Afghanistan nicht einmal mehr aus dem Küchenfenster schauen dürfen, sei das Engagement für Gender Diversity wichtiger denn je.

Dass bei den Fondsfrauen niemand beabsichtigt, sich auszuruhen, zeigte der Jubiläumsgipfel mit seinem spannenden Programm deutlich. Ein wenig Zeit für einen Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre musste aber auch sein. So berichteten Frauen, die schon kurz nach der Gründung zu dem Karrierenetzwerk gestoßen waren, von ihren Erfahrungen.

Viel gelernt
"Bei den Fondsfrauen habe ich gelernt, dass ich so wie ich bin, durchaus in die männerdominierte Finanzbranche passe", berichtete etwa Magdalena Fest, Portfoliomanagerin bei Feri. "Mir ist klar geworden, dass ich mir keine männlichen Attribute aneignen muss, um erfolgreich zu sein", sagte sie. Daria Lebert, Manager Fund Sales bei Flossbach von Storch, ist immer noch dankbar für das Mentoring-Programm, das sie bei den Fondsfrauen durchlaufen konnte. "Erst die Arbeit mit Mitgründerin Anke Dembowski hat mir gezeigt, dass Vertrieb genau mein Ding ist", sagte sie.

Als Mentorin hat auch Michela Krahwinkel junge Kolleginnen aktiv unterstützt. Bis März 2022 leitete Krahwinkel die Abteilung Performance-Analyse bei Union Investment, wo sie die Leistungen der internen Fondsmanager prüfte. Anschließend verlagerte sie ihren Fokus und setzte sich als Referentin für Diversity & Inclusion im Bereich Konzern-Personal von Union Investment ein. Im Jahr 2020 wurde sie mit dem Fondsfrauen-Award "Role Model of the Year" ausgezeichnet. Die Fondsfrauen, bei denen sie Beiratsmitglied war, unterstützte sie vom ersten Tag an. Beim Jubiläumsgipfel gedachten 500 Frauen der im Dezember verstorbenen Michaela Krahwinkel, indem sie ihr stehend einen tosenden Applaus spendeten – ein bewegender Moment.

Spannende Diskussionen
Dann jedoch ließen die Teilnehmer der Diskussionsrunden wieder Fakten sprechen. Unter der Überschrift "State of the Asset Management Industry" wurde angeregt darüber debattiert, ob das Infrastrukturpaket der Bundesregierung auch neue Chancen für Privatanleger mit sich bringt. Auf dem Panel "Diversity und Inklusion im Rückzug?" herrschte Einigkeit darüber, dass die aktuellen, rückschrittlichen Entwicklungen in den USA nicht zu einer Abkehr von Gender Diversity in europäischen Unternehmen führen dürfen. Die Möglichkeiten einer kapitalgedeckten Altersvorsorge waren das Thema der dritten Gesprächsrunde.

Überraschend und aufschlussreich waren jedoch vor allem die Zahlen, die Autor Boris von Heesen in seinem Vortrag über den Preis toxischer Männlichkeit vorstellte. Diesem Thema hat sich der Wissenschaftler in seinem Buch mit dem provokanten Titel "Was Männer kosten" gewidmet. "Ich habe untersucht, welche sozialen Schäden durch ein ungesundes Geschlechterverhalten entstehen und welche Kosten dadurch verursacht werden", erklärte von Heesen. 

Männer und Wirtschaftskriminalität
So zeigen etwa die Statistiken des Bundeskriminalamts, dass Delikte im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu 76,5 Prozent von männlichen Tätern verübt werden. "Und je gravierender die Tat ist, desto größer ist der Männeranteil", so von Heesen. Mehrkosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr entstehen auf diese Weise alljährlich für den Staat, die Gesellschaft und für Unternehmen. Durch missbräuchlichen Alkoholkonsum produzieren Männer jedes Jahr um 26,22 Milliarden Euro höhere Kosten als Frauen, im Bereich der häuslichen Gewalt sind es 800 Millionen Euro. Und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

"Um das Problem zu lösen, müssen konkrete Zahlen zu diesem Thema auf den Tisch und sie müssen für jeden Bundesbürger öffentlich zugänglich sein", sagte von Heesen. Der wichtigste Schritt sei aber, männliche Stereotype aufzubrechen, damit Männer nicht mehr länger unter dem selbst auferlegten Druck stünden, der alleinige Ernährer der Familie, stark, cool und laut sein zu müssen. "Ich werde oft gefragt, wie er denn aussieht, der neue Mann", erklärte von Heesen. "Ich weiß nicht, wie er aussieht, aber ich will, dass jeder Mann, jeder Mensch, sich aus der Vielfalt der Möglichkeiten das heraussuchen kann, was für ihn am besten passt", sagte er.

Gender Diversity leben 
Dafür plädierte auch Anne Connelly in ihrem Vortrag über Female Finance. Eigentlich sollte zum Abschluss des zehnten Fondsfrauen-Gipfels die ehemalige Staatsanwältin und heutige Co-Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende, Anne Brorhilker, über ihre Ermittlungsarbeit im Kampf gegen Finanzkriminalität berichten. Doch weil sie erkrankt war, sprang Connelly kurzerhand ein.

"Männer sollten sich nicht verpflichtet fühlen, Karriere zu machen und Frauen sollten es tun, wenn sie es möchten, auch wenn sie Mütter sind", sagte sie. "Unternehmen sollten zulassen, dass sich beide Geschlechter gleichermaßen beruflich weiterentwickeln können", appellierte Connelly. Schließlich führt nur tatsächlich gelebte Gender Diversity zu Chancengleichheit – und verhindert möglicherweise eines Tages, dass Männer jährlich Mehrkosten in Höhe von 63,5 Milliarden Euro verursachen. (am)