Finanzprofessor: "Indexmarkt ist oligopolistisch"
Christian Schmitt von der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft spricht im Interview über die Gebührenhöhe bei Börsenbarometern, welches Einsparpotenzial sich eröffnet und er erläutert, welche rechtlichen Fallstricke bei der Verwendung von Indexdaten lauern.
Dax, Dow Jones und Co. gelten als Fieberkurven der Stimmung an den Finanzmärkten. Mittlerweile reicht die Zahl der Marktmesslatten in die Millionen und darum herum hat sich ein großes Geschäft entwickelt. Wie der Markt funktioniert, erläutert Christian Schmitt im Interview. Er ist Professor im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft in München. Zudem ist er Berater und stellvertretender Vorsitzender des Beirats bei Index Intelligence, einem Anbieter alternativer Marktbarometer aus Frankfurt.
Herr Professor Schmitt, Indizes für die Finanzmärkte finden in vielen Bereichen Verwendung: Als Vergleichsmaßstab für aktive Fondsmanager oder als Basis für börsengehandelte Indexfonds, kurz ETFs. Wie funktioniert das Geschäft mit den Barometern?
Christian Schmitt: Die großen Anbieter dominieren das Indexgeschäft. Der Markt ist oligopolistisch geprägt. Die Berechnung der Lizenzabgaben misst sich meist am verwalteten Vermögen. Das ist natürlich ein großartiges Geschäftsmodell. Mit einem höheren Volumen steigen automatisch die Einnahmen. Aus der Finanzbranche ist zu hören, dass sich die Preissteigerungen für Indexdaten im Schnitt auf rund 15 Prozent pro Jahr beziffern. Das ist natürlich erheblich, hat aber bislang sehr gut funktioniert. Die Marktteilnehmer erzielen auskömmliche Margen.
Kommt dies einer marktbeherrschenden Stellung gleich?
Schmitt: Nein, es gibt es keine Monopolstrukturen. Die marktwirtschaftlichen Prinzipien bleiben gewahrt. Zudem eröffnet sich durchaus Raum für alternative Anbieter. Diese besetzten die offenen Nischen. Daneben etablieren sich auch alternative Gebührenmodelle, etwa Flat-Fee-Modelle. Bei diesen wird pauschal die Indexnutzung abgegolten, egal welches Vermögen die darauf fußenden Finanzprodukte aufweisen.
Warum lassen sich solche Preissteigerungen durchsetzen?
Schmitt: Mit dem Aufstieg der ETFs gewannen die Indexanbieter noch mehr an Bedeutung. ETFs spiegeln ja meist die Entwicklung gängiger, bekannter Barometer wider. Aus Sicht der Indexanbieter sind die hohen Wachstumsraten bei ETFs sicherlich positiv, da ihnen höhere Lizenzgebühren zufließen. Aus Sicht der ETF-Anbieter stellen die Indexlizenzen jedoch einen erheblichen Kostenblock dar.
Versuchen ETF-Anbieter, diese Ausgaben zu reduzieren?
Schmitt: Ja. Ein bemerkenswerter Umbruch ist, dass die ETF-Anbieter zunehmend eigene Indizes entwickeln und berechnen lassen. Diese generischen Indizes können durchaus den gängigen ähneln, wenngleich sie diese natürlich nicht eins zu eins kopieren dürfen. Beispiele wie Vanguard und Amundi zeigen, dass eine Umstellung auf alternative oder generische Indizes gelingen kann. Dies ist jedoch ein gewagter Sprung, gerade im Retailbereich. Die Namen der großen Indizes sind vielen Menschen geläufiger und damit vertriebstechnisch einfacher zu platzieren.
Wie hoch sind eigentlich die Lizenzkosten für ein Börsenbarometer?
Schmitt: Ein Blick auf die Kostenstrukturen offenbart das Einsparpotenzial. Die Indexgebühren rangieren im Schnitt zwischen 0,2 und 0,7 Basispunkten des verwalteten Vermögens. Das klingt zunächst nach wenig. Doch bei Spezialfonds für institutionelle Investoren rangieren die Verwaltungsgebühren mitunter bei zehn Basispunkten. Geht man für den Asset Manager von einem Aufwand-Ertragsverhältnis von 70 Prozent aus, blieben von zehn Basispunkten noch drei übrig. Somit entsprächen allein die Indexgebühren bis zu einem Viertel des Gewinns des Asset Managers. Meine Vermutung ist, dass die Kursturbulenzen aufgrund der Covid-19-Pandemie die Margen im Indexgeschäft erodieren lassen kann. Die zu erzielenden Erträge bleiben wegen der Niedrigzinsen noch lange gering. Daher müssen die Asset Manager die Kosten reduzieren .
Welche Rolle einzelne Akteure im Geschäft mit den Marktmesslatten einnehmen, lesen Sie im Heft 2/2020 von FONDS professionell ab Seite 196. Angemeldete Nutzer finden den Artikel auch hier im E-Magazin.
Wofür dürfen Indexdaten verwendet werden?
Schmitt: Dies wird in Lizenzverträgen festgelegt. Diese sind sehr komplex. In den Werken ist sehr genau definiert, wofür die Daten verwendet werden dürfen und wofür nicht. Dies geht sogar so weit, dass geregelt wird, wo und wie Daten gespeichert werden dürfen. Aufgrund dieser Komplexität kann es rasch passieren, dass Indexdaten vertragswidrig verwendet werden. Asset Manager laufen Gefahr, Verträge zu verletzen, einfach weil sie nicht den Überblick über die Datenverwendung haben.
Kontrollieren die Anbieter, wie die Daten verwendet werden?
Schmitt: Ja, die Indexanbieter behalten sich das Recht vor, in Audits zu prüfen, ob die Daten auch legitim genutzt werden. Und es gibt definitiv die Tendenz, dass die Anbieter dies verstärkt auch kontrollieren. Je mehr Nischenanbieter auf den Markt kommen, desto geringer ist die Bereitschaft der etablierten Anbieter, Vertragsverletzungen zu tolerieren. Das Risiko von Strafzahlungen ist hoch.
Wer Indizes nutzt, sollte also besser auf umfassendere Konzessionen achten?
Schmitt: Nein, nicht unbedingt. Auf der anderen Seite besteht das Risiko einer Überlizensierung. So kann es vorkommen, dass mehr Daten eingekauft werden, als überhaupt nötig sind. Oder ein Asset Manager hat ein Fonds oder Mandat bereits eingestellt, zahlt aber immer noch Gebühren für die Indexlizenz. Vertragsverletzungen und eine Überlizensierung lassen sich nur durch eine stringente Steuerung des Datenhaushalts vermeiden. Dies ist natürlich mit Aufwand und Kosten verbunden. Digitale Management-Systeme können dies unterstützen.
Welche Entwicklungen beobachten Sie noch bei Börsenbarometern?
Schmitt: Nachhaltiges Investieren liegt im Trend. Dies spiegelt sich auch in der Indexwelt wider. Der Index Industry Association zufolge gibt es weltweit mittlerweile drei Millionen Indizes. Das größte prozentuale Wachstum entfällt auf ESG-Indizes.
Beschert dies der Branche einen weiteren Wachstumsschub?
Schmitt: Bei Standard-Indizes ist etabliert, wie sie berechnet werden. Bei ESG-Barometern ist hingegen die Frage, wie die zugrundeliegenden Ratings gebildet werden. Hier existiert einfach viel Bewertungsspielraum. Gleichwohl benötigen Asset Manager eine Benchmark, um ihren Erfolg messen zu können. Bei ESG-Indizes eröffnet sich für die Indexanbieter die Möglichkeit, höhere Margen zu erzielen. Immerhin rechtfertigt der höhere Research- und Analyseaufwand höhere Gebühren. Für die Asset Manager ist dies jedoch ein zweischneidiges Schwert. Für sie stellt sich die Frage, ob sie die Indizes in einem ETF verpacken und auch kostengünstig umsetzen können.
Vielen Dank für das Gespräch. (ert)