Finanzberatung für Frauen: Wichtige Ertragschancen werden verpasst
Die Expertinnen Bettina Fuhrmann und Marietta Babos zeigten im Rahmen einer Veranstaltung von Standard Life kürzlich auf, dass Frauen oftmals Chancen auf finanzielle Besserstellung liegen lassen. Dabei gibt es gute Strategien zur finanziellen Unabhängigkeit.
In Österreich gilt jede achte Person über 65 Jahren als armutsgefährdet, da ihr weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) zur Verfügung stehen. Rund zwei Drittel davon sind Frauen. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich ebenfalls bei der durchschnittlichen Nettopension, die bei Frauen rund 1.110 Euro und bei Männern etwa 1.800 Euro ausmacht. Welche Ursachen dem zugrunde liegen und mit welchen Strategien Frauen finanzielle Unabhängigkeit erlangen können, war Mitte Oktober das Thema des von Standard Life initiierten Workshops zum Thema "Selbstbewusst & Geldbewusst – Lösungsansätze zur Vermeidung finanzieller Stolpersteine in diversen Lebensphasen einer Frau".
Teilzeitfalle reduziert Pensionshöhe drastisch
Eine der Ursachen der oft prekären finanziellen Situation von Frauen sieht Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität, im mangelnden Problembewusstsein. Das Erwerbsleben von Frauen ist – im Unterschied zu Männern – häufig von Berufsunterbrechungen und Teilzeitarbeit aufgrund von Familiengründung sowie unbezahlter Betreuungstätigkeit geprägt. "Frauen ist zu wenig bewusst, wie drastisch sich eine längere Phase der Teilzeitarbeit mit geringem Stundenumfang auf die Pensionshöhe auswirkt", so Fuhrmann. Die im Jahre 2005 in Österreich eingeführte Möglichkeit zum Pensionssplitting wird laut Fuhrmann ebenfalls zu wenig genutzt.
Auseinandersetzung mit Finanzen schafft Kompetenz
Nicht die kleinen, aber die wesentlichen finanziellen Entscheidungen wie Investitionen und Finanzierungen überlassen viele Frauen zudem gerne ihrem Partner. Fuhrmann führt das auf eine Unsicherheit dieser Frauen in finanziellen Belangen zurück. Diese stehe wiederum mit mangelnder Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Finanzthemen, immer komplexer werdenden Finanzprodukten und einem daraus resultierenden Wissensmanko in Zusammenhang. "Es handelt sich um einen selbsterhaltenden Kreislauf, der umgekehrt werden muss. Verpflichtende Finanzbildung an Schulen – wie von der Bildungsdirektion Wien beschlossen – beziehungsweise in einer späteren Lebensphase Finanzcoaching sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Denn besseres Finanzwissen bewirkt mehr Interesse am Finanzbereich und fördert – zum Beispiel durch den Vergleich von Konditionen – eine realistische Einschätzung von Risiken. Dadurch werden Skills entwickelt, die zu mehr Geldbewusstsein führen und die in der Folge zu einer intensiveren Beschäftigung mit finanziellen Thematiken motivieren.“
Unterschätzte finanzielle Risiken
Der von Eurostat erhobene "Gender Pay Gap" legt dar, dass das Lohnniveau von Frauen in Österreich durchschnittlich um rund 19 Prozent niedriger ist als bei Männern. Damit liegt der geschlechtsspezifische Lohnunterschied klar über dem EU-Schnitt von 13 Prozent. Marietta Babos, Gründerin der unabhängigen Finanzberatungsplattform damensache.at, sieht Berufscoaching junger Frauen als wesentlichen Faktor, um diese Tatsache zu ändern. Denn Frauen haben bis heute häufig weniger gut dotierte Jobs. "Es geht darum 'out-of-the-box' zu denken, sich über neue, gut bezahlte Berufschancen zu informieren, in Ausbildung zu investieren und seinen Marktwert zu kennen. Darüber hinaus braucht es ein Verständnis dafür, wie sich Erwerbsunterbrechungen, Teilzeitarbeit sowie unbezahlte (Betreuungs-)Arbeit auf die eigene finanzielle Situation auswirken – und das Bewusstsein, dass diese nicht als Angelegenheit der Frau, sondern der gesamten Familie verstanden werden", so Babos.
Überblick über konkreten Handlungsbedarf schaffen – Steuervorteile nutzen
Eine von damensache.at durchgeführte Studie veranschaulicht, dass die realen Alterspensionen bei Frauen um fünf Prozent überschätzt und bei Männern um zehn Prozent unterschätzt werden. "Handlungsbewusstsein wird geschaffen, wenn Frauen möglichst konkret und greifbar aufgezeigt wird, welcher Handlungsbedarf für sie besteht", betont Babos. Mit dem behördlichen Pensionskontorechner kann die voraussichtliche Pensionslücke ausgerechnet werden. Mit einem Zukunftsrechner wie auf damensache.at ist darüber hinaus erkennbar, welcher Geldbetrag monatlich für die Pensionsvorsorge investiert werden sollte, um die Pensionslücke zu schließen, und wie sich der Zinseszins auswirkt.
"Ich empfehle eine Notreserve in der Höhe der drei- bis sechsfachen monatlichen Fixkosten jederzeit verfügbar auf ein klassisches Sparkonto zu legen – auch wenn dies aufgrund der niedrigen Zinsen und Inflation derzeit mit einem Kaufkraftverlust verbunden ist. Darüber hinaus sollten jedoch Investitionen für einen mittel- und langfristigen Vermögensaufbau – zeitlich und auf diverse Veranlagungsformen gestreut – erfolgen. Dabei können attraktive Steuervorteile genutzt werden", unterstreicht Babos. So ist es etwa möglich, in den gleichen Wertpapierfonds über eine Bank oder eine Versicherung zu investieren. Der Vorteil von fondsgebundenen Lebensversicherungen: Sie sind von der Kapitalertragsteuer befreit. Statt 27,5 Prozent Kapitalertragsteuer, wie bei Wertpapierdepots auf die Erträge, sind nur vier Prozent Versicherungssteuer auf die Einlagen fällig – dafür gilt eine Behaltedauer für Unter-50-Jährige von 15 Jahren beziehungsweise Über-50-Jährige von zehn Jahren.
Vorsorgestart spätestens mit Eintritt ins Berufsleben planen
Wichtiger Aspekt ist die zunehmende Überalterung in Österreich, mit der die Finanzierbarkeit des Pensionssystems immer schwieriger wird. Laut Agenda Austria werden im Zeitraum 2021 bis 2025 in Summe rund 125 Milliarden Euro aus dem Budget ins Pensionssystem zugeschossen werden müssen. Dennoch setzen sich hierzulande die Pensionen immer noch zu 90 Prozent aus der gesetzlichen Pension (Schweiz: 40 %), zu vier Prozent aus der betrieblichen Vorsorge und nur zu sechs Prozent aus privater Vorsorge zusammen. Junge Menschen sind angesichts dieser Entwicklung gefordert, möglichst früh privat vorzusorgen. "Ideal ist es, wenn bereits vor dem Eintritt ins Berufsleben mit der Vorsorge gestartet wird – spätestens aber mit Berufsbeginn. Dabei empfiehlt es sich, zehn bis 15 Prozent des Nettoeinkommens für die Pensionsvorsorge zu investieren, um finanziell kurz- und langfristig auf solidem Boden zu stehen." (gp)