EU-Marktaufsicht warnt vor Liquiditätsnot in Fonds
Europas Wertpapieraufseher von der ESMA blicken mit Sorge auf den rasch wachsenden Markt alternativer Investmentfonds (AIF). Sollten viele Anleger zur gleichen Zeit ihre Anteile zurückgeben wollen, würden besonders Dach- und Immobilienfonds unter Druck geraten.
Alternative Investmentfonds (AIF) versprechen höhere Renditen – angesichts des Niedrigzinsumfeldes greifen Anleger daher immer häufiger zu solchen Produkten. Wie aus einem Bericht der EU-Wertpapieraufsicht ESMA hervorgeht, ist der Nettoinventarwert (NAV) aller AIF im Jahr 2020 um acht Prozent auf 5,9 Billionen Euro gestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2017 liegt das Plus sogar bei 37 Prozent. Das Volumen aller UCITS-Fonds ist im gleichen Zeitraum dagegen um nicht einmal 20 Prozent gestiegen.
Die Aufseher betrachten den wachsenden Markt jedoch auch mit Sorge. Denn teils bieten solche Fonds kurzfristige Rücknahmezeiträume, während sie auf Assets sitzen, die meist nur mit längerem Horizont veräußert werden können. Wollen viele Anleger zur gleichen Zeit viele Anteile zurückgeben, könnte das solche Portfolios unter Druck bringen.
Besonders stark von Liquiditätsengpässen bedroht sind nach Analyse der ESMA die Dachfonds, die rund 15 Prozent der europäischen AIFs ausmachen. Anleger könnten hier bis zu 40 Prozent des NAV innerhalb eines Tages zurückzahlen, während so schnell nur 14 Prozent des Vermögens losgeschlagen werden könnten, rechnet die Behörde vor. Bei umfangreiche Rückgaben würden solche AIF aufgrund dieses "Liquiditätsmissverhältnisses" vor Herausforderungen stehen, schreiben die Studienautoren.
Immobilienfonds ebenfalls exponiert
Auch Immobilienfonds (13 Prozent der AIFs) gelten als exponiert. Zwar begrenzen hier viele Staaten die Dynamik, indem sie gesetzliche Mindesthaltezeiträume und Rückgabefristen definieren. Dennoch ergibt sich EU-weit ein beachtlicher Spalt: Investoren könnten hier innerhalb eines Monats bis zu 14 Prozent des NAV zurückgeben, während im selben Zeitraum nur zwei Prozent an den Markt verkauft werden könnten.
Als weniger hoch werden die Liquiditätsrisiken hingegen bei Private-Equity-Fonds erachtet, da es sich hierbei in den meisten Fällen um geschlossene Fonds handelt. Damit sind kurzfristige Rücknahmen kein Thema. Für die große Masse an "anderen AIFs" (darunter fallen rund 62 Prozent aller AIFs, die höchst unterschiedliche Strategien verfolgen) findet sich bei der ESMA leider nur ein Sammelwert: Hier können Anteilsbesitzer 63 Prozent des NAVs innerhalb einer Woche zurückgeben, während in dieser Zeit 55 Prozent liquidiert werden könnten, heißt es.
Immer mehr Privatanleger
Professionelle Anleger besitzen übrigens den Großteil des AIF-Volumens. Doch der Anteil von Privatanlegern ist mit 14 Prozent des NAV mittlerweile "beträchtlich", wie die ESMA es formuliert. Am höchsten ist ihr Anteil bei den Immobilienfonds (24 Prozent) und Dachfonds (19 Prozent).
Die Angst vor Liquiditätsproblemen in wachsenden Fondssegmenten bezieht sich nicht nur auf mögliche Anlegerschäden. Aufsichtsbehörden haben auch die Sorge vor einer Liquiditätsspirale, die die Marktstabilität ins Wanken bringen könnte: Muss ein großer Fonds sehr viele Assets verkaufen, kann ein Preisverfall am Markt die Folge sein. Andere Fonds könnten in diesem Sog das selbe Schicksal erleiden. (eml)
Die Original-Studie im PDF-Format finden Sie hier zum Download.