Einbruch beim Fondsabsatz: Anlegern vergeht Appetit
Nach Jahren des Booms dreht der Nettomittelabsatz der Fondsbranche dramatisch ins Negative. Doch ziehen Anleger tatsächlich panikartig viel Geld ab oder üben sie sich in Kaufzurückhaltung – und warten einfach an der Seitenlinie ab? Ein Blick auf den Bruttoabsatz klärt das auf.
Die Unruhe auf dem Börsenparkett hinterlässt deutliche Spuren im europäischen Fondsgeschäft. Nach Jahren des Booms brach der Nettomittelabsatz deutlich ein. Anleger zogen von Anfang 2022 bis Ende Oktober unterm Strich 311 Milliarden Euro aus Publikumsfonds ab, meldete der Branchenverband EFAMA. Im Vorjahr hatten noch Zuflüsse in Höhe von mehr als 630 Milliarden Euro gestanden.
Doch die Flaute ist vor allem auf eine Zurückhaltung der Investoren bei Neuanlagen zurückzuführen und nicht auf eine panikartige Flucht. Dies zeigen Absatzdaten des Analysehauses Broadridge zu Bruttoabsatz und Anteilsrückgaben für europäische Publikumsfonds, die FONDS professionell exklusiv vorliegen. Demnach bezifferte sich der Bruttoabsatz per Ende Oktober 2022 auf mehr als 578 Milliarden Euro. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum hatten noch Bruttoverkäufe in Höhe von 757 Milliarden Euro gestanden.
Keine Panik zu spüren
Anders sieht das Bild bei den Anteilsrückgaben aus. Hier standen für die ersten zehn Monate 2022 mit 674 Milliarden Euro keine wesentlich höheren Abzüge als 2021 mit 655 Milliarden Euro. Das Analysehaus Broadridge stützt seine Untersuchung auf die Absatzdaten von rund 100 Fondsanbietern, meist mit Sitz in Luxemburg und Dublin. Die Daten zeigen nur den Absatz von Aktien-, Anleihen- sowie Mischfonds.
"Die Anleger halten sich zurück. Sie stecken kein neues Geld in Fonds, sie ziehen es aber auch nicht ab", kommentiert Chris Chancellor, Geschäftsbereichsleiter bei Broadridge, die Ergebnisse. "Im Frühjahr 2020 war eine Panik zu spüren – davon ist derzeit nichts zu bemerken." Mit der Ausbreitung der Corona-Pandemie waren allein im März 2020 die Rücknahmen auf über 100 Milliarden Euro hochgeschnellt. Zwar blieben die Bruttozuflüsse weitgehend stabil, aber der Abverkauf an Fondsanteilen bescherte der Branche in dem Monat Nettomittelabzüge in Höhe von 60 Milliarden Euro.
Kauflaune verflogen
Im Frühjahr 2020 beruhigte sich die Lage recht rasch wieder. Die Kaufzurückhaltung der Investoren schien sich im Jahresverlauf 2022 jedoch zu verfestigen. Steckten Investoren im Januar noch fast 68 Milliarden Euro brutto in Fonds, flaute die Kauflaune nach einer Spitze im März mit 78 Milliarden Euro auf 48 Milliarden Euro im Oktober ab.
Die Rücknahmen wiederum rangierten im Januar bei 65 Milliarden Euro, erreichten im April fast 88 Milliarden und gingen auf zuletzt 60 Milliarden Euro zurück. "Die Branche schaut meist auf die Nettomittelflüsse", erläutert Chancellor. "Der Blick auf den Bruttoabsatz und die Rücknahmen offenbart jedoch ein umfassenderes Bild." (ert)
Den vollständigen Artikel zum Bruttogeschäft der europäischen Fondsbranche finden Sie in der Ausgabe 4/2022 von FONDS professionell ab Seite 218. Angemeldete Nutzer lesen den Artikel auch hier im E-Magazin.