Die europäische Marktaufsicht ESMA hat erstmals einen Bericht zum Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) in der EU erstellt. Dieser offenbart eine höchst unterschiedliche Landschaft und einige überraschende Muster.

Über eine Milliarde Euro war im Jahr 2023 demnach über europäische Crowdfunding-Plattformen investiert. Investorenseitig wird der Markt klar von den rund 1,4 Millionen Kleinanlegern dominiert. Sie machen 87 Prozent aller Crowd-Investoren aus. Eine untergeordnete Rolle (sowohl der Anzahl nach als auch beim investierten Vermögen) spielen die "kundigen Anleger" und die Profiinvestoren. Wer ein "kundiger Anleger" ist, wird in der European Crowdfunding Service Providers Verordnung (ECSPR) definiert, die in weiten Teilen seit Ende 2021 und vollständig seit Ende 2023 gilt. Professionelle Investoren richten sich nach der Mifid-Definition. Beide müssen gewisse Vermögensschwellen überschreiten.

Quelle: ESMA, Übersetzung: FONDS professionell ONLINE

Innovationssektor profitiert am meisten vom Crowd-Geld 
Interessant ist die Verwendung des investierten Kapitals. In der öffentlichen Wahrnehmung werben meist Immobilienprojekte um Geld aus der Crowd. Zwar ist Real Estate hinsichtlich der Zahl der Anleger (380.000) tatsächlich der größte Sektor. Doch sobald es zum Volumen kommt, fließt das meiste Geld in den Bereich Business und Technik. "Der führende Wirtschaftssektor als Ziel für Crowdfunding-Finanzierungen waren professionelle, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen mit 390 Millionen Euro an eingeworbenen Investitionen, ein Drittel des Gesamtvolumens", schreiben die ESMA-Experten. Erst danach folgt der Bausektor mit einem Fünftel der vereinnahmten Mittel.

Litauen: Ein Fünftel der Erwachsenen ist investiert
Über ein weiteres Detail gibt der Bericht Aufschluss: Ganz offensichtlich breitet sich die Schwarmfinanzierungs-Idee mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus. Während das Thema in manchen Ländern weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle läuft (etwa in Deutschland), ist in anderen Staaten ein großer Teil der Bürger investiert. Die höchste Bedeutung hat Crowdfunding wohl in Litauen, wo es seit 2017 ein nationales Gesetz dafür gibt. In dem kleinen Land mit nicht einmal 2,9 Millionen Einwohnern findet man europaweit die meisten Investoren und die höchste Projektanzahl: Im Jahr 2023 finanzierte fast eine halbe Million Litauer (das ist mehr als ein Fünftel der Erwachsenen im Land) 2.840 Projekte (siehe Grafik).

Quelle: ESMA, Übersetzung: FONDS professionell ONLINE

Gerechnet nach lokalen Anbietern und deren Volumina gilt Frankreich als das Crowdfunding-Zentrum schlechthin: 30 Anbieter sammelten im Beobachtungszeitraum 292 Millionen Euro im In- und Ausland ein (siehe Grafik unten). Danach folgen die Niederlande mit 17 Anbietern und 291 Millionen Euro an eingeworbenem Anlegerkapital. Die Hälfte der registrierten Anbieter kommt allein aus diesen beiden Ländern, die seit 2014 beziehungsweise 2020 nationale Regelungen dafür haben.

Quelle: ESMA, Übersetzung: FONDS professionell ONLINE

Österreich und Estland mit den höchsten Auslandsinvestitionen
Plattformen aus Österreich und Estland stellen wiederum einen Ausreißer bei den Geldern aus dem Ausland dar. 80 Prozent des Crowd-Kapitals sammeln österreichische und estnische Anbieter bei ausländischen Anlegern ein. EU-weit liegt dieser Anteil nur bei 17 Prozent.

Über den gesamten Markt hinweg lag der durchschnittliche Investitionsbetrag eines Kleinanlegers bei rund 590 Euro, während kundige Anleger bei 990 und professionelle Anleger bei 4.200 Euro lagen.

Der Bericht ist der erste seit der Einführung der ECSPR. Gemäß Verordnung muss die ESMA künftig jährlich einen Bericht erstellen. Mit der Verordnung (EU) 2020/1503 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen (ECSPR) wurden EU-weit einheitliche Vorschriften für investitions- und kreditbasierte Schwarmfinanzierungsdienstleistungen für die Unternehmensfinanzierung festgelegt. Die Regelung betrifft nur Angebote bis fünf Millionen Euro (über einen Investitionszeitraum von zwölf Monaten). Der Bericht umfasst 98 Crowdfunding-Dienstleister in 17 EU-Mitgliedstaaten. Laut dem ESMA-Register der Schwarmfinanzierungsdienstleister waren bis Ende 2023 zwar 159 Anbieter zugelassen. Einige nationale Aufseher lieferten jedoch mangelhafte Daten. Diese mussten von der Analyse ausgeschlossen werden.

Anbieter können mit der von einer nationalen Behörde ausgestellten ECSP-Lizenz in der gesamten EU ihre Crowd-Dienstleistungen anbieten. Davor war für internationale Tätigkeiten die Erlaubnis eines jeden Nationalstaates nötig. Wer ohne EU-Lizenz operiert, kann Crowd-Investing auch weiterhin auf Basis der nationalen Vorgaben verfolgen. (eml)