Seit Herbst 2017 führt die WKStA strafrechtliche Ermittlungen rund um die Causa Wienwert. Nun haben die Staatsanwälte beim Landesgericht für Strafsachen Wien Anklage gegen elf Personen eingebracht. Als Erstangeklagter muss sich Ex-Vorstand Stefan Gruze verantworten. Ihm wird schwerer Betrug, Untreue, Bilanzfälschung, betrügerische Krida, Beitrag zur Verletzung des Amtsgeheimnisses sowie Bestechung und Vorteilszuwendung zur Beeinflussung ("Anfüttern") vorgeworfen. Rund 1.800 Anleger sitzen laut den Ermittlern auf einem Schaden von rund 41 Millionen Euro.

Über die WW Holding AG (davor Wienwert Holding AG) war Anfang Februar 2018 ein Konkursverfahren eröffnet worden, im März folgte dann die operative Tochter Wienwert AG, zu der die werthaltigen Assets gehörten. Bereits lange vor der Insolvenz war es zu Zweifeln an der Situation des Unternehmens gekommen.  

WKStA: Lage beschönigt, unerlaubte Geldabflüsse
Wienwert hat Anleihen mit hohen Zinsversprechen unter anderem in TV-Spots bei einem breiten Publikum beworben. Laut WKStA zu einem Zeitpunkt, als die Gruppe bereits zahlungsunfähig war. Im Raum steht zudem, dass die Anleger durch die suggerierte Nähe zur Stadt Wien geblendet wurden. Das Investorengeld sei nicht mehr für die beworbenen Projekte verwendet worden, sondern zur Rückzahlung fälliger Anleihen nach dem Prinzip "Loch auf, Loch zu".

Gruze soll außerdem Wienwert-Immobilien weit unter Wert verkauft und anderen, bereits insolventen Unternehmen aus der Firmengruppe Darlehen gewährt haben. Dazu wurde das Unternehmensgeld für Zahlungen verwendet, die laut WKStA nicht zulässig waren. Unregelmäßigkeiten sehen die Staatsanwälte auch bei den Vorstandsvergütungen, unter anderem soll sich Gruze einen Bonus ausbezahlt haben für die Erstellung der Fortbestehensprognose. Was eigentlich zu seinen Kernaufgaben als CEO gehört. Diese Vorgänge sorgten nach Berechnung der Ermittler für einen Schaden von "weit über 20 Millionen Euro". Gruze drohen den Angaben zufolge zwischen ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Anwalt weist Vorwürfe zurück
Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Sie haben die Möglichkeit, gegen die Anklage zu berufen. Gruzes Anwalt Norbert Wess teilte mit, man sei "sehr zuversichtlich, dass keinesfalls schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Herrn Stefan Gruze aufrechterhalten werden können". Gruze sei nur kurz Vorstand gewesen und habe stets mit den Behörden kooperiert.

Gruzes Vorgänger, die später in den Wienwert-Aufsichtsrat wechselten, hatten die Sachverhalte teils mitzuverantworten und sind ebenfalls angeklagt. Dasselbe gilt für ein Beratungsunternehmen, das zur Bilanzfälschung beigetragen haben soll beziehungsweise auch zur betrügerischen Krida, weil es in einem Gutachten die Marke um mehrere Millionen Euro zu hoch bewertete.

Prominente Anklagebank
Insgesamt wartet die Wienwert-Causa mit einer prominenten Anklagebank auf. Auf dieser sitzen auch der Wiener SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy und der ehemalige Wiener Vize-Polizeipräsident und nunmehrige Wiener ÖVP-Stadtrat Karl Mahrer sowie dessen Ehefrau. Für Mahrer ist die Anklage besonders pikant, weil er als Kandidat der ÖVP mitten im Wien-Wahlkampf steht. Der Urnengang findet am 27. April statt.

Mahrer und seiner Ehefrau wird Beitrag zur Untreue vorgeworfen. So habe das von Mahrers Frau geführte PR-Beratungsunternehmen Charisma über sieben Monate hinweg monatlich 12.000 Euro von Wienwert erhalten – insgesamt rund 84.000 Euro, abermals ohne werthaltige Gegenleistungen. Karl Mahrer, damals Landespolizei-Vizepräsident von Wien und später ÖVP-Nationalratsabgeordneter, hatte zwar keine Anteile an Charisma, trat jedoch immer wieder für die Agentur auf, wie die Anklage betont. Honorar gegen politische Kontakte, lautete der Deal, so die WKStA.

Mahrers Anwalt Manfred Ainedter weist die Vorwürfe zurück. So habe das Ehepaar Mahrer tatsächlich Leistungen für Wienwert erbracht. "Die Vorwürfe gegen das Ehepaar Mahrer werden vor einem unabhängigen Gericht widerlegt werden können", so Ainedter.

SPÖ-Nevrivy muss Immo-Deal erklären
SPÖ-Bezirksvorsteher Nevrivy wird Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme zur Beeinflussung sowie Beitrag zur Untreue vorgeworfen. Er soll dem Wienwert-Vorstand den geplanten Standort für eine Remisen-Erweiterung der Wiener Linien verraten haben, worauf dieser das Grundstück privat vorab erwarb und die Wiener Linien es ihm sodann zu einem weit höheren Preis abkaufen mussten. Dadurch entstand den Wiener Linien und am Ende der Stadt Wien ein Schaden von rund 850.000 Euro.

Als Gegenleistung soll die Immobiliengesellschaft Wienwert ihm mehrere VIP-Tickets für die Wiener Fußball-Derbys Austria gegen Rapid sowie Spiele der österreichischen Fußballnationalmannschaft bezahlt haben. Darüber hinaus habe Wienwert auf Veranlassung Nevrivys einer Musikgruppe aus dessen Heimatbezirk ohne erkennbare Gegenleistung insgesamt 36.000 Euro überwiesen. Auch Nevrivy-Anwalt Volkert Sackmann hat die Anschuldigungen bereits in mehreren Medien zurückgewiesen. 

Diversion für Freiheitliche
Diversionsangebote erhielten der aktive FPÖ-Nationalratsabgeordnete Markus Tschank und Wiens ehemaliger Vizebürgermeister Johann Gudenus (ebenfalls FPÖ). Gudenus ersuchte den angeklagten Wienwert-Vorstand um eine Spende an den operativ nicht tätigen FPÖ-nahen Verein "Wirtschaft für Österreich". Dessen Obmann war wiederum Tschank. Er hat nach Rücksprache mit Gudenus ein Spendenersuchen an Wienwert gestellt, was dem Verein letztendlich 10.000 Euro bescherte. Die Staatsanwaltschaft sieht da zum einen eine nicht deklarierte Parteispende. Zum anderen gab es für das Unternehmen keine wirkliche Gegenleistung, womit Gudenus und Tschank einen Beitrag zur Untreue des Vorstandes leisteten, wie es heißt. Gudenus, Tschank und der Verein "haben die Verantwortung übernommen", so die Staatsanwälte. Damit ist die Voraussetzung für eine Diversion erfüllt. Den Beschuldigten wurde eine Geldzahlung samt Schadenswiedergutmachung angeboten; das Verfahren läuft.

Komplexes Verfahren
In dem Verfahren untersuchte die WKStA Vorwürfe gegen 22 Beschuldigte und sieben Verbände (Organisationen, Unternehmen). Der Akt umfasst rund 380.000 Seiten in rund 130 Bänden, darunter ein 8.000-seitiges Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der Wienwert-Gruppe. Das Landeskriminalamt Wien und das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung erstatteten insgesamt rund 85 Ermittlungsberichte. Das Ermittlungsverfahren wurde laut WKStA mehrfach überprüft: Das Beschleunigungsgebot (§ 9 StPO) wurde nicht verletzt, da die Gründe für die lange Verfahrensdauer nicht im Einflussbereich der Staatsanwaltschaft lagen. (eml)