Wie ein Frankfurter Indexhaus unter die globalen Top Ten aufstieg
Das Geschäft mit Börsenbarometern boomt – auch dank des Aufstiegs von ETFs. Drei Unternehmen vereinnahmen 70 Prozent der Umsätze aus Indizes. Doch eine Handvoll Herausforderer tritt gegen die Marktmacht an. Einer davon ist die Frankfurter Gesellschaft Solactive.
Das Frankfurter Unternehmen Solactive war einst als absoluter Underdog angetreten. Im Jahr 2007 von Steffen Scheuble gegründet, sah sich das Haus einerseits direkt nach seiner Geburt mit den Schockwellen der Finanzkrise konfrontiert. Zum anderen betraten die Frankfurter ein Terrain, das von einer kleinen Gruppe von Unternehmen beherrscht wird: das Geschäft mit Börsenbarometern.
Dieses Gefüge kam über die Jahre kaum in Bewegung. Drei Benchmark-Gesellschaften dominieren bis heute den weltweiten Markt: S&P Dow Jones, MSCI und FTSE Russell. Gemessen am Umsatz entfallen auf das Trio 70 Prozent des Geschäfts mit Barometern wie MSCI World, Dow Jones & Co. Das zeigt die jährliche Auswertung des Analysehauses Burton-Taylor. Allenfalls 2023 überholte MSCI mit 25 Prozent Umsatzanteil den bisherigen Spitzenreiter S&P Dow Jones mit 24 Prozent.
Kampf gegen Windmühlen
"Die Struktur des Indexmarktes entspricht einem klassischen Oligopol", sagt Timo Pfeiffer, der den Posten des Chief Markets Officer bei Solactive innehat. "Grundsätzlich ist so eine Struktur in der Wirtschaft weder gut für das Preisniveau noch fördert sie den Service für die Kunden." Am Grundgefüge des Marktes konnte auch Solactive nichts ändern. "Es ist schwer, gegen solche Windmühlen anzukämpfen", gesteht Pfeiffer ein.
Doch immerhin zählt Solactive heute gut 300 Mitarbeiter und rangiert in dem jüngsten Burton-Taylor-Report auf Rang neun der umsatzstärksten Indexanbieter der Welt – Kopf an Kopf mit der Fondsratinggesellschaft Morningstar. "Wir sind nicht mehr das kleine gallische Dorf irgendwo in einer Nische", kommentiert Pfeiffer die Position. "Wir gehören sozusagen zum Establishment, ohne dass wir uns seine Verhaltensweisen aneignen."
"Demokratisierung der Geldanlage"
Die bis heute eigentümergeführte Gesellschaft verdankt ihren Aufstieg zunächst dem Boom der Investmentzertifikate. "Als natürlicher Startpunkt lag unser Fokus bei den Kundengruppen klar auf den Investmentbanken", formuliert es Pfeiffer. Als kleiner Anbieter, der rasch und flexibel auf Kundenanfragen reagieren kann, spielten die Frankfurter ihren Vorteil gegenüber den behäbigen Konzernen aus.
Welche anderen Underdogs den Indexriesen die Stirn bieten und wie sich das Gebührenmodell der Herausforderer von dem des Barometer-Trios unterscheidet, lesen Sie in der Ausgabe 3/2024 von FONDS professionell. Angemeldete Nutzer finden den Artikel auch hier im E-Magazin.
Erst später kam das Geschäft mit börsengehandelten Fonds (ETFs) hinzu. "Die Welle des passiven Investierens entwickelte sich zur Triebfeder unseres Wachstums", erläutert Pfeiffer. "Bei ETFs geht es um einen Marktzugang und eine Demokratisierung der Geldanlage", sagt er. "Dass man heute mit wenigen Basispunkten an Kosten einen Zugang zu Märkten erhält, die über Jahren institutionellen Anlegern vorbehalten waren, ist eine grandiose Entwicklung."
Nach schwäbischer Hausfrauenart
Als weitere Triebfeder des Wachstums stellte sich die internationale Expansion heraus. "Wenn wir uns nur auf Deutschland beschränkt hätten, wären wir längst nicht so schnell gewachsen", meint der Solactive-Manager. So habe das Haus rasch ein Standbein in Nordamerika aufgebaut. "Dort ist nicht nur der bedeutendste Kapitalmarkt der Welt, auch die Herangehensweise ist dort viel offener gegenüber neuen Ansätzen und Akteuren – wie uns, was sicher hilfreich war", berichtet Pfeiffer. "Unser Marketing-Slogan 'German Index-Engineering' funktioniert in Amerika sehr gut – so überraschend das hierzulande klingen mag."
Die Finanzierung des Wachstums stemmte Gründer Scheuble stets aus eigenen Mitteln. "Wir haben nach schwäbischer Hausfrauenart gewirtschaftet: Die laufenden Erträge wurden wieder investiert", erzählt Pfeiffer, der 2017 von der Deutschen Bank zu dem Indexbauer stieß. In den Anfangsjahren habe es noch kaum laufende Erträge gegeben. "Da waren eiserne Disziplin, extremes Durchhaltevermögen angesagt – und Kreativität, um überleben zu können."
"Stillstand heißt Rückschritt"
Heute nutzen 650 ETFs weltweit die Indizes der Frankfurter. "Darauf sind wir stolz", sagt Pfeiffer und räumt ein: "Natürlich ist das verwaltete Vermögen dahinter im Vergleich zu den Branchengrößen gering." Aber im Laufe der Zeit fließe Geld in diese ETFs und auch mit Blick auf das Volumen werde der Marktanteil wachsen.
Doch dabei wollen es die Frankfurter nicht bewenden lassen. "Stillstand heißt Rückschritt, und wir werden uns in den nächsten fünf Jahren anders aufstellen müssen als in den vergangenen fünf Jahren", sagt Pfeiffer. "Sobald wir die erreichte Zahl von 650 ETFs als Ausrede zum Ausruhen nutzen, verlieren wir." Es gebe noch viele Bereiche, in denen Solactive noch nicht aktiv sei oder gerade erst am Anfang stehe. So gebe es in Asien, Nordamerika oder in Feldern wie der künstlichen Intelligenz noch viel Potenzial. (ert)