Gerald Fleischmann ist nicht zu beneiden. Seit mehr als zwei Jahren fusioniert der Generaldirektor der Volksbank Wien ein Institut nach dem anderen. Und obwohl er das Ziel, die Zahl von 58 auf acht Volksbanken zu verringern, fast erreicht hat, ist ein Ende der Herkulesaufgabe nicht in Sicht. Im nächsten Schritt wird die Filialstruktur unter die Lupe genommen, und redundante Prozesse im Verbund sollen bereinigt werden. Beides wird nicht minder anstrengend, als das bisher Erreichte. Das ließ Fleischmann in einem ausführlichen Interview mit FONDS professionell anklingen, das in der kommenden Heftausgabe 03/2017 nachzulesen ist.

Plansoll bis Jahresende erfüllt
Nachdem die alte Volksbanken AG (ÖVAG) in Schieflage geriet und 2015 vom Markt verschwand, ist die Volksbank Wien AG nicht nur die größte Retailbank des Volksbankensektors, sondern auch das Zentralinstitut. Als Fleischmann 2015 den Generaldirektoren-Posten antrat, gab es noch 58 eigenständige Volksbanken. Das Ziel von acht eigenständigen Volksbanken und einer Spezialbank steht in unmittelbarer Greifnähe: Mit einer leichten Verzögerung soll es bei der Ärzte- und Apotheker-Bank noch im Oktober so weit sein, die Volksbank Horn folgt "im Lauf des zweiten Halbjahres", wie Fleischmann sagte.

Wie sehr die Zusammenschlüsse den Zusammenhalt am Sektor auf die Probe gestellt haben, klingt im Interview oft durch: "Wir haben wahnsinnig viele Fusionen gehabt – und das kostet Kraft", so Fleischmann. Auch wenn die Maßnahmen ihre Wirkung zeigen (das erste Halbjahr 2017 verlief mit einem Nettogewinn von 32,8 Millionen Euro erfreulich) sind rasch weitere Einsparungsschritte unumgänglich. Denn die Kosten-Einnahmen-Quote soll von rund 78 auf 60 Prozent im Jahr 2020 sinken.

"Müssen auf der Kostenseite runter" – 300 Filialen Ende 2019
Auf der einen Seite wird gerade kräftig an Produktbereinigungen gearbeitet. Fleischmann verordnet dem Sektor dafür einen österreichweit einheitlichen Standard: Die derzeit bestehenden dutzenden Ausprägungen bei Kreditprodukten sollen bald Geschichte sein. "Der Volksbankenverbund war dadurch geprägt, dass er aus unabhängigen Banken bestand. Jeder hat seine eigenen Produkte kreiert, ist damit direkt ins Rechenzentrum gegangen und hat sich das programmieren lassen. (...) Jetzt bauen wir das zum Gegenteil um. (...) Es gibt nur eine IT-Plattform und auf dieser wiederum die gleichen Parameter für alle", sagt Fleischmann. Die Marktanteile in Österreich seien relativ stabil und nur schwer zu verschieben. Daher gilt: "Die Cost-­Income Ratio können wir nur senken, indem wir auf der Kostenseite runter kommen, und nicht, indem wir auf der Ertragsseite so viel mehr zusammenbringen".

Auf der anderen Seite steht die Filialstruktur auf dem Prüfstand. Bis Ende 2019 soll die Anzahl von rund 360 auf 300 sinken. "Die Filialdichte ist in Österreich generell zu hoch. Ich behaupte auch, in relativ kurzer Zeit eröffnet niemand mehr ein Konto in der Bank, das macht man digital", so Fleischmann. Produkte wie den klassischen Wohnbaukredit, der Investitionskredit für das KMU oder Wertpapierservices würden aber weiter in der Filiale nachgefragt werden, gibt sich Fleischmann zuversichtlich.

Anleihe und Börsenkapital
Zusätzliches Geld vom Kapitalmarkt brauche man eigentlich derzeit nicht. Wegen der viel diskutierten MREL-Quoten (Banken müssen für den Abwicklungsfall eine individuelle Menge an Eigenmitteln und wandelbarem Fremdkapital bereithalten, Anm.) sei man, wie andere Banken, gezwungen, Anleihen zu platzieren. Dass man heuer das Investmentgrade-Rating erhalten habe, sei aus diesem Blickwinkel von großer Bedeutung gewesen.

Die Volksbank Wien hat vor einigen Tagen bekannt gegeben, dass sie erstmals nach der Umstrukturierung des Sektors mit einer Anleihe an den Kapitalmarkt zurückgekehrt ist. Die zehnjährige nachrangige Anleihe (Tier 2) mit einem Volumen von 400 Millionen Euro und einem Kupon von 2,75 Prozent p.a. für die ersten fünf Jahre wurde ausschließlich institutionellen Investoren angeboten.

Apropos Kapital: Einen Börsegang schließt Fleischmann nicht aus. Derzeit sei man ausreichend kapitalisiert. Doch: "Sollte man Eigenkapital benötigen, das über das potenzielle Volumen des Genossenschaftskapitals hinausgeht, das man durch neue Genossenschafter bekommt, dann kann es einmal sein, dass man etwas von der Börse braucht", so Fleischmann. (eml)


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