Vitamin B statt Leistung? EZB-Mitarbeiter prangern System an
Mangelndes Vertrauen in die Führung und Kritik an der Beförderungspraxis: Eine Umfrage bei der EZB zeigt deutliche Unzufriedenheit unter den Beschäftigten – auch Präsidentin Christine Lagarde steht dabei im Fokus.
Laut einer aktuellen Umfrage der Gewerkschaft IPSO hat eine Mehrheit der Beschäftigten der Europäischen Zentralbank (EZB) wenig oder gar kein Vertrauen in die Führungsebene – insbesondere mit Blick auf Präsidentin Christine Lagarde. Im Vergleich zur letzten Umfrage Ende 2023 wurden kaum Fortschritte erzielt.
Karriereaussichten sorgen für Frust
Vor allem in Bezug auf Einstellungsverfahren und berufliche Aufstiegschancen äußerten die Befragten "erhebliche Unzufriedenheit". Über 75 Prozent der Teilnehmenden sind der Meinung, dass persönliche Beziehungen wichtiger seien als Leistung, um beruflich voranzukommen. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil noch bei 65 Prozent.
Insgesamt gingen bei der Erhebung 1.425 Rückmeldungen ein, wobei weniger als 1.200 Beschäftigte die Frage zum Vertrauen beantworteten. Die EZB beschäftigt derzeit 5.242 Mitarbeiter und Auszubildende.
Reaktion der EZB: Dialogformate und Verteidigung der Prozesse
Ein EZB-Sprecher betonte, man habe die Anzahl der internen Formate deutlich erhöht, bei denen Mitarbeitende direkt mit der Führungsebene, einschließlich der Präsidentin, ins Gespräch kommen können.
Im vergangenen Jahr habe der Vorstand gemeinsam mit dem Chief Services Officer bei Veranstaltungen wie Kaffeerunden oder Fachvorträgen insgesamt 2.770 Beschäftigte erreicht.
Lagardes Sicht: Stolz statt Vertrauenskrise
Auf das Thema des mangelnden Vertrauens angesprochen, verwies Christine Lagarde 2024 auf interne Erhebungen der EZB. Demnach seien zuletzt 85 Prozent der Mitarbeitenden stolz darauf gewesen, für die Notenbank zu arbeiten.
Im Hinblick auf die Kritik an möglichen Vorteilen durch persönliche Netzwerke erklärte der EZB-Sprecher, dass die Personalprozesse "durch eingebaute Kontrollmechanismen zur Gewährleistung von Fairness und zur Verhinderung individueller Einflussnahme" geschützt seien.
Ein neuer Mobilitätsansatz, der aktuell mit den Personalvertretungen abgestimmt werde, solle zudem mehr berufliche Entwicklungsmöglichkeiten schaffen und die Vielfalt an Kompetenzen stärken.
Gleichstellung bleibt ein Problemfeld
Ein Thema in dem am Montag (28.4.) veröffentlichten Jahresbericht 2024 ist die Gleichstellung der Geschlechter. Die Daten zeigen, dass Frauen in der EZB in höheren Hierarchieebenen weiterhin unterrepräsentiert sind – mit Ausnahme der unteren Analystenebene sind Männer in Führungspositionen deutlich in der Mehrheit. (mb/Bloomberg)