Versicherungsmakler im Merger-Fieber: "Preise für Kleine viel zu hoch"
Österreichische Versicherungsmakler sind zunehmend Ziel von Übernahmen durch internationale Investoren. Laut Unternehmensberater Wolfgang Willim hat sich die Dynamik allein im Vorjahr verdoppelt. Hohe Kaufpreise spiegeln die Attraktivität der Branche wider.
Die hohe Übernahmedynamik bei österreichischen Versicherungsmaklern zählt momentan zu den Topthemen in der Branche. Zwei aktuelle Beispiele: Soeben wurde bekannt, dass die HBC Österreich, eine Tochter der deutschen Hanseatic Broking Center, bei der Wiener Schinner Versicherungsmaklerkanzlei einsteigt. Und das Maklerunternehmen Seipt & Partner GmbH (ebenfalls Wien) wird von der Assepro Österreich übernommen, einer 100-Prozent-Tochter der Schweizer Assepro AG. Assepro ist in den vergangenen Jahren durch Zukäufe stark gewachsen. Ein Blick in die Firmendatenplattform Northdata weist unter dem Namen der Schweizer eine lange Liste an Übernahmen und Beteiligungen in Österreich aus. Mit ihrer Kauflust stehen Assepro oder HBC stellvertretend für viele ausländische Gesellschaften, die hierzulande gute Wachstumschancen sehen.
Laut Wolfgang Willim, Gründer der auf Versicherungsvermittler spezialisierten Unternehmensberatung Sewico, hat sich die Übernahmedynamik in Österreich allein im Vorjahr verdoppelt. Nicht nur Gesellschaften aus dem deutschsprachigen Raum wollen hier wachsen; hinter den Käufer-Unternehmen stehen oft große Strukturen aus Großbritannien oder Australien.
Attraktive Bedingungen in Österreich – hohe Kaufpreise
Ein Grund für das hohe Interesse sind vorteilhafte Rahmenbedingungen in Österreich, wie langjährige Vertragslaufzeiten, etwa im Gewerbebereich mit bis zu zehn Jahren. "Das gibt es in Großbritannien nicht und in Deutschland nur teilweise", wie Willim in einem Interview sagte, das in voller Länge in der aktuellen Heftausgabe von FONDS professionell erschienen ist. Die übernehmenden Gesellschaften schätzen diese Stabilität im Vergleich zu Deutschland oder Großbritannien.
Weil größere Übernahmeobjekte zunehmend rar und teuer sind, rücken mittlerweile auch kleinere Spezialmakler in den Fokus, wie Willim erklärt. Ihre Effizienz und EBIT-Raten von teils über 50 Prozent machen sie für potenzielle Käufer attraktiv. Durch das hohe Interesse aus dem Ausland ist umgekehrt jedoch ein Zukauf für kleinere wachstumswillige regionale Makler oft unerschwinglich. "Die Preise sind für Kleinere oft einfach viel zu hoch", so Willim, der mittlerweile Kaufsummen von bis zum Neunfachen des EBIT sieht.
Zunehmend auch Privatkundensegment interessant
Ausländische Makler interessieren sich vor allem für das Gewerbe- und Industriegeschäft in Österreich, zunehmend aber auch für das Privatkundensegment. Insgesamt bringt diese Dynamik aus dem Ausland laut Willim eine Diversifizierung des Angebots nach Österreich: Internationale Produktlösungen halten zunehmend hierzulande Einzug, das birgt aber auch das Risiko, dass heimisches Geschäft ins Ausland verlagert wird und österreichische Versicherungen durch die Finger schauen könnten.
Die Konsolidierung des Marktes werde durch die steigenden Anforderungen an Makler verstärkt. So werden etwa Versicherer immer selektiver bei der Risikoannahme, und größere Maklerstrukturen können bessere Angebote für ihre Kunden aushandeln. Dadurch geraten kleinere Makler unter Druck, sich größeren Verbünden anzuschließen oder ihre Bestände zu verkaufen. (eml)
Das gesamte Interview mit Wolfgang Willim lesen Sie in der FONDS professionell-Heftausgabe 4/2024 oder hier im E-Magazin. Darin spricht Willim auch über die zunehmende Schwierigkeit, gute Versicherungsbedingungen zu bekommen und über die Gefahren des Übernahmetrends für Österreichs Assekuranzen.