Versicherungsvorstand: "Keine Paralleluniversen entwickeln"
Versicherungen in der EU sollen für den Fall einer Schieflage bald verpflichtend einen präventiven Sanierungs- und Abwicklungsplan in der Schublade liegen haben. Die Versicherer wollen mehr in die Gestaltung der Regeln eingebunden werden.
Was insolvenzbedrohte Banken und ihre Aufseher zu tun haben, ist seit gut zehn Jahren EU-weit einheitlich in der Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) geregelt. Im Unterschied dazu gelten bei Versicherungsschieflagen bis jetzt in jedem Land eigene Regeln. Das soll sich mit der IRRD-Regulierung (Insurance Recovery and Resolution Directive) ändern.
Ab 2027 muss ein großer Teil der Versicherungsunternehmen Pläne für gravierende Notlagen bereithalten und diese der nationalen Aufsicht vorlegen. Umgekehrt erstellen die Behörden für die unter die IRRD fallenden Unternehmen Abwicklungspläne.
"Abwicklung künftig immer mitdenken"
"Versicherungsunternehmen müssen sich auf Krisen wirklich intensiv vorbereiten", sagte Nicole Schweizer, Versicherungsaufseherin in der österreichischen Finanzmarktbehörde FMA, am Dienstag (23.9.) bei einer Aufsichtskonferenz in Wien. Auch die Aufsicht werde künftig die Abwicklung im Versicherungsbereich immer mitdenken müssen.
Herausforderungen sieht Schweizer unter anderem bei Gruppenstrukturen. Etwa wenn es darum geht, zu skizzieren, wie sich Schwierigkeiten eines Gruppenunternehmens auf die anderen Gesellschaften auswirken könnten. Nicht einfach werde auch die Abgrenzung zwischen Sanierung und Abwicklung. Der genaue Zeitpunkt, an dem ein Unternehmen von der Aufsicht in die Abwicklung wechselt, "darf weder zu früh noch zu spät sein", so die stellvertretende Leiterin der Abteilung Querschnittsthemen in der FMA.
Zwischen 40 und 60 Prozent des Marktes betroffen
In das neue Regime einbezogen werden müssen laut EU-Regulierung in jedem Land mindestens 60 Prozent des Marktes bei den präventiven Sanierungsplänen und mindestens 40 Prozent bei den Abwicklungsplänen. Welche Unternehmen damit genau darunter fallen, wird noch zu erarbeiten sein. Wie überhaupt die Regulierung den Nationalstaaten viele Freiheiten lässt.
Kurt Svoboda, Finanz- und Risikochef der Uniqa, kritisierte, dass es mit der IRRD einmal mehr zu einer Annäherung an die EU-Standards bei der Bankenabwicklung komme. "Das Geschäftsmodell der Versicherungen ist ein ganz anderes", so Svoboda.
Mitsprache
Er wünscht sich, dass die Versicherungswirtschaft besser eingebunden wird in die nationale Gesetzesumsetzung. Eine Mitarbeit der Versicherungen würde die Rechtssicherheit erhöhen, so Svoboda. Eine realitätsfremde Regelung dürfe nicht passieren, "da steht zu viel auf dem Spiel. Es geht auch um Europa versus andere Märkte, es muss eine Chancengleichheit gegeben sein."
Gleichzeitig verwies er auf die Problematik, dass die in den einzelnen Staaten unterschiedlichen existierenden Systeme wohl auch in die jeweiligen nationalstaatlichen IRRD-Umsetzungen einfließen werden. "Es dürfen sich keine Paralleluniversen entwickeln", warnt Svoboda.
Bafin-Expertin: Behörden auf sich gestellt
Birgit Rodolphe, Exekutivdirektorin Abwicklung und Geldwäscheprävention in der deutschen Aufsicht Bafin, verdeutlichte bei der Diskussion, dass auch die Aufsichten durch die IRRD vor Neuland stehen. "Es gibt kein SRB (Einheitlicher Abwicklungsausschuss, Anm.d.Red.) wie bei Banken, die nationalen Behörden sind auf sich selbst gestellt", so Rodolphe.
Anders als in der Bankenabwicklung, wo die EZB bei großen Instituten das Heft in die Hand nimmt, definiere die IRRD keine europäische Behörde mit Entscheidungsbefugnis, beziehungsweise mit der die Nationalbehörden gemeinsam vorgehen können. "Bei grenzüberschreitenden Fällen werden wir versuchen, mit den anderen Behörden einen Kompromiss zu finden", sagte die Expertin. Die im Bankenbereich bekannten MREL-Quoten für verpflichtendes Eigenkapital, das im Krisenfall als Unterstützung dient, gibt es bei der IRRD ebenfalls nicht. "Auch die Abwicklungsbehörde hat Respekt", fasste Rodolphe die Arbeiten an den neuen Vorgaben zusammen.
Neue Möglichkeiten
Positiv sei, dass die IRRD es ermögliche, nur Teilbestände in Sicherungsfonds zu übertragen. Die Behörden können dann im Ernstfall Teile verkaufen und nur den unverkäuflichen Teil durch den Sicherungsfonds auffangen. In Deutschland war dies bisher nicht möglich. Dort gibt es zwei Sicherungsfonds (Protektor und Medicator), die bereits einspringen mussten. Beide seien aber nicht ausreichend geeignet, um eine Pleite großer Versicherungen abzufedern. Da bringe die IRRD Verbesserungen.
In den Niederlanden ist ein ähnliches Recovery-und-Resolution-System längst verankert, wie Jean-Francois Izac, Head of Portfolio Strategy, M&A and Capital Management & Treasury der NN Group, erklärte. Er verwies auf das breite Absichtenfeld, das hinter solchen Regelungen steht: Konsumentenschutz, Schutz von Gläubigern, Wirtschaft und Steuerzahlern, Stabilität des Finanzsystems, et cetera. Teilweise können die Interessen der Schutzwürdigen zuwiderlaufen. Für das Handeln der Behörden sei es wichtig, sich vorher die Linie zu definieren. (eml)















