Dass Blackrock der größte Fondsanbieter der Welt ist, dürfte sich rumgesprochen haben. Doch blickt man nur auf Publikumsfonds und lässt andere Mandate außen vor, ist nicht Blackrock die Nummer eins, sondern Vanguard. Der Pionier für Indexinvestments mit Sitz im US-Bundesstaat Pennsylvania verwaltet weltweit rund 4,7 Billionen US-Dollar. Fast ein Drittel davon gilt als aktiv verwaltet, weil die entsprechenden Fonds keine klassischen Indizes abbilden, sondern quantitative Strategien oder Smart-Beta-Ansätze verfolgen.

In Europa brachte das Unternehmen zwar schon vor fast 20 Jahren erste Fonds auf den Markt, doch erst seit dem Einstieg ins ETF-Geschäft vor etwa fünf Jahren nimmt die Branche den Angreifer auch auf dem Alten Kontinent ernst. Inzwischen verwaltet Vanguard in Europa in Summe 155 Milliarden US-Dollar in Fonds, die in Irland aufgelegt wurden, darunter rund 30 Milliarden Dollar in 23 ETFs. Seit diesem Donnerstag werden diese ETFs auch an der Frankfurter Börse gehandelt.

Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE erläutert Sebastian Külps, seit Februar dieses Jahres Head of Business Development Germany, die Hintergründe für den Einstieg in Deutschland und die Philosophie des Firmengründers John C. Bogle. Außerdem nimmt er Stellung zum Vorwurf von Wettbewerbern, der einseitige Blick auf günstige Kosten würde zulasten der Qualität und Liquidität der Vanguard-ETFs gehen.


Herr Külps, Vanguard ist seit rund fünf Jahren mit ETFs in Europa vertreten. Nun haben Sie Ihre Produkte auch in Frankfurt auf Xetra listen lassen. Welche Vorteile versprechen Sie sich davon?

Sebastian Külps: Die Frankfurter Börse ist ein wichtiger Handelsplatz für den europäischen ETF-Markt. Wir möchten von der Liquidität auf Xetra profitieren und außerdem deutschen Investoren den Zugang zu unseren Produkten erleichtern. Gerade Privatanleger zahlen für Orders an Auslandsbörsen häufig einen Aufpreis. Bislang waren unsere europäischen ETFs zwar schon in Deutschland zum Vertrieb zugelassen, wurden aber nur an der London Stock Exchange und an der Euronext gehandelt.

Hat das Xetra-Listing auch für institutionelle Investoren Vorteile?

Külps: Das kommt darauf an, was Sie unter einem institutionellen Investor verstehen. Manche Robo-Berater sind sehr froh, dass unsere ETFs nun auch in Frankfurt gehandelt werden. Für einen großen Versicherer dagegen stellt es natürlich kein Problem dar, Fonds an der Londoner Börse zu kaufen.

Sie sollen das Deutschlandgeschäft von Vanguard aufbauen, arbeiten bislang aber von London aus. Ist geplant, ein Büro hier in Frankfurt zu eröffnen?

Külps: Ja, das soll innerhalb des ersten Halbjahres 2018 geschehen. Bislang ist Vanguard in Europa in London, Zürich, Paris und Amsterdam präsent. Frankfurt wird das fünfte Büro. Wir möchten insbesondere die institutionellen Investoren aus Deutschland besser betreuen können als bisher, daher die Entscheidung, vor Ort ein Team aufzubauen.

Wie groß wird dieses Team sein?

Külps: Die endgültige Zahl der Mitarbeiter steht noch nicht fest. In unseren Büros in der Schweiz und in den Niederlanden arbeiten jeweils sechs bis acht Kollegen – das wäre eine mögliche Größenordnung. Klar ist, dass wir nicht mit 20 Mann hier anrücken. Das würde nicht zu Vanguard passen. Wir bauen den Standort sehr behutsam und mit langfristiger Perspektive auf. Vanguard beobachtet den deutschen Markt bereits seit rund fünf Jahren, und erst jetzt eröffnen wir ein Büro. Schon das zeigt, dass der Markteintritt keine überstürzte Aktion ist, sondern ein wohlüberlegter Schritt. Wir glauben, dass wir inzwischen reif sind für den deutschen Markt – und der deutsche Markt für uns.

Wie meinen Sie das?

Külps: Wir investieren dort, wo wir damit rechnen, dass die "Vanguard Story" Gehör findet und wir Anleger von unserem Modell überzeugen können. Als John C. Bogle das Unternehmen 1975 gründete, hatte er eine Mission, die wir seither konsequent verfolgen: Wir möchten Anlegern ermöglichen, kostengünstig und transparent mit breit diversifizierten Investments eine Altersvorsorge aufzubauen. Denn die Kosten sind bei der Geldanlage das einzige, was der Anleger kontrollieren kann. Wie sich die Finanzmärkte entwickeln, kann niemand vorhersagen. Doch ob ein Fonds 1,5 Prozent oder 0,2 Prozent pro Jahr kostet, steht von vornherein fest – mit entsprechenden Konsequenzen für die langfristige Performance. Unser Firmenkonstrukt ist wohl einmalig: Unser Unternehmen gehört nicht externen Anteilseignern, sondern den amerikanischen Vanguard-Fonds. Wir müssen keinen Gewinn erwirtschaften, sondern geben die Skaleneffekte, die wir dank des steigenden Fondsvolumens erreichen, über Gebührensenkungen an die Anleger weiter.

Und die niedrigen Gebühren locken neue Anleger an.

Külps: Genau. Wir umschreiben diesen Mechanismus mit einem Rad, das sich stetig dreht: Anleger kommen zu uns, weil wir ihnen niedrige Gebühren bieten, weshalb wir wiederum die Gebühren senken können. Dieser Effekt zeigt sich nicht nur in den USA, sondern auch in Europa: Im Jahr 2010 lagen die Kosten unserer Fonds im Schnitt bei 0,4 Prozent im Jahr, inzwischen sind es 0,18 Prozent.

Einige Wettbewerber werfen Ihnen vor, nur auf die Kosten zu achten – mit dem Effekt, dass die Handelbarkeit, also die Liquidität Ihrer ETFs, leidet.

Külps: Da muss ich widersprechen. Es kann sein, dass die Geld-Brief-Spanne bei einigen unserer neuen, noch recht kleinen ETFs größer ist als bei einigen Wettbewerbern. Bei unseren Flaggschiffprodukten, den ETFs auf den S&P 500 und den FTSE 100, die aktuell 19 beziehungsweise 3,4 Milliarden US-Dollar verwalten, ist der Spread aber sehr klein. Hier ist es wie bei den Fondsgebühren: Wir setzen auf Skaleneffekte, denn mit zunehmendem Volumen steigt auch der Umschlag, und die Geld-Brief-Spanne sinkt. Deshalb ist unsere ETF-Palette mit 23 Produkten auch vergleichsweise klein. Wir möchten uns nicht in Nischen verzetteln, weil dort die Skaleneffekte nicht zum Tragen kämen.

Besteht bei einer zu großen Kostendisziplin nicht die Gefahr, nötige Investitionen beispielsweise in Technologie zu vernachlässigen?

Külps: Da gebe ich Ihnen Recht. Darum achten wir nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Qualität. Unser Ziel ist es gar nicht, stets für jeden Markt das günstigste Produkt anzubieten. Aber über die gesamte Palette hinweg sind wir im Branchenvergleich schon sehr preiswert. Vanguard hat seit mehr als 40 Jahren Erfahrung damit, Indizes nachzubilden. Das klingt nach einem simplen Geschäft, birgt aber doch einige Komplexität. Vor einer Indexanpassung beispielsweise gilt es, den Austausch einzelner Titel so vorzunehmen, dass es möglichst geringe Auswirkungen auf den Markt hat. Das ist für ein Unternehmen unserer Größenordnung alles andere als einfach. Wir können für einen milliardenschweren Fonds nicht in den letzten Handelsminuten eines Tages alle Aktien eines Unternehmens auf einen Schlag verkaufen und einen anderen Titel kaufen. Wir gehen so vor, dass wir für unsere Anleger das beste Ergebnis erzielen. Der Tracking Error unserer Fonds ist im Wettbewerbsvergleich sehr gering, die ETFs weichen also kaum vom Index ab.

Ihr Unternehmensgründer ist ein großer Freund von Indexfonds, allerdings in der herkömmlichen, nicht-börsengehandelten Variante. ETFs konnte er noch nie viel abgewinnen. Dennoch wächst Vanguard rasant mit ETFs. Wie passt das zusammen?

Külps: John C. Bogle meint, dass die ständige Handelbarkeit eigentlich unnötig ist. Seine Angst war, dass sie Anleger dazu verführen könnte, ihr Investment unüberlegt zu einem schlechten Zeitpunkt zu verkaufen. Aber ETFs sind kostengünstig, transparent, breit diversifiziert – und man kann sie ja genauso gut über viele Jahre halten wie jeden anderen Fonds auch. Deshalb passen diese Produkte schon sehr gut zu Vanguard. In Deutschland helfen uns ETFs, in einige Vertriebskanäle reinzukommen. Bei normalen Publikumsfonds arbeiten die meisten Vertriebe mit Ausgabeaufschlägen und Bestandsprovisionen. Solche Provisionen hat Vanguard noch nie bezahlt und wird das auch nicht tun. Wir möchten, dass die Berater, die unsere Fonds empfehlen, auf Honorarbasis arbeiten, um nicht in Interessenkonflikte zu kommen und dem Anleger unpassende Produkte zu empfehlen.

Ihre nicht-börsengehandelten Indexfonds sind auch in Deutschland und Österreich zum Vertrieb zugelassen. Aber die Mindestanlagesummen sind so hoch, dass normale Privatanleger sie kaum erwerben können. Oder täusche ich mich?

Külps: Die Mindestanlagesumme gilt nur für den Intermediär, der die Anteile bei uns erwirbt. Dessen Kunden, also die Privatanleger, können auch Anteile für geringere Summen erwerben. Ein Beispiel: Wir haben eine Vertriebsvereinbarung mit einer Bank getroffen, die unsere Indexfonds in ihren Musterportfolios einsetzt. In diesem Fall wissen wir, dass wir mit einem konstanten und stabilen Geschäft rechnen können. Beim Endkunden spielt die Mindestanlagesumme dann keine Rolle mehr.

Vanguard verfolgt in der Personalpolitik das sogenannte Rotationsprinzip. Der Vertriebsleiter von Japan kann morgen der Personalchef in den USA sein. Das mag abwechslungsreiche Karrieren erlauben. Aber gerade im Vertrieb kommt es doch darauf an, eine langfristige Beziehung zum Kunden aufzubauen, oder?

Külps: Vanguard ist eher bereit als viele andere Unternehmen, Manager rotieren zu lassen, das stimmt. Bei einem Asset Manager sind alle Bereiche miteinander verzahnt, und wir sind überzeugt davon, dass es nützlich ist, die Managementerfahrungen aus einem Teil des Unternehmens auch in einem anderen zu nutzen. Ziel ist ein echter, sich gegenseitig befruchtender Gedankenaustausch über alle Bereiche hinweg. Das gilt allerdings wie erwähnt für die Managementebene. Bei den Kollegen mit direktem Kundenkontakt wäre es natürlich wenig sinnvoll, diese nach wenigen Monaten in ein anderes Land oder einen anderen Bereich rotieren zu lassen.

Haben Sie eigentlich konkrete Wachstumsziele für den deutschen Markt?

Külps: Nein, Wachstum ist bei uns kein Ziel, sondern Ergebnis. Vanguard strebt ja nicht nach mehr Gewinn, darum ist auch Wachstum an sich kein Wert für unser Unternehmen. Bei uns steht tatsächlich der Dienst am Anleger im Vordergrund. Das klingt wie eine Floskel – in unserem Fall trifft es wirklich zu.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)