Unicredit-Chef: "Dann werden wir ein aktiver Aktionär sein"
Ein Zusammenschluss von Commerzbank und Unicredit würde ein starkes europäisches Institut schaffen, wirbt Andrea Orcel im Interview mit dem "Handelsblatt". Dabei würde es allerdings zu Einsparungen kommen. Völlig überraschend sei der Übernahme-Vorstoß aus Mailand zudem nicht.
Mit der Übernahme der Commerzbank will Unicredit-Chef Andrea Orcel ein international wettbewerbsfähiges Kreditinstitut schmieden. "Für den Moment sind wir nur ein Aktionär", sagte Orcel in einem Interview mit dem "Handelsblatt". "Aber eine Zusammenführung beider Banken könnte zu einem erheblichen Mehrwert für alle Stakeholder führen und würde einen deutlich stärkeren Wettbewerber auf dem deutschen Bankenmarkt schaffen."
Die italienische Großbank hat im Zuge eines Anteilsverkaufs der Bundesrepublik ein Aktienpaket des zweitgrößten deutschen Geldhauses erworben. Der Bund hatte sich bei einer Rettungsaktion während der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite an der Commerzbank beteiligt. Die Unicredit erhielt als Meistbietender den Zuschlag. Daneben kaufte das Mailänder Institut noch Commerzbank-Titel über den Markt hinzu und hält nun einen Anteil von neun Prozent.
"Potenzial für Einsparungen"
Der Unicredit-Vorstandschef sieht eine Übernahme als gute Ergänzung zur Hypovereinsbank (HVB), die seit 2005 zu dem italienischen Finanzdienstleister gehört. "Wir sind in Deutschland kein ausländisches Institut, sondern mit der HVB die drittgrößte deutsche Privatbank und könnten alle Vorteile, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer paneuropäischen Gruppe ergeben, voll ausschöpfen", argumentierte Orcel. Überschneidungen zwischen den Instituten sieht er in Teilbereichen – und kündigte für den Fall eines Zusammenschlusses Streichungen an.
"Synergien liegen meiner Meinung nach nicht in den Bereichen, die direkt mit dem Kundengeschäft oder den Produkten zu tun haben, und auch nicht im geografischen Netzwerk beider Banken, das sich sehr gut ergänzt", erläuterte Orcel. "Bei den Zentralfunktionen hingegen gäbe es Potenzial für Einsparungen. Das haben wir bei der HVB und bei der Unicredit gehoben." Viele Banken hätten es vernachlässigt, ihre Zentralfunktionen effizienter aufzustellen – "zum Nachteil der breiteren Stakeholder", so der Manager in dem "Handelsblatt"-Interview.
"Unausgeschöpftes Potenzial"
Bei der Neuaufstellung der Commerzbank billigt Orcel der Führung um Manfred Knof nur Anfangserfolge zu. "Das aktuelle Management hat hier deutliche Fortschritte gemacht, aber meiner Meinung nach kann man noch viel mehr tun", sagte der Unicredit-Chef. "Ich bin davon überzeugt, dass in der Commerzbank noch erhebliches unausgeschöpftes Potenzial steckt. Sie muss es jedoch realisieren, so wie wir es getan haben." Knof hatte kurz vor Bekanntwerden des Unicredit-Einstiegs angekündigt, dass er nicht für eine weitere Amtszeit als Commerzbank-Chef zur Verfügung stehe.
Unicredit-Lenker Orcel gesteht in dem Interview ein, dass er eine Übernahme nicht gegen Widerstände erzwingen kann. Mit dem Kauf des Commerzbank-Anteils wolle sein Haus "ein gutes Investment erzielen", so der Banker. "Wenn daraus ein Zusammenschluss werden soll, müssen die Stakeholder überzeugt davon sein, dass wir Wert für sie schaffen würden, und mitziehen", räumte der Manager ein. "Aber Europa, und auch Deutschland, braucht stärkere Banken."
"Kein Geheimnis"
Die Gewerkschaft Verdi stellte sich gegen eine Übernahme. Die Arbeitnehmervertreter fürchten einen breit angelegten Stellenabbau und eine Schwächung des Standorts Deutschland. Verdi fordert den Bund auf, keine weiteren Anteile mehr zu verkaufen. Auch die Deutsche Bank scheint einen Einstieg der Italiener bei dem kleineren Konkurrenten misstrauisch zu beäugen. Medienberichten zufolge war die Bundesregierung von dem Einstieg der Italiener überrascht worden. Den Versuch eines Überrumpelungsmanövers weist Orcel in dem "Handelsblatt"-Interview jedoch zurück.
"Unser Interesse an der Commerzbank war bekannt, und wir wären nicht aktiv geworden, wenn wir nicht willkommen gewesen wären", meinte der Banker. Bei der Auktion des Bundesanteils habe die Finanzagentur Angebote von verschiedenen Investoren eingeholt "und sich am Ende für unseres entschieden", sagte Orcel. "Allen Beteiligten war klar, dass unser Anteil dadurch auf neun Prozent steigt und welche Implikationen das hat", meinte der Manager. "Dass wir in einem Zusammenschluss Potenzial sehen, ist seit vielen Jahren kein Geheimnis", betonte der Uniciredit-Chef, der 2019 an die Spitze der spanischen Santander rücken sollte.
"Transformation beschleunigen"
Auch für den Fall, dass es nicht zu einer Übernahme kommen sollte, kündigte der Manager ein unmissverständliches Ziel an. "Dann werden wir ein aktiver Aktionär sein, immerhin halten wir neun Prozent und haben 1,5 Milliarden Euro in die Commerzbank investiert", sagte Orcel und stellte klar: "Wir werden darauf hinwirken, die Transformation der Bank zu beschleunigen, um deutlich mehr Wert für alle Stakeholder zu schaffen." Das sei gut für die Commerzbank und "gut für uns als Investor", ergänzte der Unicredit-Chef. (ert)