Robo-Advisors: Nur die Großen werden überleben
Finabro, Savity, Carl-Spängler, Scalable. "Robo-Advisors", also automatisierte Finanzberatung, gewinnen auch in Österreich an Bedeutung. Die geringe Größe des Landes ist aber eine Herausforderung.
Die Geschwindigkeit, mit der manche Robo-Advisors wachsen, ist atemberaubend. Bestes Beispiel ist Scalable Capital. Im März 2017 wies die deutsch-britische Anlageplattform mit Austro-Hintergrund erst ein verwaltetes Vermögen von 200 Millionen Euro aus. Nur ein Jahr später peilt Scalable neue Dimensionen an: "Ganz sicher wollen wir 2018 die Milliarde knacken", sagt Florian Prucker. Der gebürtige Innsbrucker ist Mitgründer und Co-Geschäftsführer des Unternehmens, das 2016 den Betrieb aufnahm und mittlerweile in Deutschland, Großbritannien, Österreich und der Schweiz tätig ist.
Auf den Zeh getreten
Das Geld wird bei Scalable ausschließlich in ETFs angelegt – ein häufiges Muster bei Robo-Advisors: Denn ETFs verursachen geringe Kosten und lassen gleichzeitig eine breite globale Diversifizierung zu. Für die etablierten Fondsanbieter, deren Margen gerade aufgrund der ETFs schwer unter Druck geraten sind, ist der Erfolg der ETF-lastigen Robo-Advisors nun ungefähr so angenehm wie ein Tritt auf einen ohnehin schon geschwollenen Zeh.
Und die Expertenprognosen tragen kaum zur Linderung des Schmerzes bei: Bereits in zwei Jahren könnten die digitalen Asset Manager einen Marktanteil von fünf Prozent des verwalteten Vermögens auf sich vereinen, heißt es bei der Unternehmensberatung Bain. Diese Schätzung gilt für den deutschen Markt, wo es mittlerweile rund 20 Robo-Dienste gibt. Zahlen für Österreich sind kaum zu eruieren. Zum Beispiel gibt Finabro, die aktuell spannendste heimische Plattform, die mittlerweile sogar die betriebliche Vorsorge abdeckt, noch überhaupt keine Zahlen bekannt. Aber es ist klar, dass auch hierzulande die Robo-Verwalter den angestammten Anbietern sehr deutlich Marktanteile abknöpfen werden. Das müssen sie nämlich, wenn sie überleben wollen. Unter den digitalen Beratern werden es nur die sehr Großen überhaupt in die Gewinnzone schaffen.
Kein Robo unter einer Milliarde
"Man kann einen Robo-Advisor nicht unter einer Milliarde verwaltetem Vermögen profitabel betreiben", sagt Scalable-Mann Prucker im Gespräch mit FONDS professionell. "Wir haben nur ein Produkt: die Vermögensverwaltung. Für die zahlt uns der Kunde 75 Basispunkte per annum, davon bekommt noch die Depotbank ihren Anteil", so Prucker. Bei einem Stand von rund 70 durchwegs hoch qualifizierten Mitarbeitern und einem teuren Affiliate-Programm zur Kundengewinnung kann man sich ausrechnen, dass vorerst unterm Strich selbst dann noch nichts übrig bleibt, wenn die AuM-Milliarde geknackt ist. Das bedeutet, dass das Wachstum weiter kräftig vorangetrieben werden muss.
Der in München angesiedelte deutsche Marktführer Scalable unternimmt derzeit die größten Bemühungen um die Austro-Kunden – etwa indem das Steuerreporting zur Verfügung gestellt wird. Es ist anzunehmen, dass die Konkurrenz um österreichische Klienten zunimmt, denn laut dem Branchenmagazin "ETF-Extra" deutet die Anbieter-Pipeline darauf hin, dass sich die deutschen Robo-Plattformen allein heuer auf rund 40 verdoppeln werden. Das erzeugt Wettbewerbsdruck.
Heimische Institute zurückhaltend
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich in diesen Kampf um die Robo-Marktanteile heimische Großbanken und Vermögensverwalter nicht einschalten. Zum Teil ist die Zurückhaltung verständlich: Ein kostengünstiges Anlageprogramm könnte das bisherige Preisgefüge infrage stellen und möglicherweise sogar zu einer Kannibalisierung bestehender Anlageprodukte führen. Andererseits scheint sich international die Überzeugung durchzusetzen, dass Robo-Advice unverzichtbar ist, will man den Anschluss an bestimmte Kundengruppen nicht verlieren. In Deutschland sind unter anderen im Umfeld von Volksbanken-, Raiffeisen- und Sparkassensektor ebenso digitale Verwalter im Einsatz wie bei der Deutschen Bank oder der Commerzbank.
Älteste Privatbank als Vorreiter
In Österreich ist hingegen ein Salzburger Traditionshaus Vorreiter. Spängler hat Mitte Februar als erste Bank des Landes eine automatisierte Finanzberatung installiert, die Kundengelder langfristig ohne menschliches Zutun mithilfe von ETFs verwalten soll. Bei der ältesten Privatbank Österreichs (Eigenangaben) zeigte man sich überrascht, weil etliche Kunden sofort bei "Carl" – so der Name der digitalen Onlineverwaltung – andocken wollten, bevor überhaupt Werbung dafür gemacht worden war.
"Dass es so gut angenommen wird, hätten wir nicht erwartet", sagt Michael Rampler, Leitung Business Development, Anfang März zu FONDS professionell, ohne detaillierte Zahlen zu nennen. Geschickterweise wurde der Zugang zu Carl so gestaltet, dass sich dabei durchaus auch Klienten für die konventionelle Beratung gewinnen lassen. Wer Carl-Kunde werden will, wird noch einmal vor die Wahl gestellt, reiner Onlinekunde zu bleiben, oder lieber doch zur Beratung ins Haus zu kommen. 50 Prozent nehmen das in Anspruch, so Rampler.
Die großen Banken des Landes stehen hingegen noch ohne Lösung da. Aus der Volksbankengruppe heißt es, es gebe definitiv Pläne, einen Robo zu implementieren. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Union Investment, der exklusive Volksbanken-Fondspartner, in Deutschland bereits den Advisor Visual Vest betreibt. Andererseits könnte ein Beitrag zu einer Austro-Lösung ebenso gut aus dem Wiener Start-up-Hub Wexelerate kommen, an dem die Volksbanken beteiligt sind. Die Raiffeisen-Bankengruppe wiederum sondiert den Markt. Die Erste Group erarbeitet "Konzepte in diese Richtung".
Savity punktet mit Ethik
Inzwischen hat sich eine andere Gesellschaft mit konkreteren Ambitionen in Stellung gebracht: Seit Dezember 2017 ist der Anlageroboter "Savity" online. Savity kommt aus dem Haus der Wiener Wertpapierfirma Advisory Invest, die bisher nur institutionelle Gelder veranlagte, und hebt sich in Details vom klassischen Robo-Angebot ab. Das Haus bezieht erstens klar Position zum Thema Ethik in der Geldanlage und setzt zweitens nicht nur ETFs ein. Auch die führende Verantwortliche, die erfahrene Finanzexpertin Karin KislingKisling, verweist auf die Schwierigkeit, in kleinen Märkten rentabel zu arbeiten: "Wir wollen mit Savity nach Deutschland. In neun Monaten will ich 1.000 Kunden haben", sagt sie. Wenn das gelingt, entspricht es einem Vermögen von mindestens zehn Millionen Euro, denn die Einstiegsschwelle liegt bei 10.000 Euro.
Punkten könnte Savity im bereits hart umkämpften deutschen Markt mit seinen Nischenthemen: Im Rahmen von "Savity Green" fließt das Geld ausschließlich in nachhaltige Anlageprodukte. Kislings klare Ansage: "Wenn man nach Nachhaltigkeitsprinzipien investiert, kann man nicht in ETFs gehen. Es gibt keine ETFs, die hier unsere Anforderungen zufriedenstellend erfüllen. Da nehmen wir UCITS- Fonds, die diese Kriterien umsetzen."
Legenden und UCITS
Doch auch abseits der Nachhaltigkeit fährt Savity keine reine ETF-Strategie: Auf die kostengünstigen Indexfonds setzt man nur in reifen und stark gehandelten Märkten. In Bereichen wie Schwellenländer- oder Hochzinsanleihen würden hingegen klassische Wertpapierfonds bessere Erträge erwirtschaften. Savity hat außerdem eigens für das Robo-Publikum den "Savity Legends" aufgelegt, der die Investmentstrategien von Warren Buffett, Leda Braga oder Bert Flossbach nachbaut. Das Produktsortiment werde laufend erweitert. "Soeben sind Sparpläne dazugekommen. Ein absolutes Muss. Wir sind selbst überrascht, wie sehr die Kunden da anspringen", so Kisling.
Alle Augen auf Finabro
Einzigartig in Österreich, aber auch in Deutschland ist das Angebot bei Finabro. Der digitale Berater aus Wien ging im Sommer 2017 online und hat unter anderen die Uniqa als Financier an Bord. Finabro ragt aus dem Angebot des Mitbewerbs heraus, weil es die einzige Plattform am deutschsprachigen Markt ist, die eine Lebensversicherung anbietet (im Rahmen einer Helvetia-Lebensversicherung). Andere Robos treten bei Lebensversicherungen höchstens als Vermittler auf. Außerdem bietet Finabro seit kurzem die Möglichkeit einer betrieblichen Altersvorsorge. Mehrere Firmen machen bereits mit, so Co-Gründer Søren Obling. Investiert wird nur in ETFs.
Obling ist mit dem Begriff Robo-Advisor übrigens eher unglücklich: "Er wurde in den USA von der bestehenden Industrie geschaffen, um uns unschmackhaft zu machen: In einem Sektor, wo Beratung so wichtig ist, klingt Robo unsympathisch." Geholfen hat es der "alten" Industrie nichts. Die Robos bauen dort enormen Gebührendruck auf: Betterment und Wealthfront, zwei der US-Marktführer, die je über zehn Milliarden Dollar verwalten, verlangen Fees ab 0,25 Prozent pro Jahr. Für Interesse sorgt in der heimischen Finanzbranche indes, mit welcher Bank Finabro zusammenarbeiten wird. "Wir sind mit Banken in intensiven Gesprächen für Kooperationen", bestätigt Obling, der dazu noch nicht mehr verraten will.
Dahinter steht jedenfalls jede Menge Potenzial. Die Wachstumsstory der Robos hängt am Ende weniger vom Direktgeschäft als von den Kooperationen ab. Scalable zum Beispiel ging im September mit der ING Diba Deutschland eine vielbeachtete Allianz ein: Allein in den ersten sieben Wochen dürften über 100 Millionen Euro eingesammelt worden sein. Die ING Diba wollte das Modell bei Erfolg in anderen Ländern ausrollen.
Ein Sprecher zeigte sich aber auf Nachfrage deutlich zurückhaltend zum Rollout in Österreich: Es gebe keine konkreten Pläne. Die ING Diba Austria würde Scalable eine Basis von rund 527.000 Kunden bringen. (eml)
Den gesamten Artikel und das Interview mit Scalable-Mitgründer Florian Prucker ("Unsere Kunden sind ruhiger") lesen Abonnenten in der Heftausgabe 1/2018, so wie im E-Magazin.