Nach der Einschätzung von Privatconsult-Chef Manfred Drennig steht das Bankensystem einer völlig neuen Art von Risiko gegenüber, das bislang in Österreich kaum Beachtung gefunden hat: die Kombination von künstlicher Intelligenz (KI) mit leistungsfähigen Quantencomputern. "Diese Technologie könnte dazu führen, dass herkömmliche Verschlüsselungsverfahren, die bislang als sicher galten, innerhalb von Sekunden geknackt werden. Rupert Ursin von Quantum Industries erklärte in einem Artikel der 'Presse' vom 1. Februar dieses Jahres, dass Verschlüsselungsverfahren, für deren Entschlüsselung heutige Computer 13 Milliarden Jahre benötigen würden, mit Quantencomputern binnen Sekunden geknackt werden könnten", warnt Drennig in einem aktuellen Kommentar.

Funktionsweise von Quantencomputern
Der fundamentale Unterschied zwischen herkömmlichen und Quantencomputern liegt in der Art, wie sie Informationen verarbeiten. Klassische Computer arbeiten mit Bits, die entweder den Zustand "0" oder "1" annehmen können. Quantencomputer hingegen nutzen Quantenbits (Qubits), die sich gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden können. Dadurch vervielfacht sich die Anzahl der möglichen Berechnungen exponentiell. Die Kapazität eines Computers ergibt sich aus der Anzahl der möglichen Kombinationen seiner Zustände. Während ein klassischer Computer mit zwei Bits vier Kombinationen (2x2) ermöglicht, kann ein Quantencomputer mit zwei Qubits bereits 25 mögliche Zustände haben. Mit steigender Anzahl der Qubits wächst die Rechenkapazität in bislang unvorstellbare Dimensionen.

Rasante Entwicklung 
Die technische Entwicklung in diesem Bereich schreitet rasant voran. Der konventionelle Supercomputer "Frontier" in Oak Ridge wurde kürzlich von Googles Quantencomputer "Sycamore" in bestimmten Rechenoperationen übertroffen. Zudem scheinen bisherige technologische Hürden wie der Betrieb bei extrem niedrigen Temperaturen durch den Einsatz synthetischer Diamanten überwunden werden zu können. Die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland arbeitet bereits mit einem von IBM entwickelten Quantencomputer, der neue Analysepotenziale eröffnet.

Sicherheitsrisiken für den Bankensektor
Die Verbindung von künstlicher Intelligenz und Quantencomputern bedeutet, dass bisher unüberwindbare Verschlüsselungssysteme in Rekordzeit geknackt werden könnten. Dies stellt laut Drennig eine existenzielle Bedrohung für den Finanzsektor dar. "Banken speichern umfangreiche sensible Daten, nutzen zunehmend Non-Fungible Tokens (NFTs) zur Sicherung heikler Informationen und setzen auf die Blockchain-Technologie. Doch genau diese bisherigen Sicherheitssysteme könnten bald wirkungslos sein. Klassische Verschlüsselung basiert häufig auf der Schwierigkeit, große Primzahlen zu faktorisieren – eine Hürde, die durch Quantencomputer künftig leicht genommen werden könnte", so der Privatconsult-Chef. Das potenzielle Risiko reicht von Diebstahl oder Zerstörung riesiger Vermögenswerte über die Beeinträchtigung sicherer Transaktionen bis hin zur Gefährdung sensibler Bankdaten.

Risiko nicht auf die leichte Schulter nehmen
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat dieses Problem bereits erkannt. Deren Präsident Mark Branson zählte in seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz 2025 die Datensicherheit zu den drei größten Herausforderungen der kommenden Jahre. Er betonte, dass die heutige Kryptographie für große Kryptowährungen wie Bitcoin "wohl nicht quantenresistent" sei. "Es ist höchste Zeit, dieses Risiko ernsthaft zu analysieren. Die rasante technologische Entwicklung könnte das Problem weitaus schneller eskalieren lassen, als wir es uns heute vorstellen können", so Drennig abschließend. (gp)