Notfall-Deal: UBS kauft Credit Suisse
166 Jahre nach ihrer Gründung ist das Aus der Credit Suisse besiegelt. Das kriselnde Institut wird in einer Notoperation der UBS zugeschlagen. "Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst", sagte die Schweizer Finanzministerin. Alleine hätte die Bank nicht mehr überleben können.
Die Schweizer Großbank UBS übernimmt ihren Wettbewerber Credit Suisse in einem historischen, von der Regierung eingefädelten Deal, der die um sich greifende Vertrauenskrise auf den globalen Finanzmärkten eindämmen soll. Die erste Marktreaktion war allerdings ein Abverkauf von Bankaktien und Nachranganleihen.
Die größte Schweizer Bank zahlt drei Milliarden Franken in eigenen Aktien für ihren schlingernden Lokalrivalen, was deutlich weniger als der Hälfte des Schlusskurses vom Freitag entspricht. Sie erhält staatliche Garantien für bestimmte Eventualverluste und 100 Milliarden Franken Liquidität von der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Nachrangige Anleihen (AT1) der Credit Suisse im Umfang von 16 Milliarden Franken werden wertlos.
Die Übernahme, die am Wochenende in aller Eile ausgehandelt wurde, zielt darauf ab, einen Kollaps der Credit Suisse zu verhindern, nachdem Aktien und Anleihen in der vergangenen Woche massiv eingebrochen waren. Eine Liquiditätshilfe der SNB hatte dagegen nur kurzfristig geholfen. Eine Beschleunigung der Flucht von Kunden und Gegenparteien hätte möglicherweise weitere Kreise gezogen. Die Transaktion soll laut Credit Suisse bis zum Jahresende abgeschlossen werden.
Auch die Fed hatte sich eingeschaltet
"Angesichts der Tatsache, dass die Credit Suisse eine systemrelevante Bank ist, war es unabdingbar, dass wir schnell handelten und so schnell wie möglich eine Lösung fanden", sagte SNB-Präsident Thomas Jordan auf einer Pressekonferenz am Sonntagabend in Bern. Sowohl die US-Notenbank Federal Reserve, die sich wegen der großen Rolle beider Banken in den USA schon in die laufenden Gespräche eingebracht hatte, als auch die Europäische Zentralbank begrüßten die Lösung.
Am Markt kam der Notfalldeal und der Verlust bei den Nachranganleihen der Credit Suisse im frühen asiatischen Handel nicht gut an. Aktien und europäische Futures stürzten ab. Gemessen daran fielen die ersten Reaktionen an Europas Börsen gemäßigt aus: Euro Stoxx 50 und Dax holten anfängliche Verluste schnell wieder auf. Europäische Bankaktien-Indizes lagen am Vormittag noch zwischen zwei und drei Prozent im Minus. Die UBS-Aktie büßte an der Zürcher Börse jedoch rund zehn Prozent an Wert ein.
Investmentbanking wird zurechtgestutzt
UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher kündigte Einschnitte bei der Investmentbank der Credit Suisse an, die viele der Verluste der letzten Jahre zu verantworten hatte. Die Träume von einer Abspaltung als CS First Boston sind damit wahrscheinlich Geschichte. Die inländische Banksparte, der einzige Geschäftsbereich der Credit Suisse, der kontinuierlich Gewinne ablieferte, soll trotz Wettbewerbsbedenken bei der UBS bleiben.
"Lassen Sie mich hier sehr konkret werden: UBS beabsichtigt, das Investmentbanking-Geschäft der Credit Suisse zu verkleinern und mit unserer konservativen Risikokultur in Einklang zu bringen", sagte Kelleher bei der Pressekonferenz.
Die Garantie der Schweizer Bundesregierung war notwendig, weil nur wenig Zeit für eine genaue Prüfung zur Verfügung stand und die Credit Suisse einige schwer zu bewertende Posten in ihren Büchern hat, so Kelleher. Sollten diese zu Verlusten führen, würde die UBS die ersten fünf Milliarden Franken und der Bund die nächsten neun Milliarden Franken übernehmen. Alle weiteren Verluste müssten wieder von der UBS geschultert werden.
Die Credit-Suisse-Banker sollen ihre Boni erhalten
Kelleher sagte, es sei noch zu früh, um eine Zahl für den Stellenabbau zu nennen, aber die UBS deutete an, dass er erheblich sein wird. Die Kosten der kombinierten Bank sollen bis 2027 um mehr als 8 Milliarden Dollar sinken — fast die Hälfte der gesamten Kosten der Credit Suisse.
Die Credit Suisse teilte der Belegschaft in einem internen Memo mit, dass sie anstrebe, weiterhin marktübliche Abfindungen zu zahlen. Es werde keine Änderungen bei den Gehaltsvereinbarungen geben, und die Boni würden wie geplant am 24. März ausgezahlt, heißt es in dem Memo. Eine Sprecherin bestätigte den Inhalt des Memos.
Die UBS-Führungsriege hat das Sagen
Kelleher und UBS-Vorstandschef Ralph Hamers werden ihre Funktionen in der fusionierten Einheit beibehalten. Ein Vertreter der Schweizer Finanzaufsicht Finma sagte bei der Pressekonferenz, dass das Management der Credit Suisse bis zum Abschluss der Transaktion im Amt bleiben wird. Danach wird ihre Zukunft von der UBS entschieden.
Hamers forderte die Mitarbeiter auf, nicht mit den Kollegen der Credit Suisse über Geschäftsangelegenheiten zu sprechen. "Bitte denken Sie daran, dass die Credit Suisse bis zum Abschluss der Transaktion immer noch unser Wettbewerber ist", schrieb Hamers in einem Memo an die Mitarbeiter.
Aus nach 166 Jahren
Die Übernahme des 166 Jahre alten Geldhauses ist ein historisches Ereignis für die Eidgenossenschaft und darüber hinaus die gesamte globale Hochfinanz. Die Credit Suisse geht zurück auf die Schweizerische Kreditanstalt, die 1856 vom Industriellen und Eisenbahnpionier Alfred Escher gegründet wurde, um die industrielle Expansion und den Ausbau der Bahn in dem gebirgigen Land zu finanzieren.
Die Wurzeln der UBS reichen auf rund 370 verschiedene Institute in einer Zeitspanne von 160 Jahren zurück und kulminierten in der Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft und des Schweizerischen Bankvereins im Jahr 1998. Nach der Rettung durch den Staat während der Finanzkrise 2008 hat sich die UBS einen Ruf als einer der größten Wealth Manager der Welt erworben, der sich an vermögende und sehr vermögende Privatkunden richtet.
"Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst"
Während die Credit Suisse während der Finanzkrise eine Rettungsaktion vermeiden konnte, wurde sie in den letzten Jahren von einer Reihe von Pleiten, Pannen, Prozessen und Managementwechseln heimgesucht. Im Schlussquartal des vergangenen Jahres zogen Kunden mehr als 110 Milliarden Franken ab, da die Sorge um die finanzielle Gesundheit des Unternehmens zunahm. Die Abflüsse hielten auch nach einer Kapitalerhöhung in Höhe von 4 Milliarden Franken an.
"Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst", sagte die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter zur Übernahme durch die UBS. Die Credit Suisse sei nicht mehr in der Lage gewesen, allein zu überleben, sagte sie. (Bloomberg/bm)