Nationalbank: Nettozinsergebnis erstmals negativ
Die Österreichische Nationalbank (OeNB) weist für das Geschäftsjahr 2022 ein geschäftliches Ergebnis von null Euro aus. Aufgrund des ausgeglichenen Ergebnisses kann kein Gewinnanteil an den Bund abgeführt werden.
"Die Folgen der Covid-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und seine massiven Auswirkungen auf die Energie- und Rohstoffmärkte, die Bekämpfung der dadurch bedingten hohen Inflation sowie Maßnahmen zum Umbau der Energiesysteme und zum Klimaschutz waren 2022 die bestimmenden Ereignisse, denen sich Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft stellen mussten. Das Eurosystem – und darin eingebettet die OeNB – hat in diesem schwierigen Umfeld geldpolitisch umsichtig agiert und im Verlauf des Jahres 2022 aufgrund der hohen Inflationsdynamik schrittweise den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik eingeläutet", sagte Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), anlässlich der Präsentation des Jahresabschlusses und des OeNB-Geschäftsberichts.
Die erforderlichen Zinserhöhungen zur Bekämpfung der hohen Inflation setzen jedoch weltweit die Zentralbanken mit ihren Gewinn-und-Verlust-Rechnungen unter Druck. Dies gilt auch für die Europäische Zentralbank (EZB) und die OeNB im Jahr 2022 und voraussichtlich für die Folgejahre. Verluste können entstehen, wenn aus den Einlagen der Geschäftsbanken bei einer Zentralbank höhere Zinsaufwendungen resultieren als Zinserträge aus den fix, aber aktuell niedriger verzinsten Vermögenswerten einer Zentralbank erwirtschaftet werden können (ein sogenannter Asset-Liability-Mismatch). "Festzuhalten gilt es jedenfalls, dass geldpolitische Entscheidungen mit dem mittelfristigen Ziel der Gewährleistung von Preisstabilität getroffen werden. Gewinne oder Verluste des Eurosystems sind somit ein nachrangiges Ergebnis dieses Mandats und der entsprechenden Geldpolitik", so Gouverneur Holzmann.
Bilanzsumme sinkt erstmals seit 2014
"Neben den Auswirkungen der Zinswende belasteten auch Markt- und Kursentwicklungen die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der OeNB im Geschäftsjahr 2022 massiv. Die Zinswende läutete den Rückgang der Bilanzsumme ein", so OeNB-Direktor Thomas Steiner zur Geschäftsentwicklung der OeNB. Die Bilanzsumme sank zum Jahresultimo 2022 erstmals seit 2014. Im Vergleich zum Vorjahr hat sie sich um 14 Milliarden Euro beziehungsweise fünf Prozent auf 261 Milliarden Euro reduziert. Auf der Aktivseite ist dies vor allem auf das geringere Volumen von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (Targeted longer-term refinancing operations – TLTRO III) zurückzuführen. Die TLTRO III wurden von Herbst 2019 bis Dezember 2021 mit einer Laufzeit von drei Jahren angeboten und von österreichischen Kreditinstituten stark in Anspruch genommen. Im Herbst 2022 wurden die ersten Tranchen fällig und es bestand die Möglichkeit von vorzeitigen Tilgungen, die teilweise genutzt wurde. Gleichzeitig kam es ab Herbst 2022 zu einem Rückgang der Einlagen von Kreditinstituten auf der Passivseite.
In der Gewinn-und-Verlust-Rechnung spiegeln sich die Auswirkungen der Zinswende deutlich wider. Mit einem Minus von 289 Millionen Euro fällt das Nettozinsergebnis der OeNB für das Geschäftsjahr 2022 zum ersten Mal negativ aus. Als Folge der Beendigung der Nullzinsphase im zweiten Halbjahr besteht ein Asset-Liability-Mismatch, der die Zinsdifferenz zwischen längerfristig niedrigen Zinserträgen auf der Aktivseite und hohen Zinsaufwendungen auf der Passivseite darstellt. Während aus den Wertpapieren für geldpolitische Zwecke ein verhältnismäßig geringer Zinsertrag erwirtschaftet wurde (209 Mio. Euro), resultierte aus den Einlagen von Kreditinstituten für das Geschäftsjahr 2022 insgesamt ein hoher Zinsaufwand (429 Mio. Euro). Bis Juli 2022 leisteten die Einlagen aufgrund der Negativverzinsung des Überschusses der Mindestreserve und der Einlagefazilität noch einen positiven Beitrag zum Nettozinsergebnis in Höhe von 287 Millionen Euro. Darüber hinaus beeinflussten Zinsaufwendungen für die TLTRO III das Ergebnis über das gesamte Jahr gesehen weiterhin maßgeblich negativ (426 Mio. Euro).
Aufgrund der Marktentwicklung im Jahr 2022 kam es zudem im Reservenmanagement zu äußerst hohen Abschreibungen auf Wertpapiere und Fremdwährungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro und zu realisierten Verlusten aus Wertpapierkursdifferenzen von 584 Millionen Euro. Um diese erfolgsneutral zu halten, wurden 1,9 Milliarden Euro aus der Risikorückstellung der OeNB, welche über viele Jahre hinweg kontinuierlich aus eigen erwirtschafteten Erträgen aufgebaut wurde, aufgelöst. Dadurch – sowie aufgrund hoher Erträge aus der Umverteilung der monetären Einkünfte im Eurosystem (281 Mio. Euro) und aus Beteiligungen (101 Mio. Euro) – war es möglich, dass die OeNB ein geschäftliches Ergebnis von null Euro ausweist. Aufgrund des ausgeglichenen Ergebnisses kann kein Gewinnanteil an den Bund abgeführt werden. (gp)