Angesichts der positiven Branchenzahlen warnt Hannes Dolzer, Fachverbandsobmann der Finanzdienstleister, Mitte des Jahres 2021 vor Euphorie und erklärt damals: "Bei den Insolvenzen haben wir aufgrund der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zwar einen Rückgang um 60 Prozent, man muss allerdings davon ausgehen, dass jene Unternehmen, die sich hier über die Zeit retten konnten, relativ rasch ein ernsthaftes Problem bekommen werden, wenn die Unterstützungsmaßnahmen auslaufen. Ob der Neustart nach dem langen Lockdown für viele Unternehmen gelingen wird, sei derzeit fraglich. Sollte es langfristig zu vielen Insolvenzen und zu einer höheren Arbeitslosigkeit kommen, dann werde sich das auch auf die Finanzberatung auswirken."

Historischer Höchstwert bei Konkursen in Sicht
Ein halbes Jahr später zeigen die aktuellen Zahlen nun ein düsteres Bild, und Dolzers Prognose ist leider eingetroffen. So zeigt eine von Dun & Bradstreet, einem weltweit tätigen Anbieter von Daten und Analysen, in Auftrag gegebene Studie, dass es im Jahr 2021 in Österreich insgesamt zu 1.747 Unternehmenskonkursen gab. Gegenüber dem Vorjahr ist dies eine Zunahme um fünf Prozent. Somit war die Anzahl der Konkurse von protokollierten Unternehmen immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau.

Dies liegt daran, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu einer künstlichen Verringerung der Insolvenzen führten. Doch die Konkursfälle nahmen gemäß der Analyse von Dun & Bradstreet von Quartal zu Quartal massiv zu. Im ersten Quartal 2021 kam es nur zu 325 Konkursen. Im zweiten Quartal waren es 369 Konkurse (plus 10 Prozent) Im dritten Quartal gab es bereits 441 Konkurse (plus 23 Prozent) und im vierten Quartal ganze 622 Konkurse (plus 41 Prozent). Dies lässt nichts Gutes erahnen, wie Macario Juan, Managing Director von Dun & Bradstreet Austria, ausführt: "Wenn die Entwicklung wie bisher weiter geht, werden wir 2022 einen historischen Höchstwert der Konkurse in Österreich erleben."

Kreditversicherungsexperte warnt
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit kam es zuletzt aber noch zu einem anderen Phänomen: "Während sich früher Eigen- und Gläubigeranträge noch weitgehend die Waage gehalten haben, gehen heute bereits fast 70 Prozent aller Insolvenzanträge auf die Gläubiger zurück", erklärt Peter Androsch, Geschäftsführender Gesellschafter der Kreditversicherungsmaklergesellschaft A.C.I.C. "Wir raten den Unternehmen schon seit längerem zu einem straffen Forderungsmanagement in Kombination mit weiteren Präventivmaßnahmen", so der Experte weiter.

Denn die Hoffnung auf ein späteres Sanierungsverfahren sei in rund 95 Prozent der Fälle vergebens. "Unseren Beobachtungen nach werden nur rund fünf Prozent aller Insolvenzen in Österreich als Sanierungsverfahren eröffnet, 95 Prozent enden hingegen mit der Liquidation“, erklärt Androsch. Dadurch bleibt den Gläubigern nur wenig Hoffnung, ihre Forderungsausfälle in den nächsten Jahren durch neue Geschäfte mit ihren insolventen Kunden zurückzuverdienen. "Schrecken Sie angesichts des Rückstaus bei den Insolvenzanträgen nicht vor einem strengen Mahnwesen zurück", lautet einer der Tipps des Experten.  (gp)