Einmal mehr greift die Europäische Zentralbank (EZB) aus Sorge um die Stabilität des Finanzsystems frühzeitig bei den Dividenden ein. "Wir werden vorschlagen, dass die Banken ihre Kapitalverläufe unter einem ungünstigeren Szenario neu berechnen, welches auch ein mögliches Gasembargo oder eine Rezession einschließt", sagte Andrea Enria, der Leiter des Aufsichtsgremiums der EZB. Die Aufsicht werde diese Informationen ebenfalls bei der Überprüfung der Ausschüttungspläne der Banken berücksichtigen. Bereits nach Ausbruch der Corona-Pandemie hatten die Aufseher die Dividendenausschüttung bei Großbanken eingeschränkt.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine hat die Aussichten für die europäischen Banken eingetrübt. Vor allem droht ein Anstieg notleidender Krediten aufgrund von Inflation und Lieferproblemen bei Rohstoffen. Noch zu Jahresbeginn hatten die Institute in Aussicht gestellt, über Dividenden und Aktienrückkäufe Milliarden von Euro an überschüssigem Kapital auszuschütten.

EZB-Gremium diskutiert kommende Woche darüber
Enria hatte zuvor erklärt, die EZB habe die Banken aufgefordert, bei der Kapitalplanung vorsichtiger zu sein. Das Thema werde kommende Woche im Aufsichtsgremium der Zentralbank diskutiert, sagte er am Donnerstag vor dem Europaparlament in Brüssel.

Die EZB wandelt bei dem Thema auf einem schmalen Grat. Ein De-facto-Verbot von Ausschüttungen zu Beginn der Pandemie ließ Bankaktien abstürzen und führte zu scharfer Kritik an den Aufsehern. Zugleich waren etliche Banken froh über die Maßnahme, weil ihnen im Wettbewerb der Druck der Dividendenzahlung abgenommen wurde. Enria hat diese Maßnahmen verteidigt, wandte sich jedoch dezidiert gegen Vorschläge, die Befugnisse der Behörden zur Einschränkung von Dividenden und Rückkäufen auszuweiten. (eml/Bloomberg)