Branchenkenner: "Hantel-Effekt" spaltet die Fondswelt in zwei Lager
Das Feld der Asset Manager bewegt sich in Richtung zweier Pole, beobachtet Kamil Kaczmarski von der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman. Im Interview erläutert er zudem, warum das Schlimmste bei Immobilienfonds vorüber ist – und er verrät, welcher simple Faktor ETFs so große Erfolge beschert.
In der Fondswelt vollzieht sich ein markanter Umbruch. Die goldene Ära mit stetig steigenden Bewertungen an den Kapitalmärkten scheint vorerst passé. Die Zinswende macht sich auch im Geschäft der Asset Manager deutlich bemerkbar. Zugleich verschieben sich die Vorlieben der Investoren. Welche Kräfte in der Branche wirken und welche Phänomene der Wandel mit sich bringt, erläutert Kamil Kaczmarski, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman und Experte für das Asset und Wealth Management, im Interview mit FONDS professionell.
Herr Kaczmarski, Sie beobachten in der Asset-Management-Branche einen "Hantel-Effekt". Was meinen Sie damit?
Kamil Kaczmarski: Die Branche bewegt sich zunehmend in Richtung zweier Pole. An dem einen Pol stehen die sehr günstigen, passiven Produkte sowie Geldmarktfonds. Dieser Pol erwirtschaftet geringe Erträge für die Branche, zieht aber immer mehr Geld an. Auf der anderen Seite steht der Pol mit Fonds, die ein sehr hohes Performance-Versprechen bieten und hohe Gebühren und damit höhere Einnahmen aufweisen. Dazu zählen sehr konzentrierte, aktive Aktienstrategien, Ansätze aus dem Hedgefonds-Bereich oder alternative Investments wie Infrastruktur, Private Equity oder Private Debt.
Was liegt in der Mitte?
Kaczmarski: Dort finden sich die vergleichsweise einfach aufgebauten, traditionellen Aktien- oder Anleihenstrategien, die wenig Differenzierungsmerkmal besitzen. Das Geld fließt von diesem Mittelfeld weg hin zu den Polen – und so entsteht das Bild einer Hantel. Der Effekt hat sich in den vergangenen Quartalen noch verstärkt. Wir glauben, dass die Nachfrage nach den Polen, also passiven Produkten einerseits und den sehr aktiven, renditeträchtigen Ansätzen andererseits, zunehmen wird.
Im Zuge der Zinswende lässt sich aber auch wieder mit einfacheren Ansätzen Geld verdienen. Anleihenfonds sind wieder attraktiv. Investoren müssen nicht mehr zu Hedgefonds-Strategien greifen.
Kaczmarski: Ja, die Nachfrage nach Rentenprodukten hat wieder zugenommen. In den USA fließt der größte Teil des Geldes bereits in passive Anleihenfonds. In Europa ist das noch nicht der Fall. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Diese Welle der Passivierung wird auch Europa erfassen. Wo die Nachfrage tatsächlich gesunken ist, sind Absolute-Return-Strategien. Wenn sich mit Anleihen mehrere Prozent an Rendite erwirtschaften lassen, erscheint das Versprechen der Absolute-Return-Fonds, eine Rendite von ein oder zwei Prozentpunkten über der Inflation zu erwirtschaften, nicht mehr so attraktiv.
Alternative Investments wiederum erlitten mit der Zinswende einen Rückschlag.
Kaczmarski: Das wird dieses Segment nur kurzfristig belasten. Es gab eine umfassende Preiskorrektur, insbesondere bei Immobilien. Ich glaube, das Schlimmste ist schon vorüber. Die Unsicherheit wird sicherlich noch einige Monate anhalten. Längerfristig wird das Gewicht illiquider Anlageklassen in den Portfolios aber wieder zunehmen. Der Hantel-Effekt wird in der Asset-Management-Branche daher bestehen bleiben und sogar noch zunehmen.
In den USA, aber auch in Europa, gewinnen börsengehandelte Fonds mit aktivem Ansatz an Fahrt. Wo verorten Sie diese aktiven ETFs in dem Bild der Hantel?
Kaczmarski: Aktive ETFs sind in den USA fest etabliert. Immer weniger Anbieter legen noch herkömmliche Publikumsfonds auf. Auch in Europa nimmt diese Bewegung Fahrt auf. Doch weshalb ist die Nachfrage nach ETFs so groß? Es sind weniger die Transparenz oder die tägliche Handelbarkeit, die die Investoren nachfragen. Insbesondere für Privatanleger sind diese Punkte nachrangig. Es sind auch nicht unbedingt die Gebühren. Denn der Preisunterschied zwischen aktiven Fonds und aktiven ETFs ist gar nicht mehr so groß, wenn man alle Komponenten einbezieht. Der Hauptgrund, warum Investoren ETFs kaufen, sind diese drei Buchstaben. Sie wollen ganz einfach einen ETF in ihrem Portfolio. Das Kürzel liefert auch Beratern Stoff für die Kundengespräche. ETFs stehen für modernes Investieren.
Kommen früher oder später nur noch ETFs auf den Markt?
Kaczmarski: Viele Asset Manger versuchen immer noch, zwei Stränge fortzuführen: traditionelle Fonds und ETFs. Das wird sich auch in Zukunft so fortsetzen. Die Anbieter möchten aktive ETFs nicht zu stark vorantreiben, da sie eine Kannibalisierung ihres traditionellen Geschäfts fürchten. Mit aktiven ETFs möchten sie aber neue Kunden gewinnen, etwa die jüngere Generation. Aktive ETFs sind daher oft spezialisierte oder thematische Fonds.
Vielen Dank für das Gespräch. (ert)