Blackout: Österreich steht ohne Not-Bargeldversorgung da
Anders als oft angenommen und im Unterschied zu anderen Ländern, würden Österreichs Banken bei einem großflächigen Blackout aus heutiger Sicht keine Bargeldnotversorgung gewährleisten. Gespräche über Cash oder Alternativen versandeten. Die OeNB bestätigt, sie würde sich ein Konzept wünschen.
Wie kommt das Bargeld bei einem mehrtägigen großflächigen Stromausfall zu den Bürgern? In Österreich wahrscheinlich gar nicht. Entweder man hat sich vorab eingedeckt oder findet in den Hosentaschen genügend Cash, um ein paar Tage über die Runden zu kommen – beim Bankschalter wird es nichts geben. Ein Notversorgungskonzept fehlt, zeigen Recherchen der Redaktion.
Aus heutiger Sicht sei eine großflächige Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld bei einem umfassenden Infrastrukturausfall in Österreich nicht möglich, sagt Jaro Krieger-Lamina, Experte des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Während die Bankomaten bekanntlich bei einem Blackout sofort den Dienst verweigern, seien die von vielen erhofften Schalterausgaben ebenfalls unrealistisch. Zum einen, weil im Ernstfall auch die Sicherheitssysteme der Banken betroffen sind; folglich wäre es zu gefährlich, eine Filiale aufzusperren. Zum anderen würden die Kreditinstitute wohl nichts auszahlen, wenn sie mangels Zugriff auf die Wertstände nicht wissen, ob der Betrag gedeckt ist.
Grundsätzlich hätten der österreichische Staat und die Unternehmen in den vergangenen Jahren ihre Blackoutvorsorge stark vorangetrieben. Die Republik sei gut aufgestellt. Ein koordiniertes Bargeldvorsorgekonzept fehlt jedoch, bestätigt Krieger-Lamina, der unter anderem gemeinsam mit ITA-Kollegen unlängst eine Studie zur Stromversorgungssicherheit für das österreichische Parlament erstellt hat.
Alternativen diskutiert – Gespräche versandet
Für einen kürzeren Ausfall (laut Krieger-Lamina gelten Maximalszenarien von 48 Stunden als am wahrscheinlichsten) werde die Gesellschaft erwartbar mit vorrätigen Beträgen auskommen. Bei einem länger andauernden Ausfall hingegen würden die Behörden wohl anstatt einer flächendeckenden Bargeldversorgung eher die Einführung von Cash-Alternativen überlegen. Das bekannte "Anschreiben" von Beträgen könnte ebenso darunter fallen wie Lochkartensysteme oder gestanzte Bankomatkarten. Doch was genau passiert, ist aufgrund bisher gescheiterter Gespräche unklar.
Zwar wurde am Finanzsektor bereits konkret diskutiert, wie eine Bargeldversorgung oder Alternativen aussehen könnten; allerdings konnten sich die Banken mit der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) beziehungsweise deren Bargeldlogistiktochter GSA nicht auf ein Vorgehen einigen. "Für einen Notbetrieb, um beispielsweise in zentralen, städtischen Filialen Bargeld ausgeben zu können, wäre eine enge Zusammenarbeit mit der Nationalbank erforderlich. Hier gab es aber in der Vergangenheit noch keine Pläne für ein gemeinsames Vorgehen", kritisierte im November 2022 ein Forschungspapier (Isidor-Bericht), das im Rahmen des nationalen Sicherheitsforschungsförderprogramms KIRAS erstellt wurde. Die Studienautoren vermissen darin "eine robuste Lösung" für die Cash-Bereitstellung im Land.
OeNB: "Bargeldversorgung wäre absolut wünschenswert"
Die OeNB bestätigt die Blackoutgespräche und ist, so lässt es sich zwischen den Zeilen herauslesen, nicht zufrieden mit der Situation. Zwar könne die OeNB beziehungsweise ihre Bargeldtochter GSA "aufgrund einer durchgehenden Notstromversorgung" die Geschäftspartner jederzeit bedienen, und "eine durchgehende Bargeldversorgung auf dem gewohnt hohen Niveau" wäre aus Sicht der Nationalbank "auch im Blackoutfall absolut wünschenswert", sagte ein Sprecher. Das große "Aber" liegt jedoch bei den einzelnen Banken, denn denen obliege die Entscheidung, ob sie im Notfall öffnen oder nicht.
"Die Banken haben uns verschiedene Gründe genannt, warum Filialen im Falle eines Stromausfalles geschlossen werden", so der OeNB-Sprecher. Wichtigster Grund seien Sicherheitsbedenken aufgrund fehlender Kommunikations- und Alarmierungsmöglichkeit, offene Filialen müssten bewacht werden, Geldtransporte könnten im Verkehrschaos von Großstädten (ausgefallene Ampeln) zur Zielscheibe werden, wenn sie weder von der Zentrale überwacht werden noch einen Hilferuf absetzen könnten und so weiter. Auch die Nichtverfügbarkeit von Buchungssystemen halte die Banken von einer Öffnung ab. Die Idee der "gestanzten Bankomatkarten" würde ein Risiko mit sich bringen, "das nicht alle Marktteilnehmer mittragen möchten", erklärt der OeNB-Sprecher gegenüber der Redaktion.
"Vorsorge ist am einfachsten"
Die Nationalbank sei "im laufenden Austausch" mit den Banken, auch was alternative Zahlungssysteme betrifft. "Allerdings glauben wir, dass nichts einfacher und kostengünstiger ist, als in eigenverantwortlicher Art und Weise selbst mit einer gewissen Menge an Bargeld zu Hause vorzusorgen", betont der Sprecher.
Aus Deutschland gab es vergangenen November Berichte, wonach die Behörden in der Bundesrepublik an Notfallplänen für die Bargeldversorgung arbeiteten. Es war die Rede von Ideen wie Notkassen.
In einem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag (TAB-Bericht) wird die Bedeutung einer aufrechten Finanzversorgung im Notfall herausgestrichen. "Die jederzeitige Verfügbarkeit von Bargeld ist eine der wichtigsten Finanzdienstleistungen. Eine Nichtverfügbarkeit in einer Krisensituation wird bei der betroffenen Bevölkerung die ohnehin schon vorhandene Unsicherheit weiter erhöhen", heißt es dort. Die Analyse stammt bereits aus dem Jahr 2011, gilt aber wegen ihrer Tiefe unter Experten nach wie vor als wichtiger Standard. Die Verfasser dieses Papiers gehen davon aus, dass die Banken in den ersten Tagen die Bargeldausgabe aufrecht erhalten können, bevor die Schalter endgültig schließen müssen.
100 Euro pro Person
OeNB-Experten haben am Montag im Rahmen einer Initiative unter dem Motto "Bargeld für alle Fälle" dazu aufgerufen, für den Krisenfall einen Betrag von 100 Euro pro Familienmitglied in kleinen Stückelungen bereit zu halten. Sie verwiesen darauf, dass auch die Notfall-Pakete, auf die sich Ministerien und Handel kürzlich geeinigt haben, nur gegen Barzahlung abgegeben werden. In der in Österreich lange ungelösten Frage, ob die Supermärkte bei einem Blackout öffnen (müssen), gab es Ende November 2022 Bewegung. Handelsverband, Landwirtschafts- und Innovationsministerium haben zugesagt, dass der österreichische Lebensmitteleinzelhandel bei einem Blackout Filialen aufsperrt und fertig zusammengestellte Lebensmittel- und Getränkepakete ausgibt.
"Bargeld funktioniert immer und überall, auch im Krisenfall", betonte Eduard Schock, Mitglied des OeNB-Direktoriums anlässlich der Initiative. Vorausgesetzt natürlich, man hat es. (eml)