Weil die Europäische Wertpapieraufsicht ESMA an einer Fondskostenanalyse arbeitet, werden bei den Wertpapierfirmen (WPF) Extraschichten geschoben. Mitunter müssen die Verantwortlichen hunderttausend Datensätze eintragen, wie es aus dem Fachverband der Finanzdienstleister heißt.

"Eine Abfrage in dieser Detailtiefe habe ich bis jetzt noch nicht erlebt", zeigt sich der Geschäftsführer eines betroffenen Wertpapierunternehmens hörbar nicht erfreut. Die außergewöhnliche Belastung entstehe dadurch, dass die ESMA auf Einzelkunden-Ebene abfragt. Für Tausende individuelle Anleger seien jeweils die ISIN jedes einzelnen Produkts im Portfolio sowie zahlreiche weitere Spalten auszufüllen: von der Portfolio ID über die Einstufung im Anlegerprofil (professioneller oder Privatkunde) bis hin zu sämtlichen Kosten wie Transaktions-, Produkt- sowie Ein- und Ausstiegskosten.

Automatisierung nur bedingt möglich
Dabei ist viel Handarbeit gefragt, denn die Daten können kaum automatisiert aus den eigenen Verwaltungsprogrammen in die Excel-Vorlagen übertragen werden. Der Sinn einer derart umfangreichen Abfrage sei nicht ersichtlich. Wünschenswert sei, dass die Aufsichten einen Weg aufzeigen, wie man solche Templates mit akzeptablem Aufwand befüllen kann, so der Manager.

Noch dazu ist die ESMA-Abfrage nicht die einzige Melde-Bürde. Allein um den Jahresbeginn sind Analysefragebögen der FMA zu Kundenstruktur, Cybersecurity oder Geldwäsche fällig. "Die Belastung ist brutal. Das kostet uns sehr viel Zeit und Geld", so der WPF-Chef. In den Aufsichten gebe es wenig Einblick über den ohnehin bereits hohen Kostendruck bei den Wertpapierfirmen, kritisiert er.

Ausgeweitete Nachfolgestudie
Bei der Untersuchung handelt es sich um die ausgeweitete Wiederholung einer Studie aus dem Jahr 2021 (FONDS professionell berichtete). Im Unterschied zu damals werden diesmal nicht nur Angaben von Herstellern gesammelt, sondern auch jene des Vertriebs. Diese seien "aus anderen Quellen nicht ohne Weiteres verfügbar", begründen ESMA-Sprecher auf Nachfrage. Die Behörde sieht darin "eine einmalige Chance, Licht in ein Marktsegment zu bringen, dem es noch an Transparenz mangelt", wie es gegenüber der Redaktion heißt.

Demnach ist die Umfrage nötig, um wie vorgeschrieben bis Oktober 2025 einen Bericht zur Überprüfung der OGAW/AIFM-Verordnung vorzulegen. In dem Bericht müsse die ESMA nicht nur jene Kosten beurteilen, die die Fondsgesellschaften den Investoren in Rechnung stellen. Es müssten – so betonen die ESMA-Sprecher – auch die Gründe für diese Kosten und etwaige Unterschiede erklärt werden. Da die Kosten auf Anteilsebene variieren, sei eine granulare Abfrage nötig.

Repräsentative Stichprobe – Geheimniskrämerei um Umfang
Für die Wertpapierfirmen wird es ein schwacher Trost sein, dass die Behörde betont, man habe "alle möglichen Anstrengungen" unternommen, um den Umfang der Erhebung zu begrenzen. Die ESMA hebt etwa hervor, dass sie nur eine repräsentative Stichprobe zieht (keine Gesamtabfrage). Wie viele WPF von der Stichprobe erfasst sind, erfuhrt die Redaktion jedoch nicht. Über den Umfang des Samples wird die Öffentlichkeit erst im finalen Bericht informiert, wie es heißt. Angesprochen auf den hohen Aufwand verweisen die ESMA-Sprecher außerdem darauf, dass die Behörde die Firmen mit einem Frage-Antwort-Leitfaden unterstützt hat. Bei den WPF wird allerdings auch dieses umfassende PDF nicht unbedingt als Support, sondern eher als zeitraubend eingestuft, wie man hört.

Und dass sich die Ansicht der ESMA, was ein "begrenztes Ausmaß" ist, komplett von der Realität der Unternehmen abhebt, zeigt ein weiteres Beispiel: Die ESMA beschwichtigt, sie habe ohnehin die Bandbreite der zu meldenden Produkte in einer vordefinierten Liste "eingeschränkt". Das stimmt aus Sicht der Unternehmen nur formal. Denn auf dieser Liste stehen über 90.000 ISINs, und "große Depotbanken in Österreich haben auf ihrer Masterliste in etwa 5.000 ISINs", wie der betroffene Geschäftsführer betont. 

Unbeantwortet ließ die ESMA die Frage, welche Konsequenzen eintreten, wenn ein Unternehmen aufgrund der Überbelastung den Fragebogen nur überblicksmäßig oder mit Pauschalwerten ausfüllt oder ihn schlicht nicht retourniert. (eml)