Wie man das Pensionssystem sozial verträglich an die Herausforderungen der Demografie anpasst, ist eine spannungsgeladene Frage. Das zeigte sich bei einer Diskussion in Wien. Ralph Müller, Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung, verwies auf die hohen Budgetzuschüsse zu den Pensionen und übte scharfe Kritik an der Politik. "Es wurde über viele Jahre hinweg versäumt, die Weichen zu stellen", so Müller. 

Wegen jahrelanger politischer Untätigkeit komme man immer mehr in eine Drucksituation. Kurzfristige Eingriffe in das Pensionssystem seien wegen des Vertrauensschutzes (Pensionisten oder jene, die kurz davor stehen, verlassen sich auf die Pensionsversprechen) schwierig. "Es ist die Frage, welchen Preis die Gesellschaft dafür langfristig zahlt", so Müller. Er verwies darauf, dass die Finanzmittel, die derzeit großzügig in Pensionen investiert werden, am Ende bei Zukunftsthemen wie Bildung oder Pflege fehlen.

Alternative, nicht Ersatz
Ein Problem sei, dass zwei Drittel der Wähler in Pension oder zehn Jahre davor seien. Man müsse etwas für das restliche Drittel tun. Es gehe nicht darum, die erste Säule (staatliches Pensionssystem) radikal zu ändern, sondern die zweite (betriebliche) und dritte Säule (privat) zu stärken, um so Alternativen zu schaffen.

Thomas Url, Wifo-Ökonom und Mitglied der Alterssicherungskommission, sieht den Vertrauensschutz nicht notwendigerweise als großes Hindernis. Es sei eine gewisse Einschränkung, aber wenn gespart werden muss, "sollte nicht eine Bevölkerungsgruppe ausgenommen werden", so Url. Unter diesem Aspekt seien bei höheren Pensionen durchaus Maßnahmen wie Anhebungen unter der Inflation möglich. Auch bei den Anspruchsvoraussetzungen könne man in kleineren Schritten etwas ändern, etwa eine Erhöhung der nötigen Versicherungsmonate. "Ich denke, dass man auch kurzfristig Möglichkeiten hat, ohne den Verfassungsgerichtshof auf den Plan zu rufen", so Url.

Langfristig führe nichts an einer Anhebung des Pensionsalters vorbei. Die Bevölkerung lebt statistisch betrachtet jedes Jahrzehnt um ein dreiviertel Jahr länger.

Gewerkschaft: Skeptisch bei Kapitalmarktdeckung
Der von Müller geforderten Stärkung der zweiten und dritten Säule stand Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA und seit Oktober Nationalratsabgeordnete (SPÖ), mit Vorbehalten gegenüber. Sie strich die geringen Renditen österreichischer Pensionskassen hervor. Wenn zweite und dritte Säule eine Nebenbei-Option bleiben, habe man nichts dagegen. Allerdings sei zu bedenken, dass bei Menschen mit weniger Einkommen schlicht kaum Geld für die Veranlagung überbleibe. Auch teilt sie nicht die Meinung, dass betriebliche Vorsorge immer kosteneffizient sei; ein aus Sicht der Gewerkschaft zu hoher Gewinn verbleibe bei den Finanzunternehmen.

Auf das in Österreich gute staatliche System könne man stolz sein, so Teiber. "Wir müssen letztendlich schauen, dass die Beschäftigung steigt", sagte sie. Dazu gehöre, dass man Anreize für die Reduzierung der Teilzeitquote bei den Frauen setzt. Beschäftigung und Pensionsantrittsalter müssten steigen, um das staatliche System zu stützen.

Wiener-Städtische-Chef Müller sieht allerdings damit die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Dass in Österreich in der zweiten und dritten Säule Assets von nicht einmal 100 Milliarden Euro verwaltet werden, sei einfach zu wenig. (eml)