Lebensversicherungen sind eine Art "Rudi-Sorglos-Variante" in der Finanzvorsorge. Wer eine abschließt, geht nicht davon aus, dass er später seinem Geld bei einem ausländischen Fiskus nachjagen muss. Genau das passiert österreichischen Kunden nun wiederholt. FONDS professionell greift in einem Artikel, der in voller Länge in der neuen Heftausgabe erschienen ist, zwei Fälle heraus.

Ein Berater, der sich bei der Redaktion meldete, müht sich gerade mit Verträgen österreichischer Kunden der deutschen Gothaer ab. Die Versicherung zog sich 2022 aus dem österreichischen Lebensversicherungsgeschäft zurück und übertrug die Polizzen auf die deutsche Mylife Lebensversicherung – für die Kunden zu "unveränderten Konditionen", wie es damals hieß. Das stimmt so nicht.

Deutsche KESt plus Solizuschlag
Denn wenn nun ein Vertrag ausläuft oder man ihn kündigt, verlangt plötzlich das deutsche Finanzamt 25 Prozent Kapital­ertragsteuer (KESt) plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf den KESt-Betrag. Das kommt überraschend für Österreicher, die bereits bei der Einzahlung ihre Versicherungssteuer abgeführt haben.

Sie müssten sich die zusätzliche Abgabe vom deutschen Fiskus zurückholen. Viele werden das wohl bleiben lassen, vor allem dort, wo es um kleinere Beträge geht. "Die deutsche Finanz wird der Gewinner bleiben, denn die Kunden wissen nicht, wie vorzugehen ist, oder scheitern an den bürokratischen Hürden", berichtet der betroffene Berater aus der Erfahrung.

Zum Aufwand kommt die Wartezeit: Die deutschen Steuerbehörden lassen sich eineinhalb bis zwei Jahre Zeit, bevor sie das Geld zurückzahlen. Bei Mylife/Gothaer ist das Ausmaß mit momentan nur noch 10.000 Verträgen überschaubar.

100.000 HDI-Verträge 
Sorgen bereiten Konsumentenschützern hingegen die 100.000 Verträge von HDI Leben, die kürzlich ihre Niederlassung in Österreich geschlossen hat. Seit 1. Jänner 2025 werden die Verträge aus Köln betreut. Auch hier müssen sich die Polizzeninhaber (sofern es keine steuerfreien Altbestände sind) mit einem KESt-Abzug in Deutschland auseinandersetzen. Warum, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Während man beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) die Übersiedelung in ein anderes Land als Ursache sieht, dürfte das Problem bei vielen Verträgen woanders liegen: In Österreich war HDI Leben über eine Niederlassung tätig. Versichert – und damit steuerpflichtig – waren die Kunden immer auch in Deutschland. Nur merkten viele davon nichts. Denn das sogenannte "Kontrollmeldeverfahren" (KMV) erlaubte es deutschen Assekuranzen, bei ausländischen Kunden mit steuerpflichtigen Erträgen bis 40.000 Euro, die KESt nicht einzubehalten.

Steuerabzug seit 2022
2022 setzte der deutsche Gesetzgeber jedoch das KMV außer Kraft. Seitdem müsse HDI die Steuern in Abzug bringen, erklärt ein HDI-Sprecher. Österreichische Kunden seien vor Vertragsabschluss im Merkblatt "Steuerregelungen für diese Versicherungsart" darüber informiert worden, dass eigentlich eine deutsche Abgabe existiert.

Den Kunden dürfte es indes nicht wirklich klar gewesen sein, dass ihre KESt-Befreiung nur an einer Duldung durch das Kontrollmeldeverfahren hängt, das mit einem Federstrich vom Gesetzgeber beseitigt werden kann. Darauf deutet die zunehmende Anfragendichte beim VKI hin. "Zuerst ist das von Vermittlerseite zu uns gekommen. Jetzt melden sich auch sehr viele betroffene Kunden", sagt Walter Hager vom VKI.

Auch Verträge nach 2022 betroffen
Vom KMV-Aus sind laut HDI alle Verträge betroffen, die bis Ende 2021 abgeschlossen wurden. Das ist der weitaus größte Teil der österreichischen HDI-Leben-Verträge.

Davon unterscheidet sich ein kleinerer Bestand von zwischen 2022 und Mitte 2024 abgeschlossenen Polizzen. Damals waren die KMV-Erleichterungen nicht mehr gültig; dennoch sind viele Kunden irritiert, dass sie nun sowohl in Österreich als auch in Deutschland Ertragssteuern zahlen müssen. Denn gekauft wurden diese Polizzen oft wohl nicht im vollen Bewusstsein, in welchen Fällen man in Deutschland zur Kasse gebeten wird.

Kapitaloption steuerpflichtig
Ein HDI-Sprecher betont, dass man in diesem Zeitraum in Österreich Rentenversicherungen vertrieben habe, die – sofern der Kunde wie geplant die Rentenleistung nimmt – in Deutschland steuerfrei sind. Allerdings besteht eine Kapitaloption, und wer diese wählt, wird zweifach besteuert und muss den Mehrbetrag zurückholen. Für diese Kunden sei die deutsche KESt tatsächlich "eine neue Information".

Beim VKI lautet der Rat an Betroffene, "vorerst nichts tun und auf Zeit spielen". Die deutschen Steuern werden erst bei der Auszahlung fällig. Gewarnt wird vor Keilern, die Betroffenen vermeintlich Hilfe anbieten. (eml)


Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Heftausgabe 2/2025 von FONDS professionell oder nach Anmeldung hier im E-Magazin