ÖGB und IV bei Pensionen einig: "Da müssen wir uns mehr anstrengen"
Nur durch eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters werde das österreichische Pensionssystem nicht nachhaltiger. Dieser Ansicht sind neben der WIFO-Ökonomin Christine Mayrhuber sowohl Industriellenvereinigung als auch Gewerkschaft. Alarmiert ist die IV wegen der hohen Drop-Out-Quote an den Schulen.
Das Sparpaket der neuen Bundesregierung sieht auch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters vor. Zum einen soll der Zugang zur Korridorpension (Frühpension bei ausreichenden Versicherungsjahren) erschwert werden, das Antrittsalter steigt von 62 auf 63, es sind 42 statt 40 Versicherungsjahre nötig. Zum anderen soll ein noch nicht näher beschriebener "Mechanismus" greifen, wenn das faktische Pensionsantrittsalter nicht wie geplant steigt.
Eine Erhöhung der gesetzlichen Altersschwellen ist laut Christine Mayrhuber, Senior Economist beim WIFO, nur mit Vorbehalten sinnvoll. "Die Sterbetafeln zeigen, dass die steigende Lebenserwartung in Österreich ausschließlich durch die Gruppe der sozioökonomisch Bessergestellten getragen wird", so Mayrhuber bei einer Podiumsdiskussion am diesjährigen Finanzplaner Forum in Wien. Bei Menschen mit geringerem Bildungsniveau und geringerem finanziellen Status gebe es sogar einen leichten Rückgang.
Besserverdiener bei Pensionskonto schlechterstellen?
In der Wissenschaft gebe es Ansätze, wie man die ungleiche Alterung auch im Pensionssystem berücksichtigt. Eine Überlegung sei, abhängig vom Einkommen unterschiedliche Beiträge ins Pensionskonto einzubuchen. Bei statistisch längerer Lebenserwartung könnte dann die jährliche Gutschrift am Pensionskonto etwa statt 1,78 Prozent nur 1,76 Prozent der Beitragsgrundlage betragen, um die unterschiedliche Beanspruchung des Pensionssystems auszugleichen. Das seien freilich theoretische Ansätze, wie Mayrhuber betonte. Eine politische Umsetzung sei sicher nicht leicht; und wahrscheinlich nichts, was sich in den kommenden fünf Jahren implementieren lasse.
Um mehr Leute in die Beschäftigung zu bringen und diese länger dort zu halten, sei eine Neuverteilung der Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern und über die Altersgruppen hinweg nötig. Viele Überstunden bei Beschäftigten bei gleichzeitig hoher Teilzeitquote sei nicht ideal. Eine bessere Verteilung mache volkswirtschaftlich auch aus der gesundheitsfördernden Perspektive Sinn. Österreich habe beim Thema Altern in Gesundheit international schlechte Werte.
ÖGB-Volkswirtin Schuberth: "Unfreiwillige Teilzeit"
Um die Arbeitszeiten in Österreich zu erhöhen – und damit auch die Beiträge ins Pensionssystem –, müsse man ungenutztes Potenzial heben, sagte Helene Schuberth, Leiterin des volkswirtschaftlichen Referats beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Über die Hälfte der Frauen, Tendenz steigend, und immer mehr Männer würden in Teilzeit arbeiten, viele davon unfreiwillig.
Zum einen würden Positionen häufig nur mehr in Teilzeit ausgeschrieben, gerade in Sparten mit hohem Frauenanteil wie der Pflege. Zum anderen ist aus Befragungen bekannt, dass Frauen schlicht wegen nicht ausreichender Kinderbetreuungseinrichtungen häufig ungewollt in Teilzeit arbeiten. Die im neuen Sparpaket der Regierung angekündigten Mittel für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr seien zu gering, so Schuberth.
Bonus-Malus-System für Betriebe in Verhandlungen und Erbschaftsteuern
Um das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen, brauche es außerdem einen Beitrag der Betriebe. Nur sehr wenige Unternehmen würden über 60-Jährige beschäftigen. Es werde gerade ein Bonus-Malus-System verhandelt, das mehr Druck in Richtung Beschäftigung Älterer aufbaut. Rund ein Drittel wechsle derzeit aus der Arbeitslosigkeit in die Pension. Erhöht man ohne weitere Maßnahmen das gesetzliche Pensionsantrittsalter, müsse man automatisch mit einer erhöhten Altersarbeitslosigkeit rechnen.
Es zeige sich in Untersuchungen, dass Personen, die ein Erbe antreten, in der Regel weniger bereit sind, Vollzeit zu arbeiten. Eine Gesellschaft ohne Erbschaftsteuern sei daher nicht mit einer Leistungsgesellschaft vereinbar, so Schuberth.
IV-Ökonom Helmenstein: "Da müssen wir uns mehr anstrengen"
Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), sieht Schnittmengen zu Gewerkschaft und WIFO, wie er betont: "Wenn wir nur das Pensionsantrittsalter anheben, dann haben wir noch nicht gut genug nachgedacht. Da müssen wir uns mehr anstrengen", so Helmenstein. Komme es in Österreich zu einer raschen Anhebung des Antrittsalters auf 67 (in Deutschland läuft dieser Prozess bereits), dann wäre der Aufwand sehr hoch, während gleichzeitig eine langfristige Lösung fehlt. Ohne begleitende Maßnahmen zur Anhebung des faktischen Antrittsalters und ohne das Aufgreifen bisher schlummernder Potenziale stehe man in ein paar Jahren wieder vor derselben Problematik.
Helmenstein zeigte sich besorgt wegen der steigenden Drop-Out-Quote an Österreichs Schulen: "Das geht nicht. Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sind die Arbeitslosen von morgen. Da geht es um die materielle Selbstbestimmungsfähigkeit", so Helmenstein. Keinen Schnittpunkt hat er hingegen mit dem Vorschlag des WIFO, wonach die Pensionskontogutschriften für besser Gebildete und in der Folge besser Verdienende mit dem Argument der höheren Lebenserwartung hinuntergesetzt werden sollten. "Warum sollte ich bestraft werden, wenn ich mich bilde?", so Helmenstein. Auch einem Bonus-Malus-System, also eine Bestrafung für Unternehmer, die keine über 60-Jährigen einstellen, kann er nichts abgewinnen. (eml)