Nur noch zwei Monate: PRIIPs-KIDs lösen alte Fonds-Infoblätter ab
Die Asset-Management-Lobby erreichte einen Aufschub nach dem nächsten, doch jetzt tickt die Uhr: Ab Januar müssen Fondskunden die neuen Basisinformationsblätter erhalten. Bernhard Bittner und Fabian Pirzer von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY erläutern, was auf die Branche zukommt.
PRIIPs-KIDs sind für viele Asset Manager nichts grundlegend Neues: Für Fondspolicen müssen sie schon seit Anfang 2018 "Key Information Documents" (KIDs) für "Packaged Retail and Insurance-based Investment Products" (PRIIPs) vorlegen. Besonders glücklich war die Branche mit diesen Basisinformationsblättern nie, zu schwer wog die Kritik an manchen Angaben, die Anleger eher verwirrten als aufklärten. Entsprechend erleichtert waren die Anbieter, dass sie im "normalen" Geschäft lange Zeit weiterhin die etablierten "Wesentlichen Anlegerinformationen" nutzen konnte. Zum Jahreswechsel, zu dem mit Blick auf das PRIIPs-KID wesentliche Neuerungen in Kraft treten, ist es damit vorbei. Bernhard Bittner und Fabian Pirzer von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY legen im folgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE dar, worauf sich die Asset Manager und Finanzvertriebe vorbereiten müssen. (bm)
Ab dem 1. Januar 2023 sind nach endgültigem Beschluss der Europäischen Kommission die bereits angekündigte Anwendung der Technischen Regulierungsstandards für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (kurz: PRIIPs-RTS) erstmals verpflichtend anzuwenden. Sie lösen die bis dahin gültigen UCITS-KIIDs ab. Ab diesem Zeitpunkt wird die Bafin dies auch in ihrer Aufsichtspraxis erstmals berücksichtigen.
Mit den anstehenden Änderungen der PRIIP-bezogenen technischen Regulierungsstandards (RTS) werden die bis dahin gültigen Vorgaben für Basisinformationsblätter aktualisiert und ergänzt. Ziel der Änderungen ist vorrangig die Verbesserung der Verständlichkeit und Vergleichbarkeit des Basisinformationsblattes für die Kleinanleger. Auch das Thema der Nachhaltigkeit ist künftig abzubilden. Große Änderungen ergeben sich zudem hinsichtlich der Berechnungsmethodik und deren Umfang und dem Ausmaß der damit verbundenen Kosten.
Auslöser der Neuerungen war vor allem das von der Europäischen Kommission wahrgenommene Risiko potenziell irreführender Performancedarstellung durch allzu positive Aussichten für künftige Renditen, insbesondere nach einer Phase positiver Marktentwicklung. Privatanleger sollen demnach mehr von transparenten, vergleichbaren und verständlichen Produktinformationen profitieren. In der konkreten Umsetzung bei Erstellung des Basisinformationsblattes bedeutet dies zusammengefasst folgende wesentliche Änderungen im Vergleich zu den UCITS-KIIDs:
- Format: drei Seiten, sieben Abschnitte
- Performance-Bewertung: zukunftsbezogen (ex ante); Berechnung vier verschiedener prognostizierter Zukunftsszenarien über mindestens drei Zeitintervalle: günstig, neutral, ungünstig, Stress
- Risiko-Bewertung: SRI ("Summary Risc Indicator")
- Kosten und Gebühren: Darstellung der laufenden und effektiv zu erwartenden Kosten auf Basis mehrerer verschiedener Kostenarten (Initialkosten, Transaktionskosten, etc.)
- Aktualisierung: laufende Aktualisierung bei Änderung von Inhalt, Daten oder Indikatoren, mindestens alle zwölf Monate
- Veröffentlichung: in mindestens einer Amtssprache jedes Landes, in dem das Produkt vermarktet wird; zusätzliche Veröffentlichungspflicht im Internet (PRIIPs-Leistungsszenarien auf monatlicher Basis; Wertentwicklung in der Vergangenheit)
Berechnung der Performance-Szenarien
KIDs sind obligatorische dreiseitige A4-Dokumente, die die Emittenten des Produkts (beispielsweise Banken oder Versicherer) oder die Vertriebsstellen (beispielsweise Finanzberater oder andere Vermittler) den Verbrauchern vor dem Erwerb eines PRIIP aushändigen müssen. Zu PRIIPs gehören Investmentfonds, strukturierte Produkte, Lebensversicherungsverträge (fondsgebunden und mit Gewinnbeteiligung) und strukturierte Einlagen.
Die überarbeiteten PRIIPs-RTS sehen vor allen eine Änderung der Berechnung des Performance-Szenarios von der Cornish-Fisher-Methode hin zu einer Backtest-Methode vor, die eine direkte Schätzung auf Basis der Preise der PRIIPs einführt. Wie schon bei den Basisinformationsblättern geht es dabei in erster Linie darum, unangemessene positive Performance-Szenarien in Anlegerinformationen zu vermeiden. Die neue Berechnungsmethodik für Leistungsszenarien fordert zudem eine Preishistorie der mindestens letzten zehn Jahre. Sind diese Kurse nicht ermittelbar (zum Beispiel da das Alter des Fonds geringer ist), ist auf einen definierten Benchmark-Auswahlprozess zurückzugreifen. Vorrangig sollten dabei bereits regulierte Benchmarks angewandt werden. Schließlich sind zusätzliche Details zu den Annahmen anzugeben, die zur Erstellung der Performance-Szenarien führen. So soll das Risiko verringert werden, unangemessene Erwartungen hinsichtlich möglicher zukünftiger Erträge zu wecken.
Angepasste Kosteninformationen
Ein weiterer Schritt zu mehr Transparenz liegt in der angepassten Darstellung von Kosteninformationen, angelehnt an die Darstellungen bei Mifid II. Bei verpackten Anlageprodukten, die eine Reihe von Anlageoptionen anbieten, sollen zukünftig eindeutige Kosteninformationen (zum Beispiel Costs over Time, Composition of Costs) dabei helfen, das Verständnis der Kleinanleger für die Kostenauswirkungen dieser verschiedenen Anlageoptionen zu verbessern. Neu sind hier auch die Transaktionskosten richtig auszuweisen.
Während die oben beschriebene Beschaffung historischer Daten alle Asset Manager vor neue Herausforderungen stellt, vereinfachen aber auch die geänderten Regulierungsstandards die Berechnung der Transaktionskosten. Die Anwendung des bislang schwer ermittelbaren Marktpreises (Arrival Price) bei der Ordererteilung von Investments ist erst ab dem 1. Januar 2025 anzuwenden und lässt sich zukünftig flexibler gestalten. Es ist sodann möglich, den zuletzt verfügbaren Preis für die Berechnung der Transaktionskosten zu verwenden, falls der exakte Arrival Price nicht verfügbar ist. Alternativ dazu darf ein über eine Drittpartei berechneter, vertretbarer, unabhängiger Preis herangezogen werden. Alternativ dazu können bis Dezember 2024 Schätzmethoden verwendet werden. Weiterhin muss beachtet werden, dass keine negativen Transaktionskosten und ein Minimum an explizit anzuzeigenden Kosten mit einbezogen werden.
Schließlich sorgt das Thema Veröffentlichung und Aktualisierung für einen gestiegenen Mehraufwand an einzuplanender Zeit und damit verbundenen Kosten. Es ist zukünftig Pflicht, PRIIPs-Leistungsszenarien auf monatlicher Basis sowie deren Wertentwicklung in der Vergangenheit auf der Internetseite des Emittenten zu veröffentlichen. Zudem ist eine Aktualisierung nicht mehr pauschal jährlich zu Beginn eines Kalenderjahres vorgesehen, sondern laufend, falls sich eine Änderung von Inhalt, Daten oder Indikatoren des PRIIPs ergibt.
Fazit für die Asset-Management-Industrie
Aufgrund der neuen Herausforderungen aus der PRIIPs-RTS, die bereits in ein paar Monaten umzusetzen sind, ist es für Asset Manager höchste Zeit, sich mit den geänderten regulatorischen Anforderungen auseinanderzusetzen. Sie sollten so bald wie möglich mit der Evaluation der entsprechenden Marktpreise anhand der Arrival-Price-Methode beginnen, um durch kontinuierliche Erfassung die erforderliche dreijährige Datenhistorie aufzubauen und zum Übergangszeitpunkt hohe Abweichungen sowie abrupte Kostensprünge zu vermeiden.
Fondsanbieter sollten darüber hinaus den stark gestiegenen operativen Aufwand berücksichtigen, der sich durch die neuen, oben erwähnten Anforderungen ergibt. Der damit verbundene erhebliche Kostenanstieg resultiert vor allem auch aus der dezidierten Kostendurchschau der Fonds. Beachtet werden muss zudem die Komplexität, die sich ergibt, falls Assets außerhalb der EU, etwa in Großbritannien, verwaltet werden.
Schließlich ist es sehr wichtig, den Faktor Zeit nicht zu unterschätzen: In Anbetracht der Umsetzungsfrist, die bereits in wenigen Monaten endet, empfiehlt es sich, gerade im Hinblick auf beispielsweise die Arrival-Price-Berechnung auf entsprechende Software-Lösungen zurückzugreifen.
Bernhard Bittner ist Partner in der Financial Services Consulting Practice von EY mit Schwerpunkt auf Regulatory Reporting und Consulting. Er leitet von Luxemburg aus den regulatorischen Meldedienst für Wealth & Asset Management in ganz Europa. Fabian Pirzer ist Manager im Bereich Wealth & Asset Management bei EY in München. Sein Fokus liegt auf der Prüfung und Beratung der Fonds- und Asset-Management-Industrie.