Neue FMA-Kreditregeln: Etliche Praxisprobleme bei Mindeststandards
Die seit August verschärften Vergaberegeln für Immobilienkredite laufen teils den beabsichtigten Zielen zuwider. Nicht nur Jungfamilien sind betroffen, sondern auch Höherverdiener. Mitunter werden Kunden sogar in variable Kredite gedrängt, obwohl die FMA eigentlich das Gegenteil will.
Seit 1. August müssen Banken bei Wohnbaukrediten ab 50.000 Euro strengere Vergaberegeln befolgen. Erstens dürfen sich Haushalte nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens für die monatliche Rückzahlung von Zinsen und Tilgungen aufhalsen ("Schuldendienstquote"). Zweitens wird die Laufzeit auf 35 Jahre begrenzt. Und drittens müssen die Kreditnehmer mindestens 20 Prozent des Gesamtpreises als Eigenmittelanteil mitbringen.
Die Verordnung sei sinnvoll, es müsse aber Anpassungen geben, weil unter den momentanen Grenzen oft ungerechtfertigt ein Kredit verwehrt würde, sagt Christoph Kirchmair, Geschäftsführer des Kreditmaklers Infina. Es sei zum Beispiel kaum nachvollziehbar, dass ausgerechnet Besserverdiener plötzlich auf Hürden stoßen, so Kirchmair, der ein Beispiel bringt: Wer ein monatliches Einkommen von 10.000 Euro hat und davon 5.000 Euro für die Kreditrückzahlung aufwendet, der hat in der Regel mit den verbleibenden 5.000 Euro genug, um sein tägliches Leben zu bestreiten. Nach den aktuellen Standards wäre so ein Kredit aber nicht zulässig, weil er die erlaubte Schuldendienstquote von 40 Prozent deutlich überschreitet.
Zwischenfinanzierung zehrt institutsbezogene Ausnahmekontingente auf
Zwar sind die FMA-Grenzen nicht komplett starr: Das Gesetz gewährt den Banken "institutsbezogene Ausnahmekontingente". Besserverdiener mit hohen Kreditraten würden klassischerweise hier hineinfallen. Das Problem ist nur, dass diese Kontingente bei den Banken häufig allein durch Zwischenfinanzierungen ausgeschöpft sind. Klassiker ist der Erwerb eines Hauses, während die alte Wohnung, die bei der Finanzierung der neuen Immobilie helfen soll, noch nicht verkauft ist. "Banken machen oft in hohem Ausmaß Zwischenfinanzierungen. Diese müssen sie in das Ausnahmekontingent aufnehmen, das dann anderen Kreditnehmern nicht mehr offensteht", so der Finanzierungsexperte im Gespräch mit der Redaktion. Als Folge seien in jüngster Zeit zum Beispiel Bausparkassen, die nicht in der Zwischenfinanzierung tätig sind, für die Kreditnehmer etwas attraktiver geworden.
Dass von den neuen Regeln besonders junge Kreditnehmer mit wenig Eigenkapital betroffen sein werden, war bereits im Vorfeld klar. Kirchmair betont im Gespräch, dass aus seiner Sicht vor allem der Rahmen für Jungfamilien mit hoher Ausbildung und vorprogrammierter guter Einkommensentwicklung zu eng sei. Solche Kreditnehmer könnten zwar, wenn sie anfänglich die Tilgungsrate tief halten, trotz zu Karrierebeginn geringeren Einkommens innerhalb der Schuldendienstquote von 40 Prozent bleiben. Weil sich dadurch aber die Laufzeit verlängert, spießt es sich mit dem 35-Jahres-Limit. "Hier werden Finanzierungen ohne Grund verwehrt, schließlich handelt es sich um zukünftige Gutverdiener. Es braucht dringend eine Lösung", so Kirchmair. Man könnte sich an Deutschland orientieren, wo tiefere Tilgungsquoten beziehungsweise dann längere Laufzeiten akzeptiert werden.
Eine "Achillesferse" sei es außerdem, dass für die Berechnung der Schuldendienstquote die Echtrate herangezogen wird. Die Rate steigt verknappt gesagt, je sicherer man vorgeht. Daraus kann sich die Situation ergeben, dass die Kreditnehmer in billigere, aber riskantere variable Kredite (Risiko steigender Zinsen) gedrängt werden, während ihnen ein – von der Aufsicht eigentlich erwünschter – teurerer Fixzinskredit verwehrt wird. Kirchmair nennt das Beispiel einer Jungfamilie, der die Bank erklärte, man könne den Kredit von 450.000 Euro dem neuen Gesetz nach variabel verzinst anbieten, nicht aber fix.
Vergleich entscheidend
"Ich habe Respekt vor dem Gesetz, aber durch solche, für die Kreditnehmer nicht nachvollziehbaren, Praxiskonsequenzen vergrault man auch die Leute", so Kirchmair. Die gesetzlichen Änderungen würden derzeit bei Infina zu einer stärkeren Nachfrage nach Beratung führen, sagt Kirchmair, dessen Plattform Finanzierungen bei rund 140 eigenständigen Banken anbietet. Nach Eigenberechnung vermittelt Infina rund sechs Prozent des heimischen Immobilienkreditvolumens. Der Vergleich sei derzeit besonders wichtig. Man dürfe sich nicht entmutigen lassen, wenn die Hausbank den Kredit ablehnt, weil ihre Ausnahmekontingente ausgeschöpft sind. Eine andere Bank könne hier vielleicht gute Konditionen bieten.
Laut Kirchmair ist trotz des hohen Beratungsaufkommens merkbar, dass Kunden momentan aufgrund der Verunsicherung vermehrt vom tatsächlichen Kauf absehen und Projekte auf Eis legen. Es sei ein Rücksetzer bei den Projekten zu erwarten, allerdings gefolgt von einer Aufholbewegung, so die Prognose des Infina-Experten.
Die Verordnung
Mit der Verordnung (KIM-VO) reagiert die FMA auf die rasante Verteuerung bei den Immobilien bei gleichzeitig steigenden Marktzinsen. Die Behörde will sicherstellen, dass sich Häuselbauer ihre Kredite wirklich leisten können. Im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Preise für Häuser und Wohnungen laut OeNB-Zahlen ungefähr verdreifacht. Bisher existierten die nun von der FMA verordneten Grenzwerte nur als Empfehlung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG). FMA und Nationalbank (OeNB) hatten davor wiederholt betont, dass in Österreich diese Empfehlungen sehr häufig nicht eingehalten wurden. So gab oder gibt knapp ein Fünftel über 40 Prozent des Nettoeinkommens für die Kreditrate aus. Und mehr als die Hälfte der Kreditnehmer brachten nicht die nun verpflichtenden 20 Prozent Eigenmittel mit.
Apropos Eigenmittel: Dem Wortlaut nach verlangt das Gesetz eigentlich nur zehn Prozent, oder umgekehrt eine Beleihungsquote von maximal 90 Prozent. Das bezieht sich allerdings auf den im Grundbuch eingetragenen Immobilienwert. Wenn man die üblichen rund zehn Prozent Kaufnebengebühren berücksichtigt, ergibt das die verlangten 20 Prozent. (eml)