Lebensversicherung: OGH wendet sich an EuGH
Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien konsultiert zu der komplexen Frage des Rücktritts von einer Lebensversicherung einmal mehr den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Schon früher musste der EuGH zum Spätrücktritt von Lebensversicherungen entscheiden. Dass die Fragestellungen in dieser Causa noch lange nicht erschöpft sind, zeigt eine neue Anfrage aus Österreich. Der OGH in Wien hat ein Verfahren ausgesetzt und wartet so lange auf Rückmeldung aus Luxemburg.
In dem Fall geht es um eine im Jahr 2013 abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung ("KapitalSparbrief fondsgebundene Lebensversicherung mit jährlich 4 % Wertanpassung"). Vereinbart war eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren und eine Monatsbruttoprämie von 50 Euro samt einer Wertanpassungsklausel von vier Prozent jährlich auf Basis der zuletzt vorgeschriebenen Prämie. 2014 veranlasste die Versicherungsnehmerin eine Aufstockung auf monatlich 100 Euro und eine Änderung der Wertanpassung im Jahr 2015.
Konsumentin fordert Tausende Euro zurück
2022 erklärte die Konsumentin schließlich den Rücktritt von allen Änderungen des Versicherungsvertrags aus den Jahren 2014 und 2015, weil sie nicht über ihr gesetzliches Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Dabei forderte sie die Prämiendifferenz samt Zinsen zurück. Insgesamt geht es um 6.132 Euro. Die Versicherung lehnte ab. Ein Verbraucherschutzverband, der die Vertretung übernahm, ortet Mängel in der Rücktrittsbelehrung der Nachträge, daher stehe der Versicherungsnehmerin ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Erst- und Zweitgericht sahen das allerdings nicht so und gaben der Versicherung recht.
Nun liegt die Sache beim OGH, der vor einer Entscheidung grundsätzliche europarechtliche Fragen abgeklärt haben möchte. Der EuGH soll beurteilen, ob die EU-Regeln (nach RL 2009/138/EG) so auszulegen sind, dass ein Rücktrittsrecht nicht nur den erstmaligen Abschluss eines Vertrags, sondern auch spätere individualvertragliche (einvernehmliche) Vertragsänderungen erfasst und ob bei späteren Änderungen ebenfalls eine Informationspflicht des Versicherers besteht.
Der OGH legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende (gekürzte) Fragen vor:
1. Sind die EU-Regeln so auszulegen, dass dem Versicherungsnehmer das Rücktrittsrecht auch im Fall einer späteren individualvertraglichen Vertragsänderung zu einem Lebensversicherungsvertrag zusteht?
2. Wenn Frage 1 bejaht wird: Steht dem Versicherungsnehmer ein Rücktritt gemäß EU-Recht bei jeder späteren individualvertraglichen Vertragsänderung zu oder hängt das Rücktrittsrecht von Umfang und Bedeutung der Vertragsänderung für den Versicherungsnehmer ab? (eml)