Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler heizte im "ORF-Sommergespräch" die Debatten über Mietpreisregulierungen erneut an. Seine Partei hat für den Herbst ein "großes Wohnpaket" angekündigt. "Erstmals greifen wir mit einer Mietpreisbremse in den freien Mietmarkt ein. Das ist ein historischer Schritt", bekräftige Babler in einer Aussendung sein Ansinnen. In der Immobilienbranche ist man entsetzt. Sie befürchtet, dass nicht nur der Immobilienmarkt, sondern die gesamte Wirtschaft darunter leidet. Das erklärte Louis Obrowsky, Geschäftsführer der LLB Immo Kapitalanlagegesellschaft, im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE.


Herr Obrowsky, wie bewerten Sie die in Deutschland und Österreich immer wieder aufkeimenden Diskussionen über Mietpreisregulierungen durch die Politik, nachdem Vizekanzler Andreas Babler für Österreich dezidiert die "Ausweitung der Mietpreisbremse" angekündigt hat?

Louis Obrowsky: Volkswirtschaftlich wäre das sehr nachteilig und für den Wirtschaftsstandort Österreich wäre das desaströs. Eingriffe in den freien Mieten sind meiner Meinung nach verfassungsmäßig bedenklich und mit ihnen würde die Rechtssicherheit über Bord geworfen werden. Hier wird eine langfristige Schädigung des Wirtschaftsstandortes Österreich aufgrund ideologischer Verblendung in einem Teil der Regierung riskiert.

Stichwort Rechtssicherheit: In den vergangenen Wochen gab es zwei weitreichende Entscheidungen hoher Gerichte zu den Mietpreisanpassungen: jene des VfGH und jene des OGH. Inwieweit sehen Sie bei diesem Thema Rechtsunsicherheiten und welche gesetzlichen Anpassungen erachten Sie als notwendig?

Obrowsky: Anders als in einzelnen Entscheidungen zu Verbandsklagen gab es zuletzt bei Individualverfahren, die sich auf § 6 Abs 2 Z 4 im Konsumentenschutzgesetz bezogen, für die Vermieterseite positive Entscheidungen. Konnte der Vermieter konkret nachweisen, dass er nie innerhalb von zwei Monaten indexieren wollte, und tat er dies tatsächlich auch nicht, wurde im Regelfall zugunsten des Vermieters und somit für die Zulässigkeit der Indexierungsklausel entschieden. Die jüngste Entscheidung berücksichtigt darüber hinaus vollkommen richtig auch Materialen zur Gesetzwerdung dieses Passus im Konsumentenschutzgesetz, wonach diese Bestimmung niemals auf langfristige Bestandsverhältnisse Anwendung finden sollte. Insofern wurde mit diesem OGH-Urteil ein großer Schritt Richtung Rechtssicherheit getan.

In den Städten nimmt der Wohnungsmangel weiter zu. Die Mieten, die Betriebskosten und mithin die Wohnkosten eines Haushalts steigen weiter. Das wird langsam doch für immer mehr Mieter zu einem wirtschaftlichen Problem – jedenfalls in den Großstädten. Selbst "leistbares Wohnen" ist nicht günstig und im Neubau kaum umsetzbar. Können Sie nicht nachvollziehen, dass die Politik hellhörig wurde und gegensteuern möchte?

Obrowsky: Dieses Thema ist differenziert zu betrachten: Im Neubau steigen bei der Neuvermietung die Preise deutlich, weil es aufgrund des wirtschaftlichen und politischen Umfeldes kaum ein neues Angebot bei steigender Nachfrage gibt. So funktioniert der freie Markt und das lernt man im VWL-Studium im ersten Semester. Bei bestehenden Mietverhältnissen können die Mieten überhaupt nicht steigen – trotz der wiederholten Behauptungen einzelner politischer Vertreter. Derzeit ist nicht einmal eine Indexierung in vollem Ausmaß möglich aufgrund politischer Eingriffe wie den Mietpreisdeckel und die Deckelung der Indexierung. Das bedeutet: Real sinken die Mieten bei den bestehenden Mietverhältnissen!

Dennoch stoßen viele Haushalte an ihre Leistbarkeitsgrenze.

Obrowsky: Aufgrund des hohen Bestandes an Wohnungen, die dem Mietrechtsgesetz unterliegen, und des großen Angebots an preisgeregelten Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen ist der Wohnungsmarkt in Wien im internationalen Umfeld ausgesprochen günstig. Was tatsächlich steigt, sind die Betriebskosten. Und hier langen besonders jene Gemeinden zu, die von Vertretern jener politischen Richtungen regiert werden, die hohe Wohnkosten kritisieren.

Einige Marktbeobachter vermuten, dass die Wohnimmobilienkaufpreise zeitnah wieder stärker als die Mieten steigen, und leiten daraus erneut die Gefahr einer Blasenbildung ab. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Obrowsky: Der Wohnungsneubau ist derzeit weitgehend zum Erliegen gekommen. Besserung verspricht erst ein Umdenken der Politik mit der Schaffung eines Umfeldes, das Investitionen begünstigt. Bei Neuabschluss von Mietverträgen im freien Bereich werden die Mieten, wie vorhin ausgeführt, steigen.

Sollte man aktuell in die Assetklasse Wohnen investieren?

Obrowsky: Grundsätzlich ja. Wohnen ist sowohl in Österreich als auch in Deutschland ein großes Thema. Fehlende Neubauleistungen und die demographische Entwicklung begünstigen die Assetklasse. Leider sind staatliche Eingriffe wie Mietzinsbeschränkungen und Deckelungen der laufenden Indexierungen auch im freien Wohnbereich gesellschaftsfähig geworden. Überall redet man von der künstlichen Intelligenz, bei uns regiert die natürliche Unintelligenz.

Wie interessant sind die Segmente Büro, Einzelhandel und Logistik für Investoren?

Obrowsky: Im Bürosektor geben wir Immobilien mit öffentlichen Mietern den Vorzug. Im Einzelhandel entwickeln sich Fachmarktcenter mit einem hohen Anteil von Gütern des täglichen Bedarfs stabil, allerdings leiden Einkaufscenter und High-Street-Retail. Logistikimmobilien sind nach wie vor gefragt, der Hype ist aber vorbei und die Mietersuche gestaltet sich schwieriger als noch vor einigen Jahren.

Vielen Dank für das Gespräch. (ae)