"Grüne" Fondsnamen: Anwalt kritisiert ESMA-Leitlinien
Bislang legt nicht jeder Fonds, dessen Name ein ESG-Investment suggeriert, wirklich nachhaltig an. Das möchte die EU-Wertpapieraufsicht ändern. Doch gut gedacht ist nicht immer gut gemacht, meint Daniel Lühmann von der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons.
Die Leitlinien der EU-Wertpapieraufsicht ESMA zu ESG-Fondsnamen könnten statt zu einer Harmonisierung in Europa zu einer weiteren Zersplitterung des Marktes führen. Dieser Auffassung ist Daniel Lühmann, Partner der Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons.
Mit ihren jüngst vorgelegten Leitlinien möchte die ESMA sicherstellen, dass Fondsnamen, die ein nachhaltiges Investment durch die Verwendung bestimmter Begriffe oder Abkürzungen nahelegen, fair, eindeutig und nicht irreführend sind. Ziel ist zudem eine EU-weite Harmonisierung bei der Benennung nachhaltiger Fonds.
Enger Zeitrahmen
Lühmann zufolge stellen die Leitlinien die Asset Manager vor eine Herausforderung. Insbesondere nationale Alleingänge könnten das Vorhaben, die Produktbezeichnungen zu vereinheitlichen, konterkarieren: "Die ESMA-Leitlinien bieten nationalen Finanzaufsichtsbehörden die Möglichkeit, die Leitlinien eins zu eins umzusetzen. Eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht. Auch könnten nur Teile der Leitlinien umgesetzt werden", sagt Lühmann. "Im Endeffekt könnte jedes europäische Land die Benennung von ESG-Fonds anders handhaben. Dadurch droht eine große Zersplitterung." Nicht nur für die Fondsindustrie, sondern auch für international aufgestellte Investoren könnte dies zu einer Bürde werden.
Die Leitlinien müssten drei Monate nach dem Tag der Veröffentlichung in allen offiziellen EU-Sprachen auf der ESMA-Internetseite in nationale Vorgaben umgesetzt werden, erläutert Lühmann. Darin sei allerdings eine bis zu zweimonatige Frist für Rückmeldungen der nationalen Finanzaufsichtsbehörden an die Pariser Behörde einzurechnen. Im ungünstigen Fall könnte die Fondsindustrie somit nur einen Monat Zeit haben, um finale Vorgaben umzusetzen, befürchtet der Jurist.
"Interpretationsspielraum"
Für Asset Manager bedeuten die ESMA-Leitlinien vor allem, dass sich die Verwendung eines nachhaltigkeitsbezogenen Begriffs in den zugrundeliegenden Investments wiederfinden muss. Führt ein Fonds einen entsprechenden Begriff im Namen, müssen 80 Prozent seiner Investitionen auch nachhaltige Merkmale beziehungsweise Anlageziele erfüllen. Dabei gehe es jedoch nicht nur um Begriffe wie "grün" oder "nachhaltig" ("sustainable"), sondern auch um weitergefasste Formulierungen wie "Impact" oder "Transition", so Lühmann. Einen abschließenden Begriffskatalog habe die ESMA noch nicht vorgelegt.
"Die Vorgaben der ESMA lassen einigen Interpretationsspielraum für die Fondsindustrie. Es stellt sich beispielsweise die Frage, wie das Erfüllen eines 'Impacts' oder einer 'Transition' im Sinne eines nachhaltigen Übergangs genau gemessen und überprüft werden kann", erklärt Lühmann. Auch gebe es viele Grauzonen bei Fondsnamen, etwa wenn ein Fonds den Begriff "Evergreen" im Namen führt, was bei enger Auslegung ("green") eine nachhaltige Ausrichtung nahelegen könnte, was ursprünglich womöglich gar nicht beabsichtigt worden sei.
Sinkt bald die Zahl der Fonds mit ESG-Bezeichnung?
Aktuell tragen nach Angaben der ESMA knapp 6.500 Fonds einen nachhaltigkeitsbezogenen Begriff im Namen. Lühmann erwartet, dass diese Zahl bald sinken könnte. Viele Asset Manager könnten bewusst auf eine solche Benennung verzichten, weil die Auslegung der Richtlinie teilweise noch unklar sei. Nur so ließe sich verhindern, sich auch nur ansatzweise dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen. "Die ESMA möchte künftig Klarheit haben, dass dort, wo ESG draufsteht, auch ESG drin ist", erklärt Lühmann. "Doch umgekehrt könnte dann auch häufiger der Fall sein: Wo ESG nicht draufsteht, könnte trotzdem sehr viel ESG drin sein." (fp)