Fragwürdige Investments: "Die Berater sind oft zu gutgläubig"
"Grundbuchbesichertes Nachrangdarlehen", "FMA-geprüft", "Anleihe für Tippgeber". Solchen Tricks dürfen Vermittler nicht aufsitzen, heißt es anlässlich der Pleiten von CPI und Go Lending.
Innerhalb weniger Tage gingen Ende Juni 2022 das fragwürdige Pfandleih-Modell Go Lending und das komplex strukturierte Immobilienunternehmen CPI in die Insolvenz. Anlegergeld im Wert von zig Millionen Euro dürfte verloren sein. Während Behörden und Masseverwalter versuchen, sich in den beiden sehr verschieden gelagerten Fällen einen Überblick zu verschaffen, ist bereits eine Gemeinsamkeit zu erkennen: Wieder einmal waren Vermittler involviert, die sich ihrer Pflichten zu wenig bewusst waren.
"Die Berater sind oft zu gutgläubig", sagt René Hompasz, Geschäftsführer des Vermittlers von Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen Höher Insurance, in einem Artikel, der in voller Länge in der neuen Printausgabe von FONDS professionell erschienen ist. Hompasz hat sowohl bei CPI als auch bei Go Lending erste Fälle auf dem Tisch liegen.
"Anleihe für Tippgeber"
Bei manchen dieser Berater dürfte die Versicherung jedoch aussteigen. Zum Beispiel habe ein Vermittler eine Anleihe von Go Lending als Tippgeber vermittelt. "Dabei darf man solche Finanzinstrumente in Österreich nur unter einem Haftungsdach vermitteln", stellt Hompasz klar.
Gewerblichen Tippgebern ist hingegen nichts anderes erlaubt, als Kundendaten aufzunehmen und weiterzuleiten; Beratung ist tabu. Genau diese wäre aber eigentlich bei komplexen Produkten wie Anleihen Pflicht. In der Praxis scheint es auch kaum realistisch, dass ein "Tippgeber" nicht über das Produkt spricht – wodurch er eigentlich wieder den Erlaubnisrahmen sprengt. Der genaue Hergang sei zu klären. Jedenfalls dürfte es im vorliegenden Fall so sein, dass der betroffene Berater der Meinung war, er trage keine Verantwortung. "Wir sehen leider oft, dass Produkthersteller dem Vertrieb erzählen: 'Als Tippgeber hast du keine Haftung.' Viele glauben das. Dieser Tippgeber-Schmäh muss endlich aufhören", so Hompasz.
Prüfpflicht bei Produkten
Go Lending hat Pfandkredite an kleine Unternehmen und Privatpersonen vergeben. Das Geld dafür holte man sich aus dem Verkauf von qualifizierten Nachrangdarlehen und Anleihen. Anlegeranwälte bezweifeln, dass die Sicherheiten wirklich werthaltig waren und hinterfragen auch die Zahlungsflüsse. Go Lending hingegen sagt, es war alles in Ordnung. Es gilt die Unschuldsvermutung. Was genau passiert ist, werden Gerichte klären.
Obwohl die Sache komplex ist, lässt sich sagen, dass manche der Vermittler durchaus mehr Zweifel hätten haben können. Vielen sei zum Beispiel nicht bewusst, dass es für den Berater die Pflicht gibt, seine Produkte zu prüfen und zu verstehen, so Hompasz: "Vor allem, sobald ein Unternehmen nicht direkt von der FMA beaufsichtigt wird, muss ich ganz anders hinschauen", sagt Hompasz. Die Produkt- und Informationsqualität am "grauen Kapitalmarkt" sei keinesfalls vergleichbar mit jener bei Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die direkt unter FMA-Aufsicht stehen.
Tatsächlich hätte zumindest bei Go Lending ein Blick in das Firmenbuch genügt, um Risiken zu sehen. Der letzte Jahresabschluss (31.12. 2020) zeigt ein negatives Eigenkapital von knapp 16,6 Millionen Euro und Verbindlichkeiten über 28,7 Millionen Euro. Ebenfalls ein Alarmsignal: Die FMA verurteilte Go Lending 2019 wegen irreführender Werbung.
Hohe Zinsen hinterfragen
Auch CPI – das Unternehmen bestand aus über 160 Gesellschaften – gab ein intransparentes Bild ab. Und die hohen Anleihenzinsen von teils über acht Prozent hätte man in Tiefzinszeiten eigentlich extrem genau hinterfragen müssen. "Realistisch betrachtet, kann man die Bedürfnisse der meisten Anleger in Österreich mit Investmentfonds regulierter Gesellschaften abdecken. Man sollte sich als Vermittler wirklich fragen, warum es ausgerechnet ein Hochrisikoprodukt sein muss", so Hompasz.
Apropos Anleihen: Eine Masche, die der Redaktion schon oft zugetragen wurde, geht so: Produktgeber erklären den Vermittlern: "Das ist von der FMA geprüft, das ist ein sicheres Investment." Auch Hompasz stößt immer wieder auf Vermittler, die in diesem Glauben solche Anleihen vertreiben. Natürlich prüft die FMA nicht, ob es sich um eine sichere Veranlagung handelt. Aufgabe der Behörde ist nur zu kontrollieren, ob der Prospekt die gesetzlichen Angaben enthält und es keine Widersprüche gibt.
Häufige Ausnahmen vom KMG
Betrügereien sind von außen schwer zu entlarven. Doch man findet Signale, die Anleger oder Vermittler künftig mehr beachten könnten. Dazu gehört, dass Immobilienfirmen häufig Anleihen ohne Prospekt ausgeben. Möglich ist das durch eine Ausnahme im Kapitalmarktgesetz (KMG), die "Privatplatzierungen" bei Stückelungen über 100.000 Euro oder bei Vertrieb an einen kleineren Kundenkreis erlaubt. Das ist zwar legal. Als Anleger kann man sich aber erstens fragen: Warum steigt ein großes Unternehmen wie CPI von "gebilligten" Anleihen plötzlich auf die Ausnahme um? Warum soll ich nicht lieber öffentlich platzierte Bonds kaufen? Zweitens: Manche Anbieter strapazieren diese KMG-Ausnahme extrem und machen serielle Privatplatzierungen. Als Betrachter von außen kann man kaum glauben, dass es im Sinne des Gesetzes ist, wenn auf diesem Weg Anleger einem einzelnen Unternehmen teils zig Millionen Euro leihen.
Erwähnenswert ist auch der "Grundbuch"-Schmäh, besonders wenn er im Zusammenhang mit Nachrangdarlehen auftaucht. "So etwas darf ein Vermittler einfach nicht glauben. Bei einem Nachrangdarlehen steht immer die Bank im ersten Rang. Ein Eintrag nutzt dem Anleger bei Problemen nichts", warnt Hompasz. (eml)
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