EuGH-Urteil: Wer Kredite früher abzahlt, bekommt auch Kosten zurück
Zahlt ein Kunde seinen Kredit vorzeitig zurück, muss die Bank ihm anteilsmäßig alle verrechneten Kosten rückerstatten. Diese Rechtsansicht, die der bisherigen österreichischen Praxis widerspricht, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) veröffentlicht.
Der EuGH hat in einem Urteil am 11. September entschieden, dass Verbraucher bei vorzeitiger Kreditrückzahlung das Recht auf die Ermäßigung sämtlicher Kosten haben. Auch laufzeitunabhängige Kosten wie zum Beispiel eine zu Beginn gezahlte Bearbeitungsgebühr oder eine Vermittlungsprovision müssten teilweise rückerstattet werden.
Angerufen wurde der EuGH wegen mehrerer Fälle in Polen. Konsumenten mussten bei der Kreditaufnahme eine Provision an die Bank zahlen. Nachdem sie die Kredite vorzeitig getilgt hatten, verlangten die Konsumenten einen aliquoten Teil dieser Provision zurück. Die europäische Verbraucherkredite-Richtlinie sieht nämlich vor, dass es bei einer vorzeitigen Rückzahlung ein Recht auf anteilige Ermäßigung der Kosten gibt. Fraglich war, ob diese Bestimmung nur laufzeitabhängige Kosten betrifft – etwa eine monatliche Kontoführungsgebühr – oder auch laufzeitunabhängige Kosten, wie eine zu Beginn zu zahlende Kreditbearbeitungsgebühr oder eine Vermittlungsprovision.
Fehlanreize vermeiden
Der EuGH hat dazu eindeutig Stellung bezogen: Es sind alle Kosten anteilig zurückzuerstatten. Würde man die Rückerstattungsmöglichkeit allein auf laufzeitabhängige Kosten beschränken, entstehe für Kreditgeber der Anreiz, dass sie beim Vertragsabschluss höhere einmalige Zahlungen vorgeben, während die laufzeitabhängigen Kosten auf ein Minimum reduziert werden. Dass der Kreditgeber durch die Ermäßigung sämtlicher Kosten benachteiligt werden könnte, schließt der EuGH aus: Unter anderem hätten Kreditgeber bei vorzeitiger Rückzahlung ohnehin oft ein Recht auf finanzielle Entschädigung.
Die Entscheidung habe "große Auswirkungen" auf Österreich, heißt es beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). "Bisher haben Banken in Österreich den Verbrauchern laufzeitunabhängige Kosten, wie etwa die Kreditbearbeitungsgebühr, bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nämlich nicht zurückgezahlt", so Beate Gelbmann, Leiterin der Abteilung Klagen. Denkbar, aber noch zu überprüfen sei, ob sich daraus auch für die Vergangenheit Ansprüche der Kreditnehmer ableiten lassen. Die österreichische Regelung erwähne jedenfalls bei der vorzeitigen Kreditrückzahlung nur die laufzeitabhängigen Kosten. Gelmbann sieht daher nun den Gesetzgeber mit einer EuGH-konformen Klarstellung an der Reihe.
Frage auch für Versicherungen
Wie der EuGH in seinem Urteil (Rechtssache C‑383/18) anmerkt, bestimmt Art. 16 ("Vorzeitige Rückzahlung") der EU-Verbraucherkredite-Richtlinie, dass ein Kredit jederzeit ganz oder teilweise zurückgezahlt werden kann, und der Verbraucher dabei das Recht hat "auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet".
Denkt man das Urteil weiter, sind am Ende auch die Kosten von Versicherungsverträgen betroffen, die als Voraussetzung für den Kredit verlangt wurden – etwa gegenseitige Ablebensversicherungen von Lebenspartnern. Denn der EuGH weist in seinen Unterlagen ausdrücklich darauf hin, dass die Verbraucherkrediterichtlinie unter "Gesamtkosten" sämtliche Kosten versteht, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art – ausgenommen Notargebühren –, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind; "Kosten für Nebenleistungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag, insbesondere Versicherungsprämien, sind ebenfalls enthalten, wenn der Abschluss des Vertrags über diese Nebenleistung eine zusätzliche zwingende Voraussetzung dafür ist, dass der Kredit überhaupt oder nach den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt wird", heißt es. (eml)