Die EU-Kommission hat am Mittwochnachmittag (24.5.) in Brüssel den lang erwarteten Entwurf ihrer sogenannten Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) veröffentlicht. Wie versprochen soll es kein generelles Provisionsverbot geben. Doch die in den seit Monaten kursierenden Vorschlägen angekündigten Verschärfungen bei den Vergütungen sollen kommen: Ein Provisionsverbot soll es für Beratungen geben, die als unabhängig bezeichnet werden. Ebenso will die Kommission in der gesamten beratungsfreien Wertpapiervermittlung (Execution-Only-Geschäfte) künftig die Provisionen streichen.

Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler in der Wirtschaftskammer (WKO) äußerte in einer Aussendung scharfe Kritik. Er zeigte sich insbesondere unzufrieden mit dem vorgeschlagenen Artikel 30 Absatz 5b IDD, der das Provisionsverbot für die unabhängige Beratung von Versicherungsanlageprodukten enthält. Die Beratung durch Versicherungsmakler ist in diversen europäischen Ländern – und so auch in Österreich – definitionsgemäß unabhängig. Und damit muss dieser Sektor überlegen, wie er künftig vorgeht.

"Verbot der primären Vergütungsform"
Einem Teil der europäischen Versicherungsvermittler würde damit die "primäre Vergütungsform" verboten, kritisiert Berghammer. Er sieht ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Vermittler zulasten der Makler. Man werde weiter dafür eintreten, dass Makler Versicherungsanlageprodukte weiter im Provisionsmodus vertreiben dürfen.

Der Fachverband der Finanzdienstleister äußert sich dazu in einer Aussendung ebenfalls kritisch, jedoch zurückhaltend. Der Vorschlag bedeute nicht, dass ein Provisionsverbot in diesen Bereichen unmittelbar bevorsteht, heißt es. Zunächst müssen sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat eine Position zu diesen Vorschlägen erarbeiten, bevor es im Anschluss zu den Trilogverhandlungen kommt, betonen die Finanzdienstleister, die wie die Versicherungsmakler hier noch Chancen für Einspruch und Veränderungen sehen.

Kommission will mehr Fairness
In einer Aussendung erklärt die EU-Kommission, Ziel der Strategie sei es, dass Kleinanleger "fair behandelt" und angemessen geschützt werden. Auf diese Weise werde "das Vertrauen von Kleinanlegern gestärkt". Die EU soll als Anlageplatz für die Bürger sicherer werden. Damit soll die private Investitionsfähigkeit gefördert werden, "die im Vergleich zu anderen Ländern wie den Vereinigten Staaten traditionell geringer ausfällt", wie die Kommission betont. Die Kommission behält sich vor, später ein generelles Provisionsverbot einzuführen, wenn die Branche die neuen Vorschriften nicht einhält.

Neben dem Verbot für Provisionen im beratungsfreien Geschäft soll es auch dort, wo Provisionen erlaubt bleiben, "strengere Schutzvorkehrungen" geben. Anlageberater sollen außerdem eine breitere Produktpalette anbieten und ein neuer Test soll gewährleisten, dass im besten Interesse des Kunden vermittelt wird.

Influencer-Regeln
Neue Regeln gibt es für die digitale Vermarktung, was insbesondere Influencer oder "Finfluencer" betrifft. Berater sollen in vollem Umfang für die Nutzung (und den Missbrauch) ihrer Marketing-Mitteilungen haftbar gemacht werden, "auch wenn diese über soziale Medien oder über Prominente oder andere Dritte, die dafür eine Vergütung oder Anreize erhalten, verbreitet werden", heißt es in der Aussendung.

Geplant ist außerdem, dass standardisierte Informationen für Anleger "aussagekräftiger" und an das digitale Zeitalter angepasst werden. Angestrebt ist auch mehr Transparenz und bessere Vergleichbarkeit der Kosten – hier wird ein "Standardformat" und eine einheitliche Terminologie vorgeschlagen. Dazu kommt, dass Anleger einen jährlichen "klaren" Überblick über die Anlageentwicklung des Portfolios erhalten sollen. Gleichzeitig sollen die nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden enger zusammenarbeiten und "leichter sicherstellen können, dass die Vorschriften in der gesamten EU ordnungsgemäß, wirksam und einheitlich angewandt werden".

Lockerungen
Gleichzeitig gibt es aber auch Lockerungen: Die Kriterien für die Anerkennung als professioneller Anleger sollen verhältnismäßiger gestaltet werden. Das erleichtert den Zugang zu Produkten und Dienstleistungen für erfahrene Kleinanleger.

Das vorgelegte Paket berücksichtigt den gesamten Investitionsprozess auf Verbraucherseite. Es besteht aus einer Änderungsrichtlinie, mit der die bestehenden Vorschriften für folgende Materien überarbeitet werden: Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II). Außerdem wird in einer Änderungsverordnung die Verordnung über Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) überarbeitet. (eml)


Weitere Hintergründe zur Kleinanlegerstrategie finden Sie auf der Website der EU-Kommission (externer Link). Der 123-Seiten-Gesetzentwurf in englischer Sprache steht hier als PDF-Dokument (externer Link) zum Download zur Verfügung.