Nach dem Erbrecht in Österreich steht Kindern zumindest der Pflichtteil zu, das sind zwei Sechstel der Verlassenschaft, oder drei Sechstel, wenn der Verstorbene keinen Ehepartner hat. Ob es sich um eheliche oder uneheliche Kinder handelt, spielt dabei keine Rolle. Es gilt eine Anspruchsfrist von drei Jahren. Doch was, wenn ein Kind von seiner Abstammung erst viel später erfährt? Darüber musste der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) urteilen und entschied: Die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs beginnt erst zu laufen, wenn die Vaterschaft des Erblassers festgestellt wurde, auch wenn seit dessen Tod bereits die Verjährungsfrist verstrichen wäre. Das teilt die deutsche Foris AG, die das Verfahren finanzierte, in einer Aussendung mit.

Klägerin war das außereheliche Kind eines im Jahr 2005 verstorbenen österreichischen Spitzenpolitikers. Sie erfuhr erst 2019 von ihrer Abstammung. 2020 wurde die Vaterschaft gerichtlich festgestellt. Damit tauchte die Frage auf, ob der Betroffenen ein Pflichtteil des Erbes zusteht. "Schließlich sind eheliche, uneheliche und außereheliche Kinder erbrechtlich seit vielen Jahren gleichgestellt", erklärt Christian Vaaßen, ein Anwalt bei Foris.

Erben sahen Verjährung
Die Erben wiesen den Anspruch mit dem Argument zurück, dass dieser verjährt sei. In Österreich gilt eine Frist von drei Jahren, die mit Anspruchsentstehung zu laufen beginnt – üblicherweise ist das der Tod des Erblassers. Die Frist gelte selbst dann, wenn uneheliche Kinder etwa aufgrund mangelnden Kontakts nichts vom Tod ihres Vaters erfahren, so Vaaßen.

Im abgeschlossenen Verfahren wusste die Klägerin nicht von ihrem biologischen Vater, zum anderen war sie rechtlich gesehen nicht die Tochter des verstorbenen Politikers, da die Vaterschaft weder bekannt noch anerkannt war. "Ein Anspruch kann kaum verjähren, bevor er überhaupt entstanden ist, was erst im Moment der Vaterschaftsfeststellung der Fall war", erläutert der Anwalt der Klägerin, Gerold Oberhumer. Da die Vaterschaft erst rund 15 Jahre nach dem Tod des Erblassers feststand, könne auch erst dann eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen, so Oberhumer. Der OGH, der sich dieser Meinung angeschlossen hat, habe damit seine bisherige Linie verlassen. (eml)