DIW-Chef: "Wir Deutschen legen unser Geld katastrophal schlecht an"
Wirtschaftsforscher Marcel Fratzscher erklärt im Interview mit FONDS professionell, welche Weichen die deutsche Politik stellen muss, was ausländische Unternehmen abschreckt – und auf welche Aktieninvestments er setzen würde.
Marcel Fratzscher ist einer der führenden Wirtschaftsforscher und Politikberater Deutschlands. Kaum ein anderer Ökonom ist so nahe an der Berliner Politik, und das gilt auch räumlich. Denn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Fratzscher leitet, sind es nur ein paar Minuten ins Regierungsviertel. Allerdings liegen seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen teils deutlich weiter von denen der Regierung entfernt.
Der Reformdruck muss erst noch größer werden
Das wird im Gespräch rasch klar: Im Koalitionsvertrag hätten die Regierungsparteien 80 Prozent der Probleme noch nicht einmal benannt, so Fratzscher. Er glaubt, dass die Krise erst noch tiefer werden muss, bevor die Politik echte Reformen umsetzt. Der Reformmangel liege aber nicht allein an der Politik: "Wir haben als Gesellschaft noch nicht verstanden, dass wir wirklich große, drastische Veränderungen brauchen", sagt Fratzscher. "Viele glauben, dass wir uns irgendwie durchwursteln können mit der ein oder anderen Maßnahme: Ein bisschen Energiesubvention hier, ein bisschen Bürokratieabbau dort, dann klappt das schon." Das sei aber eine Illusion.
Die heutige Situation erinnert ihn an die späten 1990er Jahre, als für Deutschland der Begriff vom "kranken Mann Europas" geprägt wurde. Auch damals habe es noch Jahre gedauert, bis die "Agenda 2010" kam und noch länger, bis erste Erfolge sichtbar wurden. Der DIW-Chef ist zwar optimistisch, dass auch diesmal die Wende gelingt, aber vor Deutschland liegt seiner Meinung nach kein kurzer Spaziergang, sondern eher ein langer, steiniger Weg.
"Frühstart-Rente" könnte Impulse geben
Als "reine Klientelpolitik in einer alternden Demokratie" bezeichnet Fratzscher das Festhalten der Regierung an Rentenniveau und Renteneintrittsalter bis 2031. Die "Frühstart-Rente" sei ein schönes Zeichen, aber letztlich Symbolpolitik. "Vielleicht gibt es dem einen oder anderen einen Anstoß, darüber nachzudenken, wie er sein Geld anlegt", so Fratzscher.
Denn sein Urteil über die deutsche Investmentkultur fällt schlecht aus: "Wir Deutschen legen unser Geld schlecht an. Wir sparen als Gesellschaft viel, aber schlecht und ungleich." Viele Menschen würden einfach Geld auf der Straße liegen lassen, da sie auf dem Sparbuch fast ohne Zinsen sparen. "Wir haben viele, die nicht sparen können. Und von denen, die sparen, erzielen viele eine schlechte Rendite", sagt Fratzscher. (jh)















