Der für das Projekt Digitaler Euro zuständige EU-Abgeordnete Fernando Navarrete schlägt vor, eine vollwertige Online-Version der digitalen Zentralbankwährung nur dann zu starten, wenn der Privatsektor keine gemeinsame europäische Zahlungslösung entwickelt. Das geht aus seinem Berichtsentwurf hervor, der Grundlage für weitere Beratungen im Europäischen Parlament werden soll.

Demnach soll die Einführung des Online-Euro vom Fehlen einer europaweiten Privatkundenlösung abhängig gemacht werden – ein deutlicher Unterschied zur Position der Europäischen Zentralbank (EZB), die seit Langem für eine öffentliche digitale Zahlungsoption wirbt.

Rechtsrahmen noch in Arbeit
Das Projekt hängt von der Gesetzgebung in Brüssel ab. Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2023 arbeiten sowohl Parlament als auch Mitgliedstaaten an eigenen Regelwerken. Navarrete, Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), will nun versuchen, Unterstützung für seine Linie zu gewinnen. Eine Abstimmung im Plenum könnte Mitte 2026 erfolgen.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "Bloomberg" räumte Navarrete ein, dass er nicht sicher sei, ob er eine Mehrheit für seinen Vorschlag erhalte. "Ich habe Unterstützung von einigen, andere sind skeptischer", sagte er. Änderungsanträgen anderer Fraktionen stehe er offen gegenüber.

Kritik und Skepsis
Einige Beobachter interpretieren Navarretes Ansatz als Versuch, das Projekt zu bremsen. Er selbst bezeichnet sich als "agnostisch" gegenüber dem Ausgang. Andere Fraktionen im Parlament zeigen sich offener, die Gesetzgebung stärker an die Vorstellungen der EZB anzulehnen.

Die EZB kündigte in dieser Woche an, 2027 eine Pilotphase für den Digitalen Euro starten zu können. Nach Navarretes Vorschlag müsste die EU-Kommission zuvor durch einen Markttest bestätigen, dass die Voraussetzungen für eine Online-Version erfüllt sind. Eine Offline-Variante, etwa über Gerät-zu-Gerät-Zahlungen, könnte früher eingeführt werden. Diese sichere Bürgern das Recht, unter allen Umständen Zentralbankgeld zu halten, heißt es im Bericht.

EZB bleibt bei ihrer Linie
In einer Stellungnahme erklärte die EZB, Navarretes Bericht sei ein "notwendiger erster Schritt", um dem Parlament eine Positionsfindung zu ermöglichen. Damit komme er auch dem Aufruf der Staats- und Regierungschefs des Euroraums nach, die gesetzgeberische Arbeit zu beschleunigen.

Die endgültige Linie werde durch die laufende Debatte bestimmt, hieß es weiter. Die EZB sei bereit, technische Unterstützung bei der weiteren Ausarbeitung zu leisten.

Souveränität und Wettbewerb
Die Diskussion um den Digitalen Euro hat angesichts der US-Pläne für Stablecoins und Europas Streben nach wirtschaftlicher Souveränität an Dynamik gewonnen. Befürworter sehen darin eine Möglichkeit, europäische Alternativen zu Visa oder Mastercard zu schaffen.

Zentraler Streitpunkt bleibt die Frage, ob öffentliche oder private Akteure die bessere Lösung für einen europaweiten Zahlungsverkehr bieten können. Nach Einschätzung der EZB hat keine private Initiative bisher die bestehende Fragmentierung überwunden.

EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone sagte im September: "Wir können uns keine Situation leisten, in der wir nach 25 Jahren gemeinsamer Währung immer noch kein Zahlungsmittel haben, mit dem man überall in Europa bezahlen kann."

Anreiz für private Lösungen
Navarrete sieht in der öffentlichen Debatte um den Digitalen Euro zugleich einen Anreiz für private Anbieter, eigene Lösungen zu entwickeln. Strittig bleibt, wie viel digitales Geld Bürger künftig halten dürfen. Banken warnen, zu hohe Limits könnten zu Abflüssen und Risiken für die Finanzstabilität führen.

Navarrete sagte, diese Grenzen müssten so gesetzt werden, dass Abflüsse national wie europaweit verkraftbar blieben. Die konkreten Werte sollen später von Kommission und EZB festgelegt werden.

Offline-Start als Kompromiss
Navarrete betonte, er teile das Ziel, Europas strategische Autonomie im Zahlungsverkehr zu stärken. Da sich seither auch private Initiativen weiterentwickelt hätten, könne ein Start mit einer Offline-Version ein ausgewogener Kompromiss sein – ohne Risiken für die Finanzstabilität und mit genügend Zeit, um private Interoperabilitätslösungen aufzubauen. (mb/Bloomberg)