"Die Idee wäre, dass es echte Mehrfachagenten nicht mehr gibt"
Österreich muss nicht auf die EU warten mit Neuerungen bei Provisionen und Vertriebsstrukturen in der Finanzvermittlung, sagt Universitätsprofessor Stefan Perner. Mit der Redaktion sprach Perner, der jüngst zum Verfassungsrichter nominiert wurde, auch über das umstrittene OGH-Kreditgebührenurteil.
Eine gesetzliche Neuordnung der gewerblichen Versicherungsvermittlergruppen in Österreich schlägt der Finanzrechtsexperte Stefan Perner, Vorstand des Departments für Privatrecht an der WU-Wien, vor. "Die Idee wäre, dass es echte Mehrfachagenten nicht mehr gibt. Der Kunde weiß dann, er hat entweder einen Agenten vor sich, der für einen Versicherer auftritt, oder einen Vermittler, der mehrere Versicherer miteinander vergleicht", sagte Perner in einem Interview, das in voller Länge in der neuen Ausgabe von FONDS professionell zu lesen ist.
Auf der einen Seite würde es in diesem Modell ausschließlich Einfachagenturen geben, die ihren Kunden nur die Produkte eines einzelnen Versicherers vermitteln; auf der anderen Seite befinden sich die ungebundenen Makler – sie haben keinen Vermittlungsvertrag mit einem Versicherer und empfehlen den Kunden Produkte nach einem breiten Marktvergleich.
Spannungsfeld
Mehrfachagenturen, die Verträge mit mindestens zwei Versicherungen haben, rufen in diesem Gefüge Bedenken hervor. Für Kunden ist es aufgrund des (zumindest dualen Versicherungenangebots) nicht leicht, die Unterschiede zu den Maklern zu erkennen. Letztere müssen ihren Kunden einen großflächigen Produktauswahlprozess aus dem Gesamtmarkt bieten.
"Ein Mehrfachagent ist verpflichtet, für jede seiner Versicherungen zu vertreiben. Da ist die Frage, ob er die Interessen der Kunden immer wahren kann. Für dieses Spannungsfeld kann der Agent nichts, der rechtliche Rahmen ist einfach so", sagt Perner, der unlängst von der neuen Regierung als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs nominiert wurde. Das Interview fand noch vor der Nominierung statt.
EU-Ziele vorwegnehmen
Auf Provisionszahlungen der Versicherungen müssten die ungebundenen Makler nicht verzichten. Allerdings sollte die Bezeichnung "unabhängig" nur jenen vorbehalten sein, die solche Zuwendungen vom Versicherer nicht erhalten; die also ihre Leistung per Honorar vom Kunden vergütet bekommen.
Ähnlich sehen auch die Pläne von EU-Kommission, Rat und Parlament im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, RIS) aus: Für Makler, die sich als "unabhängig" bezeichnen, sieht der RIS-Vorschlag ein Provisionsverbot bei Versicherungsanlageprodukten vor.
Es wäre "klug", wenn das nationale Recht ganz allgemein (nicht nur produktabhängig) diese Differenzierung zwischen den unabhängigen und den sonstigen Vermittlergruppen stärker betonen würde, so Perner: "Denn wenn ich mich als unabhängig bezeichne, nehme ich ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Mein Kunde geht dann davon aus, dass ich eigentlich mit keinem Versicherer eine besondere Vereinbarung oder Provisionsregelung habe."
Vorbild Kreditmakler
Bei den Kreditmaklern unterscheidet in Österreich die Gewerbeordnung (GewO) bereits zwischen unabhängig und ungebunden. "Warum soll nicht der Versicherungsmakler nach einem ähnlichen Konzept verfahren? Das ist etwas, was man dem nationalen Gesetzgeber empfehlen kann, weil sich dahin die europäische Regelung entwickelt", sagt der Finanzrechtler.
In der Vergangenheit haben die Makler in Österreich oft als Unterscheidung zu den Agenten ihre "Unabhängigkeit" betont. Man vermeidet dies aber nach Veröffentlichung der RIS. Im Code of Conduct oder in den Verhaltensregeln der österreichischen Makler kommt die Unabhängigkeit begrifflich indes noch vor. Eine Regelung scheint mit Blick auf die seit Jahren laufenden EU-Transparenz-Bemühungen unumgänglich.
RIS in der Warteschleife
Wie es mit der RIS weitergeht, steht momentan in den Sternen. Sie befindet sich in den EU-Trilogverhandlungen, die allerdings gleich nach dem Auftakt im März ausgesetzt wurden. Grund sind Vereinfachungswünsche der Staaten, über die man sich bis jetzt nicht einigen konnte.
In dem Interview spricht Perner außerdem über das vieldiskutierte Kreditgebührenurteil, mit dem der Oberste Gerichtshof (OGH) Anfang des Jahres für Diskussionen sorgte. Gekippt wurde zum Beispiel ein 1,5-prozentiges Bearbeitungsentgelt in einem Vertrag der Bawag.
Überraschung über OGH-Entscheidung
Er sei – wie viele Beobachter – von der OGH-Entscheidung überrascht gewesen, erklärte Perner. Denn eine fast zehn Jahre alte Rechtsprechung des OGH hatte Kreditbearbeitungsgebühren nicht nur inhaltlich als unproblematisch klassifiziert. Das Gericht sagte damals auch, dass es nur Nebenleistungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kontrolliert, wogegen Hauptleistungen wie Entgelt oder die Ware dieser Kontrolle nicht unterliegen, so Perner. Das Urteil werfe mehrere hinterfragbare Konsequenzen auf – nachzulesen im Interview. (eml)
Das Interview ist in voller Länge in der neuen Ausgabe von FONDS professionell 2/2025 oder nach Anmeldung hier im E-Magazin zu lesen. Darin geht Perner unter anderem auf die Frage der Zulässigkeit einer gleichzeitigen Honorar- und Provisionsberatung ein.