Die Anlegergruppe "Association Collectif Porteurs H2O" will Anfang kommenden Jahres vor Gericht ziehen. Dies kündigten Gérard Maurin, Vorsitzender der Vereinigung, sowie Edouard Fremault, Strategiechef des Prozessfinanzierers Deminor, im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE an. "Die Absicht der Anlegergruppe war es zu Beginn, mehr Klarheit über die Vorgänge und die Hintergründe des Side-Pocketing der Fonds zu schaffen", erläutert Fremault. "Inzwischen geht es auch darum, die erlittenen Einbußen der Fondsanleger zu entschädigen." In der Gruppe haben sich mehr als 2.100 private und professionelle Anleger zusammengeschlossen. Das Verfahren wird von Deminor unterstützt.

Einige Fonds der von Bruno Crastes und Vincent Chailley gegründeten Investmentboutique H2O waren im Sommer 2020 zeitweilig eingefroren worden. Die Portfolios wurden in sogenannte Seitentaschen (Side-Pockets) mit illiquiden Wertpapieren sowie in liquide Teile getrennt. Letztere wurden geöffnet, während die Seitentaschen geschlossen blieben und aufgelöst werden sollen. Hintergrund ist das massive Investment in illiquide Papiere, die dem Umfeld der Investmentgesellschaft Tennor des schillernden deutschen Finanziers Lars Windhorst zuzurechnen sind.

Hohe Schulden
Die Auflösung der Seitentaschen zieht sich jedoch hin. Windhorst hatte im August 2022 gegenüber der "Financial Times" angekündigt, "in den nächsten Wochen nicht weniger als 550 Millionen Euro" an die H2O-Portfolios auszuzahlen. Passiert ist das offensichtlich nicht, jedenfalls wurde bislang nichts über mögliche Zahlungen bekannt. Die Tennor-Gruppe schuldet den H2O-Seitentaschen mehr als eine Milliarde Euro. Die Anlegergruppe spricht von ursprünglich weit über zwei Milliarden Euro Volumen. Der Wert der Verbindlichkeiten ist bereits mehrfach reduziert worden. Zwischenzeitlich nahmen Aufsichtsbehörden in Frankreich, Großbritannien und Deutschland Ermittlungen auf.

Die französische Finanzaufsicht Autorité des Marchés Financiers (AMF) forderte jüngst ein Berufsverbot gegen Crastes, eine Rekordbuße in Höhe von 75 Millionen Euro gegen das Haus sowie Zahlungen von 15 Millionen Euro von Crastes und drei Millionen von Chailley. Ein Gremium entscheidet in den kommenden Wochen, ob und in welcher Höhe Bußen verhängt werden sollen. "Die von der AMF beantragte Strafe wäre die höchste, die jemals in Frankreich verhängt wurde", erläutert Deminor-Mann Fremault. Die Anlegergruppe sieht sich dadurch bestärkt. "Beim H2O-Fall bekommen wir Rückenwind von der Aufsicht", sagt Fremault. "In vielen anderen Verfahren können wir uns nicht darauf stützen."

Drei Fehler
"Die AMF hat sehr deutlich gemacht, dass sie drei Fehler sieht", ergänzt Maurin. "Erstens war es den Fonds nicht erlaubt, so stark in illiquide Anleihen ohne Rating zu investieren. Zweitens hätte der AMF zufolge H2O nicht die Buy-and-sell-back-Vereinbarung eingehen dürfen", zählt Maurin ein weiteres Argument der Aufseher auf. Windhorsts Tennor Holding hatte zeitweilig versucht, über eine Rückkaufvereinbarung die Verbindlichkeiten von H2O-Fonds zurückzunehmen. Der Prozess scheiterte jedoch. "Drittens überschritt H2O Investitionsgrenzen." So dürfen UCITS-Fonds etwa nur bis zu einer Maximalschwelle in Papiere eines Emittenten investiert sein.

H2O wiederum bestreitet vehement die ersten zwei der drei Vorwürfe der AMF. Dabei handele es sich im Grunde "um technische Angelegenheiten", wie das Haus auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE mitteilte. Die Gesellschaft betonte, "dass es keinerlei Betrug oder absichtliche Fehler" seitens des Unternehmens und seiner beiden Mitgründer Crastes und Chailley gegeben habe und die Behörde dies ihnen auch nicht vorwerfe. Lediglich die zeitweilige Überschreitung von Investitionsgrenzen räumte das Haus ein. Mittlerweile habe sich die Gesellschaft dazu entschlossen, nicht mehr in solche Anleihen zu investieren.

Das Ausmaß der geforderten Strafen sei allerdings "unfair und unverhältnismäßig", so der Asset Manager. Gleichwohl habe das Haus Rückstellungen für die Maximalforderungen gebildet. Eine mögliche Strafe werde daher keinen Einfluss auf die Fortführung der Geschäfte von H2O haben. "Dieses Verfahren steht in keinem Zusammenhang mit der Liquidation der Side-Pockets und berührt nicht unsere volle Verpflichtung, diese so schnell wie möglich und im besten Interesse unserer Anteilsinhaber zurückzuzahlen", teilte H2O zudem mit.

Gutachter sichtet Unterlagen
"Den Fonds war es gar nicht erst gestattet, in diesem Ausmaß in illiquide Anleihen wie die von Windhorst zu investieren", betont dagegen Fremault von Deminor im Gespräch mit FONDS professionell. In einem Vorverfahren hatte die Anlegergruppe bereits einen Erfolg errungen. "Die Vereinigung erwirkte vor Gericht, dass ein Gutachter alle Dokumente und Unterlagen bei H2O rund um die Windhorst-Investments und das Side-Pocketing der Fonds einsehen und Antworten von H2O einfordern kann." Die Unterlagen, Berichte oder E-Mails würden aber vertraulich behandelt. "Der vom Gericht bestellte Gutachter wird voraussichtlich Anfang Januar sein Gutachten vorlegen."

Danach wolle die Anlegergruppe vor Gericht ziehen, ergänzt Fremault. Dem Verfahren haben sich neben Anlegern aus Frankreich auch Betroffene aus anderen Ländern wie Deutschland oder Italien angeschlossen. Bis zum 15. Januar können H2O-Kunden, deren Geld in sogenannten Side-Pockets der Investmentgesellschaft gefangen ist, noch der Vereinigung beitreten und sich dem Gerichtsprozess anschließen.

"Über viele Jahre hinziehen"
Betroffene sollten dies dringend erwägen, mahnt Maurin von der Vereinigung. Zwar müssten Fonds alle Anteilseigner gleich behandeln und gegebenenfalls Entschädigungen auszahlen, egal ob die Anleger geklagt haben oder nicht. "Doch falls ein Richter nicht nur die Fonds, sondern das Unternehmen H2O oder andere Akteure wie die Verwahrstelle oder den Wirtschaftsprüfer zu Zahlungen verurteilen sollte, erhalten die Fondsanleger, die sich nicht der Klage angeschlossen haben, davon nichts", erläutert Maurin.

"Wir prüfen auch die Rolle der Verwahrstelle, ob sie ausreichend die Einhaltung der Prospekt-Anlagerichtlinien und UCITS-Vorschriften kontrolliert hat", ergänzt Fremault. Auch gegen die französische Bank Natixis, zu der H2O lange Zeit mehrheitlich gehörte, kämen Schritte in Frage. Das Institut hatte die Investments der Boutique stets verteidigt. Später teilte die Bank mit, das Risikomangement und die Compliance-Überwachung zu verbessern. Das Geldhaus respektive dessen Mutterkonzern BPCE kündigten Ende 2020 dann an, die Beteiligung an dem Asset Manager zu verkaufen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. "Wir sind optimistisch, dass wir gegen H2O gewinnen werden", zeigt sich Fremault überzeugt. "Aber der Prozess wird sich über viele Jahre hinziehen. Wie viel Geld die Anleger zurückerhalten, lässt sich nicht abschätzen." (ert)