Banken und Kreditnehmer beurteilten die gesetzlichen Corona-Kreditstundungen unterschiedlich. Nun hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zugunsten der Konsumenten entschieden. In der Folge könnten österreichische Banken mit einer Rückzahlung von Zinsen in Höhe von rund 100 Millionen Euro konfrontiert sein. Diesen Richtwert nennt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Angaben, die die Banken im Verfahren gemacht hatten.

Nach Ausbruch der Corona-Pandemie führte der Gesetzgeber eine Regelung ein, wonach Verbraucher, die in Not und dadurch in Kreditrückzahlungsschwierigkeiten geraten waren, bei der Bank verpflichtend eine Stundung erhalten mussten. Dieses Moratorium erstreckte sich über zehn Monate. Das Gesetz besagte jedoch nicht genau, ob in diesem gesetzlichen Stundungszeitraum die vertraglichen Sollzinsen verrechnet werden dürfen. Hier entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) bereits Anfang 2022 zugunsten der Konsumenten: Sofern Bank und Kreditnehmer keine anders lautende Regelung vereinbart haben, fallen für den zehnmonatigen Stundungszeitraum keine Zinsen an.

Zwei Banken zahlten zurück
Nach diesem Urteil verpflichteten sich jedoch nur zwei Banken, die Santander Consumer Bank und die Bank99, verrechnete Zinsen zurückzuerstatten. Mehr als 400 weitere Banken schlossen sich hingegen einem Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH an. Dieser wies schlussendlich am 30.12.2022 die Beschwerde der Kreditinstitute ab. Beim VKI fordert man nun die Banken auf, die einbehaltenen Sollzinsen zurückzuerstatten.

Unter anderem bekräftigen die VfGH-Richter, dass die Regelung angesichts der außerordentlichen Umstände im öffentlichen Interesse lag. Sie betonen insbesondere, dass die Europäische Zentralbank (EZB) während der Pandemie zahlreiche für die Banken vorteilhafte Maßnahmen gesetzt hat. "Vor dem Hintergrund aller dieser Maßnahmen der EZB, insbesondere der äußerst günstigen Refinanzierungskonditionen, welche (auch) den antragstellenden Parteien zugute kamen (…), ist es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung (…) anordnet, dass Kosten, die im Interesse der Allgemeinheit zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie für Verbraucher und Kleinstunternehmen entstehen (…), von Kreditinstituten zu tragen sind", heißt es in den VfGH-Ausführungen.

Gleichheitssatz und Eigentumsrechte
Die Kreditinstitute hatten beim VfGH die Regelung aufgrund mehrerer Details kritisiert. Sie sahen zum Beispiel einen Eingriff in ihr Eigentum und eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Dabei zogen die Kreditinstitute den Vergleich mit den Vermietern heran, die sämtliche Monatsentgelte nachbezahlt bekommen hätten, während die Banken zehn Monatsentgelte (die Sollzinsen für diesen Zeitraum) verlieren.

Der VfGH ließ den Vergleich zwischen Krediten und Mieten nicht zu. Die Richter verweisen im Text auf zentrale Unterschiede, etwa dem deutlich geringeren Überschuldungsrisiko im Mietbereich, oder dass hier der Zinseszinseffekt im Gegensatz zu den Krediten keine Rolle spielt und darauf, dass generell komplett verschiedene Verzinsungsbedingungen herrschen. Gestundete Zinsen wären etwa vom gesamten noch aushaftenden Betrag zu errechnen und dieser würde sich dadurch auch im Laufe des Stundungszeitraums erhöhen. Durch die fortlaufende Verzinsung offener Forderungen könnte nach Ende des Stundungszeitraums mitunter eine lawinenartige Erhöhung der Verbindlichkeiten drohen, so die Richter. "Würden während des gesamten Stundungszeitraums Zinsen anfallen, so wäre dieses Risiko deutlich verschärft. Dieser Effekt soll dadurch verhindert werden, dass während des Stundungszeitraums keine Zinsen anfallen, sodass sich der aushaftende Betrag nach dem Ende dieses Zeitraums nicht erhöht hat", schreiben die VfGH-Richter.

Die Banken hatten auch moniert, dass die gesetzliche Regelung nur für Kunden gilt, die keine gesonderte Einigung über die Rückzahlung mit der Bank getroffen hatten. Demgegenüber würden "kooperative" Kunden, die sich selbst aktiv um einen Rückzahlungsmodus bemüht hatten, benachteiligt. Dies ließen die Richter nicht gelten: Es könnten schließlich alle Kreditnehmer die gesetzliche Regelung in Anspruch nehmen. (eml)