Aus für österreichische "Zwischenbankbefreiung" – es wird teuer
Österreich kippt einen fast 30 Jahre alten Umsatzsteuervorteil. Dadurch droht großen Finanzunternehmen ab 2025 eine jährliche Mehrbelastung von mindestens 100 Millionen Euro. Zusätzlich könnte die EU Rückzahlungen in Milliardenhöhe verlangen. Auch die Fondsindustrie ist betroffen.
Seit 1995 gilt in Österreich die sogenannte Zwischenbankbefreiung: Finanzunternehmen wie Banken, Versicherungen oder Pensionskassen dürfen für Services untereinander etwa im IT-Bereich oder beim Personal die Rechnung ohne Umsatzsteuer ausstellen. Bedingung ist, dass es dabei um Dienstleistungen geht, die man unmittelbar für steuerfreies Geschäft braucht – was meistens der Fall ist, denn Finanzangelegenheiten wie Geldgeschäfte, Kredite oder Wertpapierumsätze sind mehrwertsteuerfrei. Ein Beispiel: Eine Bank stellt anderen Instituten IT-Dienstleistungen zur Verfügung. Kommt die Technik unmittelbar im steuerfreien Geschäft zum Einsatz, fallen gemäß Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG) keine Umsatzsteuern an.
Drittanbietern ist diese Begünstigung von Banken aus dem Wettbewerbsgedanken heraus ein Dorn im Auge. Würde zum Beispiel ein Softwareunternehmen dieselbe Leistung anbieten, müsste es dafür 20 Prozent Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Auch die Vorteile für das Institut, das solche Leistungen zukauft, werden von Juristen hinterfragt: Die Mehrwertsteuerregeln sehen vor, dass Banken oder Versicherungen zwar weitgehend mehrwertsteuerfreie Geschäfte machen können, sie dürfen sich dafür aber umgekehrt für Dienstleistungen, die sie selbst kaufen (im Unterschied zu anderen Unternehmen), keine Vorsteuer abziehen. Sie müssten also einem externen Anbieter mehr zahlen, als sie es heute einer anderen Bank müssen.
100 Millionen Euro – laut Banken eine "zurückhaltende Schätzung"
EU-Rechts-konform dürfte das Ganze nicht sein. Wovon auch der österreichische Gesetzgeber ausgeht. Bereits seit Jahren wird im Hintergrund an einer Gesetzesnovellierung gearbeitet (die Redaktion berichtete). Dass die Regelung nun mit dem Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG) 2024 ab Jänner 2025 gekippt wird, freut Bund und Regionen, bereitet aber umgekehrt den betroffenen Unternehmen Sorgen. Die Regierung kalkuliert auf Basis einer Schätzung der Wirtschaftskammer (WKO), dass die Abschaffung der Zwischenbankbefreiung dem Haushalt 100 Millionen Euro pro Jahr bringt, wovon den Ländern knapp 22 Millionen Euro zufließen, den Gemeinden gut elf Millionen Euro.
Die 100 Millionen Euro seien "eine sehr zurückhaltende Schätzung und jedenfalls die Untergrenze", wie Franz Rudorfer, Geschäftsführer der WKO-Bundessparte Bank und Versicherung, betont. Er bedauert, dass es trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen ist, die Mehrwertsteuerregelungen für Finanzdienstleistungen in einem größeren Rahmen auf EU-Ebene zu überarbeiten. Dies ist aus Rudorfers Sicht wegen der wachsenden Fintech-Konkurrenz nötig. Die vorsteuerabzugberechtigten Tech-Dienstleister seien in der Regel weniger durch Mehrwertsteuerthemen belastet.
Rudorfer will, dass der "Gestaltungsspielraum der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie" besser genutzt wird, um die "Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Finanzplatzes zu stärken". Welchen Spielraum er genau mit wem verhandeln will, sagt er nicht. Man sei "am Anfang eines Austausches mit den zuständigen Stellen".
Fondsgesellschaften betroffen
Bei der VÖIG (Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften) gibt es zu der Thematik der Zwischenbankbefreiung keine Auskunft. Klar ist aber, dass auch diese Branche mit Mehrbelastungen rechnen muss. Zum Beispiel geht es um die Kosten zwischen Depotbank und Kapitalanlagegesellschaft (KAG). KPMG-Partner Andreas Helnwein verweist auf die nun anfallende Umsatzsteuer bei gleichzeitig nicht abzugsfähiger Vorsteuer, "die zum Kostenfaktor wird", wie Helnwein betont. "Das betrifft zum Beispiel Leistungen zwischen der Depotbank und der KAG. In diesem Fall sollten betroffene Unternehmen daher mögliche Maßnahmen prüfen, die diesen Vorsteuerschaden vermeiden", so Helnwein. Eine dieser Maßnahmen wäre die Gründung von Umsatzsteuerorganschaften, die man nun am Finanzsektor öfter sehen dürfte.
Dass die Umsatzsteuerbefreiung per 2025 abgeschafft wird, ist nur ein Aspekt. Kostspielig könnte eine damit verbundene Fragestellung enden, die das österreichische Bundesfinanzgericht am 7. Juli 2024 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht hat. Der EuGH muss darüber entscheiden, ob die seit 1995 geltende Zwischenbankbefreiung eine verbotene Beihilfe ist. Erkennt das Gericht eine unerlaubte Subvention, müsste die Republik Österreich von den Unternehmen die zu Unrecht nicht eingehobene Umsatzsteuer für die vergangenen zehn Jahre samt Zinsen zurückfordern. Auf Basis der laut WKO tief angelegten Schätzung von 100 Millionen Euro im Jahr dürfte bei einem Rückforderungszeitraum von einer Dekade samt Zinsen ein Milliardenbetrag anfallen.
Unternehmen bilden Rücklagen
Aus den jüngsten Finanzberichten der Konzerne ist die Thematik schon herauszulesen. Die Vienna Insurance Group (VIG) verweist im Halbjahresbericht ausdrücklich auf die Belastungen durch das Ende der Zwischenbankbefreiung. Kämpferisch gibt sich die RBI, die im Halbjahresbericht schreibt, dass sie gegen eine nachteilige EuGH-Entscheidung rechtlich vorgehen würde. Die Erste Group wiederum hat bereits Rückstellungen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer-Zwischenbankbefreiung in Höhe von 90 Millionen Euro gebildet.
Nicht von der Neuregelung betroffen sein dürfte der gewerbliche Finanzvertrieb – etwa Versicherungsmakler oder Vermögensberater und Wertpapierfirmen, deren Umsätze nicht auf Basis der nun entfallenen Passage im UStG erzielt würden, wie die jeweiligen Fachverbände auf eine Nachfrage zurückmelden. Im konkreten Fall müsse jedoch ein Rechtsvertreter konsultiert werden.
Die Novellierung
In der Novellierung durch das AbgÄG wird der letzte Satz von § 6 Abs. 1 Z. 28 des Umsatzsteuergesetzes 1994 gestrichen. In diesem steht die USt-Befreiung für "sonstige Leistungen, die zwischen Unternehmern erbracht werden, die überwiegend Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätze ausführen, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der genannten steuerfreien Umsätze verwendet werden, und für die Personalgestellung dieser Unternehmer an die im ersten Satz genannten Zusammenschlüsse".
Der hier angesprochene "erste Satz" im § 6 Abs. 1 Z. 28 UStG betrifft die "Zusammenschlussbefreiung": Wenn Unternehmen (mit überwiegend steuerfreien Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätzen) gemeinsam eine Gesellschaft gründen, kann diese die Leistungen den Mitgliedern weiterhin steuerfrei zur Verfügung stellen. Diese Zusammenschlussbefreiung hat "eine Grundlage in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie", wie KPMG-Experte Helnwein sagt. Die Regeln, wann ein Zusammenschluss konkret steuerbefreit ist, sind komplex und waren in der Vergangenheit mehrfach Teil von EuGH-Entscheidungen. Unter dem Strich bleibt, dass aufgrund der Neuregelung in Österreich die Gründung eigener Gesellschaften im Finanzbereich mehr Bedeutung gewinnen wird. (eml)