Den "Steelcoin" gibt es bereits seit zwei Jahren. Es handelt sich dabei um ein Wertpapier auf der Ethereum-Blockchain, das einen Anspruch auf physische Stahlprodukte oder deren Geldgegenwert einräumt. Nun sollen auch Kleinanleger angesprochen werden. Diesen ist jedoch zu raten, die Risiken vorab genau zu durchdenken.

Am Donnerstag listete die Wiener Kryptoplattform Bitpanda den Steelcoin in ihrem Handelssystem; begleitet von großem Marketing-Getöse. Formal ist der Steelcoin ein sogenannter Security Token, also ein digitaler Anteil, der klassische Finanzwerte wie Aktien, Anleihen oder eben Rohstoffe auf der Blockchain verbrieft. Laut Bitpanda ist es der erste Security Token, der auf einer europäischen Publikumsplattform gehandelt wird – anlässlich dieser Premiere war beim Launch jede Menge Prominenz anwesend. Von Wirtschaftsminister Martin Kocher über Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) bis hin zu den Bitpanda-Sporttestimonials wie Tennis-Ass Dominic Thiem oder der deutsche Ex-Fußballtorwart Oliver Kahn.

Blockchainhandel
Der Vorteil des Handels über die Blockchain: Es gibt keine Börsenschlusszeiten und man kann auf diese Weise Kleinanteile an Vermögenswerten erwerben, die ansonsten im Stück nur schwer erschwinglich sind. Ein derartiges Bruchteilseigentum kann etwa bei Immobilien nützlich sein oder bei Rohstoffen, die üblicherweise in Tonnen-Ausmaßen gehandelt werden. Der Steelcoin ist ein reguliertes, übertragbares Wertpapier gemäß der EU-Prospektverordnung. In Zukunft sollen weitere Security Token auf der Bitpanda-Plattform dazukommen, wie es dort heißt. Doch ob diese Produkte für Anleger Sinn machen, wird sehr stark von der Ausgestaltung im Einzelfall abhängen. Das zeigt ein Blick auf die Steelcoin-Bedingungen. 

Kreiert wurde der Steelcoin vom Wiener Stahlgroßhändler Frankstahl, hinter dem der Unternehmer Marcel Javor steht. Der Frankstahl Rohr- und Stahlhandelsgesellschaft m.b.H. gehören 100 Prozent an der SC Steelcoin GmbH, die letztendlich den Token emittiert. Anleger tragen also das Emittentenrisiko der SC Steelcoin – gerät sie in Probleme, sind es die bei ihr vorhandenen Vermögenswerte, die zählen. Bei Insolvenz stehen den Anlegern nur die allgemeinen Gläubigerrechte zu. Die Emittentin ist zum Beispiel nicht verpflichtet, ihre Lieferversprechen gegenüber den Anlegern irgendwie speziell abzusichern. Im Prospekt heißt es etwa nur, dass SC "beabsichtigt" langfristige Beschaffungsverträge für Stahl abzuschließen, um die physische Option zu erfüllen. Auch bei der Option auf Barabfindung besteht keine Garantie. Gerät die Emittentin in Liquiditätsprobleme, müsste man als Anleger seine Ansprüche allenfalls in einem Insolvenzverfahren durchsetzen.  

Wichtig auch zu wissen: Die Token-Emittentin SC Steelcoin wird nicht von der Finanzmarktaufsicht (FMA) beaufsichtigt. Aufsichtsbehörde ist das Bezirksamt für den zweiten bzw. 20. Wiener Gemeindebezirk. FMA-gebilligt ist allein das Kapitalmarktprospekt (auf seine formale Rechtmäßigkeit hin).

Achtung vor vertraglich fixierter Entwertung
Für Kleinanleger, die idealerweise in langfristige Marktentwicklungen investieren, stellt sich insgesamt die Frage, ob der Token für sie überhaupt sinnvoll ist. Es existiert nämlich ein integriertes Gewichtsreduktionsmodell, das dafür sorgt, dass der Steelcoin laufend an Wert verliert. Ein Token hatte am 1.1.2023 einen Eintauschwert von 1.814,39 Kilogramm Stahl. Seitdem nimmt das Gewicht jährlich um drei Prozent pro Jahr ab. Das Unternehmen betont, es sichere sich damit gegen "Risiken und Kosten" ab. So werde "sichergestellt, dass Steelcoins auch noch in über 100 Jahren jederzeit eingelöst werden können". Allerdings bekäme man bei dieser Degression nach 100 Jahren fast kein Stahl mehr für einen Coin – nach Berechnung der Redaktion wären es nur mehr rund 86 Kilogramm. Bereits nach zehn Jahren ist der Eintauschwert eines Steelcoin fast um eine halbe Tonne Stahl gesunken. Wenn die Stahlpreisentwicklung nicht hoch genug ist, um diese Gewichtsreduktion auszugleichen, sitzt man automatisch auf einem Verlust.

Demnach wäre ein extrem optimistisches Szenario nötig, um gute Gewinne zu erzielen, was vielleicht in den Coronajahren möglich gewesen wäre. Die Stahlpreisentwicklung zeigte sich in der Vergangenheit äußerst volatil. Mitte 2012 kostete etwa eine Tonne heiß gewalzten Stahls im New Yorker Handel um die 600/700 US-Dollar. 2021 lief der Preis abrupt auf fast 2.000 Dollar auf, ausgelöst durch die Verknappung rund um die Corona-Pandemie. Seitdem gibt es aber einen enormen Abschwung mit Preisen von aktuell nur noch um die 700 Dollar. Wer in den Stahlpreis investiert, muss sich mit den Marktdynamiken auskennen, die nicht nur von Angebot und Nachfrage, sondern stark auch von nationalen Subventionen rund um den Globus getrieben sind.

Komplexes Produkt
Zudem muss die Entwicklung des Steelcoin nicht zwingend deckungsgleich mit dem Marktpreis von Stahl verlaufen. Das liegt zum einen schon allein an der angesprochenen Gewichtsreduktionsthematik. Man darf aber zum anderen auch nicht, wie sonst bei Rohstoffprodukten oft der Fall, von einer Bindung an einen abstrakten Index ausgehen. Vielmehr richtet sich bei Steelcoin der Preis nach einem speziell gewichteten Fertigstahlwert (zweimonatiger Durchschnitt), zu dem Frankstahl selbst kauft und der um gewisse Kosten reduziert wird. Kurz: Es ist komplex, und Anlegern kann nur empfohlen werden, dass sie sich das Prospekt (insgesamt 465 Seiten) durchlesen. 

Laut Kapitalmarktprospekt begann die Emission an Kleinanleger ab 24. September 2024 und endet exakt ein Jahr später (auch die Gültigkeit des Prospektes endet zu diesem Zeitpunkt). 18.000 Einheiten dürfen im Rahmen dieses Prospektes ausgegeben werden.

Security Token
Security Token wurden bereits davor emittiert. Auch in Österreich. Nur waren sie bisher nicht einem breiteren Publikum über eine Massenplattform zugänglich. Auch der Steelcoin an sich ist an Handelsplattformen nicht neu: Bereits seit dem Vorjahr wird ein Steelcoin ETP (Exchange Traded Product) an der Börse Stuttgart gehandelt. (eml)