Schroders-Chef erklärt die Aktiv-Passiv-Debatte für passé
Die über viele Jahre hinweg zum Teil heftig geführte Diskussion um die beiden Pole "aktiv" und "passiv" verliert zunehmend an Bedeutung. Davon ist jedenfalls Richard Oldfield, Group CEO von Schroders, überzeugt. Er führt in einem aktuellen Kommentar gute Gründe dafür an.
"Wo ist die bekannte Skepsis gegenüber aktivem Management geblieben?", fragt Richard Oldfield, Chef der britischen Schroders-Gruppe, in bewusst leicht provokantem Ton in einer Mitteilung seines Unternehmens und fährt fort: "Müssten aktive Anlagestrategien, insbesondere in liquiden Märkten wie den USA, nicht eigentlich vor dem Aus stehen?"
Um dann darauf hinzuweisen, dass sich die im Grunde bereits seit den 1950er Jahren geführte Debatte inzwischen grundlegend verändert habe. "Die beiden Pole 'aktiv' und 'passiv' verlieren zunehmend an Bedeutung", ist sich Oldfield sicher. Zum einen habe es in den vergangenen Jahren eine explosionsartige Zunahme passiver Fonds gegeben, die keine breiten Indizes nachbilden, sondern sich stattdessen auf Themen, Stile, Regionen oder andere Unterkategorien konzentrieren. "Sie mögen passiv sein, aber der Prozess ihrer Verwendung als Bausteine innerhalb eines Portfolios ist eindeutig aktiv", so Oldfield.
Neubewertung einer stereotypen Konfrontation
Auch andere Faktoren würden zu einer Neubewertung der stereotypen Konfrontation zwischen "aktiv" und "passiv" führen. So habe die Marktvolatilität der vergangenen Monate das mit breiten Indizes verbundene Konzentrationsrisiko deutlich gemacht, unabhängig davon, ob es sich um globale oder US-Indizes handele. Fast drei Viertel des MSCI World Index bestünden aus US-Unternehmen, und nur zehn Aktien, vor allem Technologie, machten die Hälfte davon aus.
Fairerweise müsse man sagen, dass die passive Beteiligung an dieser Entwicklung für Anleger gut funktioniert hat. "Seit 2010 hat der S&P 500 eine jährliche Rendite von fast 14 Prozent erzielt", erklärt der Schroders-Chef. Mit der Aufwertung des Dollar und der Festigung der Dominanz US-amerikanischer Aktien hätten sie andere Weltmärkte deutlich übertreffen können. Die Gefahren seien jedoch im April durch den Ausverkauf infolge von Trumps Zöllen am "Tag der Befreiung" deutlich sichtbar geworden. Und die Selbstzufriedenheit sei schnell verflogen.
Anleger wollen widerstandsfähigere Portfolios
"Was wir derzeit bei den Anlegern beobachten, sind ein überlegteres Vorgehen und ein Bedarf an Strategien", fährt Oldfield fort. In der im April und Mai erstellten Umfrage "Global Investor Insights Survey" von Schroders, die unter 995 professionellen Anlegern aus der ganzen Welt mit einem Vermögen von 67 Billionen Dollar durchgeführt wurde, hätten 80 Prozent der Befragten angegeben, dass sie in den nächsten zwölf Monaten eher aktiv verwaltete Strategien anwenden werden.
"Anleger wollen jetzt ihre Portfolios widerstandsfähiger machen", so Oldfield. "Und sie wollen dies durch eine Diversifizierung über Regionen, Stile und Anlageklassen hinweg erreichen." Viele würden ihr Engagement in US-Dollar reduzieren. Das sei eine bemerkenswerte Kehrtwende, denn bislang hätten in unsicheren Zeiten der Dollar und US-Vermögenswerte als sichere Häfen gegolten. Nun fließe Kapital nach Europa, Asien oder in Schwellenländer.
Eine Frage des Investmentstils
Es gehe auch um den Stil. Angesichts der Fallstricke eines Index würden sich Anleger einen vorausschauenden oder konträren Ansatz wünschen. "In den letzten zwei Jahrzehnten haben makroökonomische Faktoren wie niedrige Zinsen, reichlich Liquidität und die Sonderstellung der USA alle Vermögenswerte beflügelt", blickt Oldfield zurück. "Vor dem Hintergrund erhöhter Volatilität rücken nun mikroökonomische Faktoren wie die Ertragsstabilität einzelner Unternehmen in den Vordergrund."
Die Notwendigkeit, nach vorne zu blicken, sei dringender denn je, betont Oldfield und fragt: "Was kommt als Nächstes?" Eine Lösung könnte ein Value-Ansatz sein, bei dem unterbewertete Titel eine Sicherheitsmarge bieten, so seine Antwort. Andere könnten thematisch ausgerichtet sein und sich auf eine Branche oder einen Trend konzentrieren.
Nachfrage nach privaten Märkten verändert die Lage
Abgesehen vom heutigen Auf und Ab in der US-amerikanischen Politik gebe es zugrundeliegende globale Probleme, die Trumps Präsidentschaft lange überdauern werden. Eines davon sei die explodierende Staatsverschuldung. Dies sei eine der Hauptursachen für die Unsicherheit an den Anleihemärkten. Die Renditen werden laut dem Schroders-Chef steigen, aber es werde auch eine höhere strukturelle Volatilität geben. Oldfield: "Wenn Anleger also nach Erträgen suchen, können Anleihen die Antwort sein – oder zumindest ein Teil davon."
Ein weiteres auffälliges Ergebnis des "Global Investor Insights Survey" sei gewesen, dass Private Debt und Kreditalternativen immer beliebter werden. Sie seien heute die attraktivsten Vermögenswerte für Anleger, die Erträge erzielen möchten. Daraus schließt der Schroders-CEO: "Wenn eine Lösung für künftige Einkünfte sowohl öffentliche als auch private Schuldtitel umfasst, verliert die traditionelle Debatte zwischen aktiven und passiven Strategien an Bedeutung." Gleiches gelte für öffentliche und private Beteiligungen.
Neue Technologien rücken Anlegerbedürfnisse in den Fokus
"Distributed-Ledger-Technologie, KI und kostengünstigeres Computing treiben uns zu Anlagelösungen, die ausgefeilter und anlegerspezifischer sind als die heute bekannten Fondsstrukturen", so Oldfield weiter. Privatanleger würden maßgeschneiderte Portfolios erhalten, die sich an persönlichen Zielen und Zeitvorgaben orientieren. Und Pensionsfonds würden Nachhaltigkeitspräferenzen in die Portfoliokonstruktion einbeziehen. Die vereinfachenden Pole "passiv" und "aktiv" – die weit weniger relevant seien als das Hauptziel, nämlich die Probleme der Anleger zu lösen – würden nicht zu diesem Bild gehören.
"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und die künftigen Kapitalflüsse werden meine These bestätigen", schließt Oldfield. Der Aufstieg des passiven Investierens sei in den vergangenen 25 Jahren ein Thema in der Investmentbranche gewesen. Jedoch sei es eine Entwicklung gewesen, die von der Investmentbranche geprägt war – nicht unbedingt davon, was für die Anleger am besten ist. Oldfield: "Jetzt stehen wir an einem Wendepunkt." (hh)




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