Der Münchner Robo Advisor Scalable stellt seine Anlagestrategien um. Bislang fußte die digitale Vermögensverwaltung auf dem Konzept "Value at Risk". Dabei wird die Aufteilung zwischen den Anlageklassen je nach Risikoneigung festgelegt und anhand der aktuellen Lage an den Finanzmärkten umgeschichtet. Nun bietet das Haus dagegen ein sogenanntes "Weltportfolio" an, bei dem die Aufteilung zwischen den Anlageklassen nur noch regelmäßig wieder auf das Einstandsgewicht zurückgestellt wird.

Scalable war mit dem "Value at Risk"-Konzept in die Vermarktung gegangen und hatte das finanzwissenschaftliche Fundament des Ansatzes betont. So zählte neben den zwei ehemaligen Goldman-Sachs-Köpfen Erik Podzuweit und Florian Prucker auch Professor Stefan Mittnik zu dem Team, der die wissenschaftliche Untermauerung des Konzepts verkörpern sollte. Doch im Zuge der Corona-Börsenturbulenzen geriet die Anlagestrategie von Scalable arg in Bedrängnis und verpasste die anschließende Erholung.

"Weiterführung ist nicht möglich"
Nun gibt das Fintech das "Value at Risk"-Konzept augenscheinlich auf. Neukunden bekommen das Konzept nicht mehr angeboten. Bestandsanleger sollen in die "Weltportfolios" oder andere Angebote wechseln, geht aus einer Mitteilung an Kunden hervor, die FONDS professionell ONLINE vorliegt. "Alles weitere ist Stand heute noch nicht entschieden", sagte eine Sprecherin den Branchendiensten "Finance Forward" und "Finanz-Szene", die zuerst über die Umstellung berichteten.

In einem Frage-Antwort-Katalog auf der Scalable-Webseite heißt es allerdings: "Eine Weiterführung von Value at Risk ist nicht möglich. Wir bitten daher um baldmögliche Zustimmung bis zum angegebenen Termin, sodass auch Sie – so wie Tausende weitere zufriedene Kundinnen und Kunden – von unserem verbesserten Produktangebot profitieren können." Demzufolge hat für Scalable das Konzept "Value at Risk" also keine Zukunft mehr. Der Vermögensverwalter verweist darauf, dass im Laufe der Zeit neben "Value at Risk"-Ansatz noch ESG-. Megatrends- oder Zinsstrategien dazugekommen seien.

"Möglicherweise Steuern fällig"
Das Fintech betont zudem, dass die Umstellung für Bestandskunden kostenfrei sei. Das Haus räumt jedoch ein, dass Steuern anfallen können. "Beim Wechsel der Strategien überprüft unsere Anlagetechnologie, welche ETFs ausgetauscht werden müssen", schreibt Scalable in dem Frage-Antwort-Katalog. ETF-Bestände, die sich in der alten wie der neuen Anlagestrategie befänden, könnten in der Regel erhalten bleiben. "ETF-Bestände, die nicht zwischen den beiden Anlagestrategien übereinstimmen, müssen verkauft bzw. neu gekauft werden", schreibt Scalable weiter. "Dabei können möglicherweise Steuern fällig werden."

Das Fintech begründet gegenüber "Finance Forward" und "Finanz-Szene" die Umstellung damit, dass der "Value at Risk"-Ansatz "erklärungsbedürftig" sei. "Roadshows und ein Sales-Team waren unerlässlich bei der Umsetzung", zitieren die Medien eine Sprecherin. "Wir gehen von aktiven, erklärungsbedürftigen Strategien, die in bestimmten Marktphasen ihre Stärken und in anderen, wie zu Corona, ihre Schwächen haben, weg, hin zu einfach nachvollziehbaren Strategien – unabhängig von der Performancefrage."

Zuflüsse über Kooperationen
Scalable stellte sich 2020 zudem als Neobroker auf. Mittlerweile entspringt der überwiegende Teil des betreuten Vermögens von rund 20 Milliarden Euro diesem Geschäftszweig. Ein Teil des Robo-Advisor-Vermögens stammt aus Kooperationen wie mit der Direktbank ING oder dem Industriekonzern Siemens. Auch als White-Label-Produkt wurde die Robo-Technologie vermarktet, etwa von der österreichischen Raiffeisengruppe unter der Marke WILL. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hatte sich bei Scalable engagiert. (ert)


Der Artikel wurde am 25.6. ergänzt um klarzustellen, dass Scalable auch ESG-, Megatrends- oder Zinsstrategien anbietet.