Multi-Asset-Chef von Lazard: "US-Aktien sind zu teuer"
Julien-Pierre Nouen, Leiter Makroresearch und Multi-Asset bei Lazard, im Interview mit FONDS professionell ONLINE über den Vorteil wirklicher Flexibilität beim Investieren und die Frage, warum er seine Portfolios für eine Rezession gerüstet hat.
Mit den flexiblen Multi-Asset-Strategien Lazard Patrimoine SRI und Lazard Patrimoine Opportunities SRI erzielte Lazard Frères Gestion im schwierigen Jahr 2022 positive Erträge und übertraf damit nahezu alle Wettbewerber. Auch über längere Zeiträume überzeugen die Ergebnisse. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE spricht Julien-Pierre Nouen, Leiter des Makroresearch und Multi-Asset-Portfoliomanager, über seine Markteinschätzung und Anlagestrategie und erklärt, warum die Performance in den ersten Monaten dieses Jahres hinter dem starken Vorjahr zurückblieb.
Herr Nouen, wie gehen Sie vor, um im Multi-Asset-Management langfristig überdurchschnittliche Erträge zu erzielen?
Julien-Pierre Nouen: Das beginnt mit dem strategischen Konzept. In unserem Team sind wir Portfoliomanager und Analysten in einem. Bei einem Ansatz, der das Beta der verschiedenen Märkte nutzt, ist das ein Vorteil: Wir kommen rascher zu fundierten Entscheidungen und setzen diese auch unmittelbar in unseren Strategien um. Man muss sich zudem die Freiheit nehmen, das Portfolio wirklich an die eigenen Überzeugungen und Einschätzungen anzupassen. Wer zu nah an der Benchmark hängt, wird langfristig keine Mehrrendite liefern. Und natürlich muss die eigene Markteinschätzung auf gutem Research aufbauen. Wir machen uns sehr viele Gedanken, wie sich etwa der Konjunkturzyklus weiterentwickelt, und bringen das dann im Portfolio zum Ausdruck.
Wie läuft das konkret ab?
Nouen: Wir waren etwa Anfang vergangenen Jahres überzeugt, dass die Inflation sehr viel höher ausfallen würde, als viele Leute zu dem Zeitpunkt glaubten. Uns war klar: Wenn unsere Einschätzung richtig ist, würden die Notenbanken die Zinsen sehr viel rascher anheben, als das der Markt eingepreist hatte. Das hatte einen großen Einfluss auf das Portfolio. In unseren Mischfonds Lazard Patrimoine SRI und Lazard Patrimoine Opportunities SRI senkten wir daraufhin die Duration bis ins Minus, so dass das Zinsportfolio unterm Strich von steigenden Zinsen profitierte. Das war ein wichtiger Faktor für die gute Wertentwicklung im vergangenen Jahr.
Und dieses Jahr? Kommt die Rezession?
Nouen: Wir rechnen fest mit der Rezession. Die Inflation ist noch immer zu hoch, dazu trägt auch der Arbeitsmarkt bei. Die Beschäftigung ist extrem hoch, sowohl in den USA als auch in Europa, wo die Arbeitslosigkeit so niedrig ist wie zuletzt in den 1980er Jahren. Also beschleunigt sich die Lohnentwicklung und es droht eine Lohn-Preis-Spirale. So weit ist es zwar noch nicht, aber wenn Inflation und Beschäftigung zu lange zu hoch bleiben, steigt das Risiko. Um die Inflation in den Griff zu bekommen, ist eine Rezession unvermeidbar. Und wir sehen ja bereits deutliche Anzeichen einer Konjunkturverlangsamung.
Die US-Notenbank legt wohl erst einmal eine Zinspause ein, hinzu kommt die schwelende Bankenkrise. Senken die Zentralbanken die Zinsen bald wieder?
Nouen: Die Probleme im Bankensektor zeigen uns, dass die Geldpolitik ihre Wirkung entfaltet, und die sinkende Kreditvergabe verstärkt im Umkehrschluss die bisherigen Zinsanhebungen. Der Markt erwartet deshalb, dass die Notenbanken die Zinsen wegen der Bankenkrise und der Konjunkturabkühlung schon bald wieder senken werden. Das glauben wir nicht, dazu ist die Inflation zu hoch und zu hartnäckig. Wir glauben, dass die Zinsen vorerst hoch bleiben.
Wie positionieren Sie sich in diesem Umfeld?
Nouen: Wir haben Anleihen insgesamt übergewichtet und im Umkehrschluss das Aktiengewicht deutlich gesenkt auf etwa die Hälfte des Referenzindex. Die Unternehmensgewinne werden in den kommenden Monaten unter Druck geraten werden. Vor allem der US-Aktienmarkt ist zu teuer. Die Bewertungen befinden weit oberhalb des langfristigen Durchschnitts. In Europa liegen wir darunter und gibt es viele Sektoren, die noch günstig sind, etwa im Pharmabereich oder auch bei Banken, die ja zuletzt deutlich unter die Räder kamen.
Welche Anleihen bevorzugen Sie?
Nouen: Wir mögen vor allem Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Mit rund vier Prozent bieten sie eine so hohe Rendite, wie wir sie die vergangenen zehn bis zwölf Jahre nicht hatten. Und qualitativ hochwertige Anleihen sind ein guter Platz für die kommenden Quartale mit schwachem Wachstum. Wie gesagt bei geringer Duration – sprich geringer Zinssensitivität. Vorsichtig sind wir bei Hochzinsanleihen, denn diese Papiere sind riskant und weisen eine hohe Korrelation zu Aktien auf.
Ihre Multi-Asset-Strategien gehören über die vergangenen Jahre zu den Topprodukten ihrer Vergleichsgruppe. Die letzten Monate lief es aber nicht gut.
Nouen: In den vergangenen Wochen haben wir mehrere Umschichtungen in unseren Multi-Asset-Fonds vorgenommen, um sie für ein Rezessionsszenario zu positionieren. So haben wir die Duration wieder auf das Niveau der Benchmark erhöht. Angesichts der historisch hohen Volatilität der Zinssätze hat dies kurzfristig zu Verlusten geführt. Die jüngsten Wirtschaftsdaten zeigen uns aber, dass der Optimismus der Märkte ungerechtfertigt ist. Das Risiko, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession gerät, hat zugenommen. Wir behalten deshalb unsere vorsichtige Haltung bei und sind zuversichtlich, dass die Portfolios für ein schwierigeres Umfeld gut aufgestellt sind. Das Jahr 2022 hat gezeigt, dass unsere Fonds in der Lage sind, in einem stark rückläufigen Umfeld eine positive Performance zu erzielen und wir sind überzeugt, dass 2023 ein weiteres schwieriges Jahr sein wird.
Vielen Dank für das Gespräch. (jh)