Künstliche Intelligenz (KI) kommt  immer häufiger im Portfoliomanagement zum Einsatz: Meist agiert das System dabei als Co-Pilot des Portfoliomanagers, aber in einigen Fonds steuert der Algorithmus das Portfolio weitgehend autonom. Der große Durchbruch steht aber noch aus. Das liegt eher nicht an den bisherigen Anlageergebnissen, sondern vor allem am weitverbreiteten Misstrauen gegenüber den KI-Strategien. Das wurde bei einer Veranstaltung von Acatis zum KI-Einsatz im Fondsmanagement deutlich.

Viele Anbieter aus dem deutschsprachigem Raum 
Fred Sage, Chairman beim Beratungsunternehmen Nextgen Alpha, zählt weltweit rund 65 echte KI-Publikumsfonds, bei denen der Algorithmus den Anlageprozess – meist für Aktien – weitgehend autonom prägt. Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum sieht der KI-Experte dabei in führender Position, sagte er bei der Veranstaltung in Frankfurt.

Dass die meisten dezidierten KI-Fonds auf relativ überschaubare Anlagevolumina kommen, hat seiner Einschätzung nach verschiedene Gründe: Zum einen sei die Bewertung der Fonds für viele potenzielle Investoren und Vertriebspartner sehr aufwändig. Hinzu komme, dass die Fondsanbieter die Fonds eher zögerlich vermarkten. Die Folge: "Viele möchten gar nicht darüber sprechen, dass sie KI im Investmentprozess einsetzen", so Sage. Statt eines "KI-Washing" analog zum "Greenwashing" bei nachhaltigen Anlagen sei demnach eher das Gegenteil zu beobachten.

Technische und soziale Reife
Doch nicht nur die Kunden lassen sich oft schwer zu KI-Anlagen bewegen, auch intern ist es oft eine Herausforderung, das Portfoliomanagement zum Nutzen von KI-Unterstützung zu bringen. Das berichtet Nico Baum, Head of Innovation and Data bei Berenberg. Er verwendet in dem Kontext das Bild des Social Threshold und des Technological Threshold – also der technischen und der sozialen Reife.

Dabei verweist Baum auf die Erfindung des Aufzugs durch Elisha Graves Otis in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Den wollten die Kunden zunächst auch nicht benutzen. Otis löste das Problem, indem er in jeden Aufzug einen Spiegel einbaute und einen Chauffeur einsetzte. Dessen Aufgabe bestand vor allem darin, den Gästen ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Auch heute seien die technischen Fähigkeiten der gesellschaftlichen Reife einen Schritt voraus.

Effizienzvorteile durch KI
Dabei bietet KI bereits heute enorme Effizienzvorteile, etwa bei der Auswertung von Berichten und der raschen Aufbereitung von Informationen. Das dabei Fehler vorkommen, sei klar: Dem Menschen verzeiht man Fehler, der Maschine dagegen nicht. Acatis-Chef Hendrik Leber nennt neben den Vorteilen der KI auch einige Schwachstellen. Die sieht er etwa bei der Erfassung von Social Media. Hier würden sich die tonangebenden Autoritäten zu rasch ändern und die Trainingsmöglichkeiten für die KI seien im Vergleich zu anderen Gebieten relativ gering. "Mit schlechten Daten lassen sich nur schlechte Ergebnisse erzielen", betont Leber. 

Gerade auf die Auswertung von Social Media hat sich die Firma Stockpulse konzentriert. Ihre Systeme werten dazu fortlaufend tausende verschiedene Websites aus, erklärt Stockpulse-Chef Stefan Nann. Um eine Meldung in China zu erfassen und auszuwerten, brauche der Algorithmus nur ein paar Sekunden. Interessant: Fake News sind seiner Meinung nach auch wichtig, da sie den Markt ebenfalls bewegen. Das sei etwa im Fall des Short Squeeze beim US-Einzelhändler Gamestop 2021 zu beobachten gewesen. Auch damals sei ein Großteil der Social-Media-Beiträge weitgehend sinnlos gewesen. Die Gamestop-Aktie bewegten sie dennoch. (jh)