"In Zukunft ist der aktive ETF das Vehikel der Wahl für viele Anleger"
Vor knapp einem Jahr stieg Robeco ins ETF-Geschäft ein. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE verrät Vorstandschefin Karin van Baardwijk, warum diese noch kleine Sparte "perspektivisch zum Multi-Milliarden-Geschäft" wächst – und ob sie sich damit nicht selbst Konkurrenz macht.
Karin van Baardwijk arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten bei Robeco. Sie begann als Risikomanagerin und übernahm schnell Führungsaufgaben. 2016 wurde sie Chief Operating Officer, 2020 stellvertretende Vorstandschefin. Seit Januar 2022 steht sie an der Spitze des Asset Managers. FONDS professionell traf sie im Frankfurter Büro des Rotterdamer Fondsanbieters zum Interview.
Frau van Baardwijk, Robeco brachte im Oktober 2024 seine ersten aktiven ETFs auf den Markt. Einen ausgewiesenen Spezialisten dafür hatten Sie mit Nick King schon ein gutes Jahr vorher an Bord geholt. Warum dauerte es so lange, bis die ersten ETFs an den Börsen gelistet wurden?
Karin van Baardwijk: Über die Frage, ob das langsam oder schnell war, lässt sich diskutieren. Schon kurz nachdem wir die Entscheidung getroffen hatten, dem Geschäft mit aktiven ETFs hohe Priorität einzuräumen, haben wir Nick King verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir erst noch die entsprechende Infrastruktur aufbauen, die nötigen Lizenzen besorgen, ein Team anheuern, … Außerdem mussten wir entscheiden, welche ETFs wir in welcher Reihenfolge auflegen möchten. Es bringt wenig, ein einzelnes Produkt zu lancieren, das dann lange Zeit das einzige bleibt, sondern es braucht einen durchdachten Prozess für einen Markteintritt. Das alles benötigt Zeit. Wenn ich ein Beispiel für ein gelungenes Projekt bei uns im Haus nennen soll, verweise ich gerne auf unseren Einstieg ins Geschäft mit aktiven ETFs. Innerhalb eines Jahres haben wir etwas für uns komplett Neues in verschiedenen Ländern an den Markt gebracht. So schlecht finde ich das nicht (lacht).
Warum hatte sich Robeco überhaupt dafür entschieden, aktive ETFs aufzulegen?
Van Baardwijk: Aktive ETFs bieten eine große Chance, die bestehenden Möglichkeiten von Investmentfonds und Mandaten zu ergänzen, vor allem aufgrund ihrer Vorteile in Bezug auf Liquidität und Unmittelbarkeit. Passive Strategien können zwar effektiv sein, übersehen jedoch oft wertvolle Signale und wissenschaftliche Erkenntnisse, die zu besseren Ergebnissen führen können. In Deutschland gibt es eine klare Zweiteilung des Marktes: auf der einen Seite Anleger, die Fonds auf Empfehlung ihrer Bank oder ihres Beraters hin zeichnen, auf der anderen Seite professionelle Fondsselektoren und zunehmend auch Selbstentscheider, die verstärkt zu ETFs greifen. Der Verkauf von Fonds ist, ähnlich wie in Italien, weiterhin ein wichtiger Faktor. In anderen europäischen Wholesale-Märkten, in denen das Interesse an Fonds zurückgeht, gewinnen aktive ETFs massiv an Bedeutung. Uns ist es wichtig, allen Kundengruppen über alle Vertriebskanäle hinweg Zugang zu unserem Know-how zu geben. Mit aktiven ETFs erreichen wir im Ergebnis Endkunden, die sich normalerweise nicht für einen klassischen Investmentfonds entscheiden würden. Das macht dieses Feld für uns so spannend.
"Viele junge Anleger denken nicht über Fonds nach, sie finden sie komplex. Für sie sind ETFs die natürliche Wahl."
Was ist Ihre Hauptzielgruppe für die aktiven ETFs?
Van Baardwijk: Der gesamte Wholesale-Kanal. Interessant sind aktive ETFs zum Beispiel für professionelle Fondsselektoren, die Produkte für ihre Kunden auswählen, aber auch für Selbstentscheider, die etwa über einen Neobroker ETFs ordern. Viele junge Anleger denken nicht über Fonds nach, sie finden sie komplex. Für sie sind ETFs die natürliche Wahl. Noch verfügt diese Zielgruppe nicht über hohe Summen. Das Vermögen liegt bei Anlegern, die sich mit klassischen Fonds im Depot nach wie vor wohlfühlen. Sie haben ihr ganzes Leben lang in Fonds investiert. Es ist nach unserer Überzeugung eine kluge Strategie, verschiedene Kundengruppen in unterschiedlichen Phasen ihres Vermögensaufbaus anzusprechen. In Zukunft – und wir verfolgen an dieser Stelle eine wirklich langfristige Strategie – wird der aktive ETF das Vehikel der Wahl für sehr viele Anleger sein.
Noch ist Ihre ETF-Palette aber recht überschaubar.
Van Baardwijk: Die im Herbst vergangenen Jahres aufgelegten Aktien-ETFs waren nur der Anfang. Jüngst folgte ein erster Renten-ETF, und wir haben weitere Ideen. Außerdem führen wir gute Gespräche mit strategischen Partnern, die Interesse daran haben, gemeinsam mit uns maßgeschneiderte Produkte zu initiieren.
Werden die ETFs von spezialisierten Sales-Mitarbeitern vermarktet? Oder läuft der Vertrieb über die bestehenden Teams?
Van Baardwijk: Wir haben uns für Letzteres entschieden. Der Grund ist einfach: Wer an einem aktiven ETF interessiert ist, für den ist nicht die Hülle entscheidend, sondern der Inhalt, bei unseren Produkten also die entsprechende Investmentexpertise. Darüber weiß unser Vertriebsteam bestens Bescheid. Ob dieses Know-how dann in einem Publikumsfonds, in einer Mandatslösung oder in einem ETF den Weg zum Kunden findet, ist nicht so entscheidend.
"Wir möchten nicht in Konkurrenz zu Dutzenden sehr ähnlichen Produkten treten."
Wie viel Geld konnten Sie mit den aktiven ETFs denn schon einwerben?
Van Baardwijk: Zuletzt lag das verwaltete Vermögen der fünf Aktien-ETFs bei rund 250 Millionen Euro. Klar, für diese Summe haben wir die nötige Infrastruktur nicht gebaut. Wir sind aber überzeugt davon, dass diese Sparte perspektivisch zum Multi-Milliarden-Geschäft wächst. Was mich zuversichtlich stimmt, ist unsere Pipeline, also die Zahl der Partner, die Interesse bekundet haben, mit uns zu kooperieren. Ich persönlich hatte erwartet, dass es länger dauert, bis dieses Geschäft Fahrt aufnimmt und wir als glaubwürdiger ETF-Anbieter wahrgenommen werden. Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass sich unser Sortiment von den existierenden ETFs abhebt. Wir möchten nicht in Konkurrenz zu Dutzenden sehr ähnlichen Produkten treten. Unser Vorteil ist, dass wir dank unserer Quant-Expertise eine glaubhafte Story erzählen können. Auf besonders hohes Interesse stößt unser Dynamic Theme Machine ETF. Für dessen Investmentprozess kommt nicht nur unsere Quant-Engine zum Einsatz, sondern zusätzlich ein KI-Modell, das es erlaubt, Themen sehr früh zu erkennen, bevor sie im Mainstream angekommen sind. Ziel ist es, früher auf einen Börsentrend aufzuspringen als die Masse der Anleger – und rechtzeitig wieder auszusteigen.
Das mag vielleicht ein wirklich neuer Ansatz sein. Die anderen vier Aktien-ETFs nutzen aber mehr oder weniger die etablierten Quant-Modelle Ihres Hauses. Machen Sie sich damit letztlich nicht selbst Konkurrenz?
Van Baardwijk: Diese Frage drängt sich auf, weil es sich im Wesentlichen um ein neues Vehikel handelt. Aktuell stellt sich der Markt so dar, dass es genügend Platz sowohl für klassische Investmentfonds und Mandate als auch aktive ETFs gibt. Wir sehen klare Nachfrage nach all diesen Lösungen. Unsere Produkte kannibalisieren sich derzeit nicht. Aber fragen Sie mich in zehn Jahren noch mal – mag sein, dass meine Antwort dann anders ausfällt.
"Für Robeco entscheidend ist, dass wir damit zusätzliches Geschäft machen."
Was ist denn rentabler für Robeco? Ein aktiver ETF oder ein herkömmlicher Quant-Fonds?
Van Baardwijk: Es gehört gewissermaßen zur DNA eines ETFs, günstiger zu sein als traditionelle Fonds. Gleichzeitig nutzen wir das Potenzial eines neuen Vertriebskanals, den wir mit einer Mandatslösung nicht erreichen können. Für Robeco entscheidend ist, dass wir damit zusätzliches Geschäft machen.
Vielen Dank für das Gespräch. (bm)
Ein weiteres ausführliches Interview mit Karin van Baardwijk lesen Sie in Ausgabe 3/2025 von FONDS professionell, die den Abonnenten Ende September zugestellt wird. Dort äußert sich die Vorstandschefin von Robeco unter anderem über die Wachstumspläne des Rotterdamer Asset Managers, den Einsatz von KI im Research und die Frage, ob Rüstung als nachhaltig gelten darf.












