Folge des Ukraine-Kriegs: ESG-Fonds investieren in fossile Energien
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat Manager von Nachhaltigkeitsfonds in eine Zwickmühle gebracht. Ihre bisherigen Favoriten aus der Tech-Branche liefen nicht mehr. Daher haben sie große Summen in fossile Energieträger umgelenkt, die höhere Profite versprachen, so eine aktuelle Studie.
Der Ukraine-Krieg hat offenbar dazu geführt, dass Manager von Nachhaltigkeits- oder ESG-Fonds trotz ihres grünen Anspruchs wieder verstärkt in fossile Energieträger investiert haben. Über 900 Millionen US-Dollar flossen nach Kriegsbeginn in Unternehmen, die im Bereich fossiler Energieträger aktiv sind. Dadurch sind die Portfolios insgesamt um 7,9 Prozent CO2-intensiver geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der in Berlin ansässigen Nichtregierungsorganisation Finanzwende, die von dem ehemaligen Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick angeführt wird.
Die Finanzwende-Analystinnen Alison Schultz und Magdalena Senn untersuchten dafür den Aktienbesitz von 2.434 aktiv gemanagten und in Europa erhältlichen Fonds, die laut Morningstar als Portfolios gemäß Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert werden. Ende 2021 betrug der Wert der betrachteten Aktien zwei Billionen US-Dollar. Schultz und Senn verglichen die Bestände von Ende Dezember 2021 mit Ende März 2022 – also vor und kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Ferner überprüften sie, ob die Änderungen in den Portfolios nur kurzfristig waren, indem sie zusätzlich die Zeit bis Dezember 2022 unter die Lupe nahmen.
Nur kleiner Teil des Geldes floss in erneuerbare Energien
Dabei zeigte sich, dass die untersuchten Fonds von Dezember 2021 bis März 2022 Aktien von Energiefirmen im Wert von 2,6 Milliarden und Aktien von Versorgungsunternehmen im Wert von 1,7 Milliarden Dollar zukauften. Die Zukäufe im Bereich der Energie kamen vor allem dem fossilen Sektor zugute. "Die untersuchten Fonds investierten 940 Millionen US-Dollar zusätzlich in Aktien von Firmen im Bereich der fossilen Energien. Lediglich 138 Millionen US-Dollar gingen an Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf erneuerbaren Energien basiert", schreiben Schultz und Senn.
Die beiden Analystinnen fanden ferner heraus, dass die Veränderungen in den Portfolios über das gesamte Jahr 2022 hinweg erhalten blieben. Dabei steche besonders heraus, dass die grünen Fonds nicht nur insgesamt weniger in erneuerbare als in fossile Energien investierten: "Der Anteil an Erneuerbaren am Portfolio blieb über den betrachteten Zeitraum konstant, während der Anteil an Öl- und Gasfirmen übers Jahr noch weiter anstieg." Schultz und Senn kommen daher zum Schluss, dass sich das "ohnehin weit verbreitete Greenwashing im Fondsbereich" durch die Reaktionen auf die neue Marktsituation unterm Strich noch verstärkt habe.
Tech-Branche knickt ein
Die Finanzwende-Expertinnen führen auch einen Grund für die Entscheidungen der Fondsmanager an. Diese setzten lange Zeit auf Wachstumswerte aus der Technologiebranche, die eher emissionsarm ist. Tech-Titel kamen nun aber unter die Räder, während Gewinne und Kurse von Energiekonzernen und Versorgungsunternehmen enorm zulegten. Offenbar schwenkten die Manager daher um. Das zeigt sich auch daran, dass die Fonds im Untersuchungszeitraum von Dezember bis März Aktien aus dem Technologie- und Finanzsektor im Wert von 16,1 Milliarden beziehungsweise 9,9 Milliarden Dollar verkauften. (jb)