"Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend, sondern Überzeugung"
Die Fondstochter der Evangelischen Bank, die EB-SIM, richtet sich strategisch neu aus und konzentriert sich verstärkt auf Multi-Asset-Fonds sowie auf Investitionen in erneuerbare Energien. Geschäftsführer Michael Hepers und Chefanlagestratege Sebastian Kösters erläutern den neuen Kurs.
Kirchenfonds sind schon seit Jahrzehnten am Markt und haben mit dem Thema Nachhaltigkeit Erfahrung. Die Fondstochter der Evangelischen Bank, die EB – Sustainable Investment Management (EB-SIM) mit Sitz in Kassel, hat vor über 30 Jahren ihren ersten nachhaltig investierenden Aktienfonds aufgelegt. Derzeit stellt sich das Haus neu auf, setzt verstärkt auf renditestarke Multi-Asset-Fonds und Investitionen in erneuerbare Energien. Geschäftsführer Michael Hepers und Chefanlagestratege Sebastian Kösters erläutern im Interview mit FONDS professionell ONLINE, was es mit der Neuausrichtung auf sich hat – und in welchen Punkten die EB-SIM nicht vom bisherigen Kurs abweichen wird.
Herr Hepers, Herr Kösters, die EB-SIM hat in diesem Jahr eine strategische Neuausrichtung eingeleitet. Was war der Grund dafür?
Michael Hepers: Für uns ist Stillstand gleich Rückschritt. Wir hinterfragen regelmäßig, ob unser Angebot noch zur Marktlage und zu den Bedürfnissen unserer Kunden passt. Die zentrale Frage lautete: Was machen wir eigentlich schon lange richtig gut und worauf sollten wir uns künftig konzentrieren? Die Antwort war klar. Wir wollen uns auf unsere nachhaltigen Multi-Asset-Strategien konzentrieren und auf unsere gewachsene Expertise bei Investitionen in erneuerbare Energien.
Welche konkreten Maßnahmen folgen daraus?
Hepers: Wir fokussieren uns auf unsere Stärken. Das bedeutet auch, dass wir kleinere, nicht mehr strategiekonforme Produkte eingestellt haben oder einstellen werden. Bereits im vergangenen Jahr haben wir etwa den EB Sustainable Short Duration Fund geschlossen. Gleichzeitig öffnen wir unser Multi-Asset-Konzept. Anleger können die zugrundeliegenden Aktien- und Rentenstrategien künftig auch separat erwerben und selbst kombinieren – je nach Präferenz.
Sebastian Kösters: Das ist ein entscheidender Schritt in Richtung Flexibilität. Unsere Kunden können sich ihre Portfolios so passgenau zusammenstellen, etwa durch eine 50/50-Kombination aus Renten- und Aktienfonds, basierend auf denselben Strategien, die wir im Multi-Asset-Bereich seit Jahren anwenden.
Ihr Flaggschifffonds bleibt aber erhalten, oder?
Kösters: Natürlich. Der EB – Multi-Asset Conservative mit seinem ausgewogenen Risiko-Rendite-Profil zählt seit Jahren zu den erfolgreichsten Multi-Asset-Fonds seiner Klasse. Aber wir haben das Angebot im Juli 2024 mit dem EB – Multi Asset Opportunities erweitert. Er folgt demselben Allokationsansatz, setzt also auf eine breite Mischung aus Aktien, Anleihen und alternativen Anlagen. Der Fonds verzichtet aber bewusst auf eine feste Aktienquote. Das eröffnet zusätzliche Renditepotenziale. Dadurch entsteht mehr Spielraum, um Marktchancen flexibel zu nutzen und langfristig höhere Renditen zu erzielen.
Ein weiteres Thema, das Sie stark vorantreiben, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz, kurz KI, im Investmentprozess. Was hat es mit dem neuen EB-ESG-Score auf sich?
Kösters: Unser Ziel war es, Nachhaltigkeit im Portfolio noch besser bewerten zu können – nicht nur rückblickend, sondern auch mit Blick in die Zukunft. Der EB-ESG-Score basiert auf klassischen ESG-Daten, kombiniert mit einem KI-gestützten Nachrichtenindikator. So können wir nicht-finanzielle Risiken schneller erkennen und fundierter bewerten.
Hepers: Die künstliche Intelligenz wertet tagesaktuell mehrere Hunderttausend Artikel aus globalen Nachrichtenquellen aus. Damit gewinnen wir ein viel dynamischeres Bild, wie sich das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens entwickelt.
Ein weiterer Eckpfeiler der Neuausrichtung ist der Bereich Real Assets. Wie positionieren Sie sich dort?
Hepers: Real Assets sind für uns ein stark wachsender Bereich. Gemeinsam mit Quadoro haben wir im vergangenen Jahr den Fonds "Quadoro Erneuerbare Energien Europa (QEEE)" aufgelegt. Er ermöglicht auch Privatanlegern, über ein offenes Infrastruktur-Sondervermögen in Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu investieren. Der Fonds setzt auf Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen in Deutschland, Frankreich und Skandinavien, bevorzugt auf bestehende und bereits genehmigte Projekte. Dadurch entsteht eine konservative Struktur mit stabilen Ertragsperspektiven und begrenztem Risiko.
Warum haben Sie keinen European Long-Term Investment Fund, kurz ELTIF, an den Start gebracht wie aktuell viele andere Anbieter?
Hepers: Wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden. Für unsere Zielgruppe – vor allem deutsche Privatanleger – ist das Sondervermögen transparenter und vertrauter. Es funktioniert ähnlich wie ein offener Immobilienfonds, was für Vertrieb und Kunden deutlich einfacher zu handhaben ist.
Für nachhaltige Geldanlagen gelten komplexe Regelwerke. Viele Fondsanbieter sind der Ansicht, dass der europäische Gesetzgeber damit übers Ziel hinausgeschossen ist und die Vorgaben in der Praxis nichts bringen. Wie gehen Sie mit den regulatorischen Herausforderungen um?
Hepers: Wir sehen die Regulierung grundsätzlich positiv, weil sie dem Markt mehr Transparenz und Verbindlichkeit gibt. Aber aktuell erleben wir einen gewissen Schlingerkurs: Offenlegungsverordnung, Taxonomie, Nachhaltigkeitspräferenzabfrage – vieles greift noch nicht richtig ineinander. Für uns als Anbieter bedeutet das: Wir halten an unserem klaren Nachhaltigkeitsverständnis fest, auch wenn der regulatorische Rahmen noch in Bewegung ist.
Kösters: Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass die Vorgaben künftig stärker aufeinander abgestimmt und praxisnäher gestaltet werden. Dann kann nachhaltige Geldanlage auch für Privatanleger wieder attraktiver werden. Denn das Grundproblem – etwa der Klimawandel – verschwindet ja nicht, nur weil ESG-Labels neu sortiert werden.
Das stimmt, dennoch spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Anlegern keine so große Rolle mehr wie noch vor einigen Jahren. Was braucht es, um trotzdem glaubwürdig dran zu bleiben?
Kösters: Gerade weil Nachhaltigkeit aktuell in Frage gestellt wird, braucht es Anbieter, die das Thema nicht als kurzfristigen Trend, sondern als Überzeugung leben. Für uns sind Nachhaltigkeitsfaktoren ein wesentlicher Aspekt, um das Rendite-Risiko-Profil in den Portfolios zu schärfen. Mit dem EB-ESG-Score können wir Risiken frühzeitig erkennen und damit vermeiden.
Hepers: Für uns ist Nachhaltigkeit kein Zusatz, sondern das Fundament unseres Handelns. Das spiegelt sich in unserer gesamten Produktpalette und auch in unserem Engagement wider. Nachhaltigkeit zeigt sich auch in unserer Haltung. Wir wollen Kapital gezielt so einsetzen, dass es gesellschaftlich und ökologisch etwas bewegt. Deshalb bleibt unsere Mission: Investments für eine bessere Welt.
Und welche Pläne haben Sie mit Blick auf Ihre Produktpalette in den kommenden Monaten?
Hepers: Wir überlegen derzeit, wie wir unser Angebot insbesondere im Bereich nachhaltiger Multi-Asset-Konzepte und Real Assets weiterentwickeln können. Denkbar wäre etwa ein kirchlicher Energiekreislauf, bei dem ungenutzte Flächen aus dem kirchlichen Umfeld für nachhaltige Energieprojekte genutzt werden. Dabei achten wir natürlich genau darauf, was regulatorisch möglich und für unsere Anleger sinnvoll ist.
Vielen Dank für das Gespräch. (am)