Wie "grün" oder "sozial" ein nachhaltiges Finanzprodukt tatsächlich ist, kann von außen oft schwer beurteilt werden. Das Gesetz schreibt keine Mindestgrenzen vor. Im Extremfall könnte ein Fonds sogar völlig zulässig gemäß Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung als nachhaltig eingestuft sein, der nur ein Prozent "grün" investiert und die restlichen 99 Prozent des Geldes in die Kohleproduktion steckt.

Das Beispiel ist überspitzt formuliert. Doch die mangelnde Transparenz ist real ein Problem für Anleger und deren Finanzberater. Letztere müssen seit 2. August 2022 im Beratungsgespräch verpflichtend die Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen. Ohne klare Definition ist es schwer, den Kunden eine Richtschnur zu bieten.

Studie zeigt hohe Bandbreite beim Nachhaltigkeitsanteil
Das österreichische Nachhaltigkeitsberatungsunternehmen ESG-Plus hat nun auf Basis seiner Fonds- und Bewertungsdatenbank Cleanvest ein Ranking der hierzulande verfügbaren Publikumsfonds erstellt. Entlang von 23 Haupt- und 122 Nebenkriterien wurden sowohl Umwelt- als auch soziale Komponenten (Gesundheit, Bildung, Rechte) der Fondsinvestments untersucht. Auftraggeberin war die Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ). 

Das Ergebnis zeigt eine hohe Bandbreite beim Nachhaltigkeitsanteil der in Österreich vertriebenen nachhaltigen Portfolios. Während ein Produkt 100 Prozent der möglichen Bewertungspunkte erzielte, kommt der am letzten Platz gelistete Fonds auf einen Wert von nur 38 Prozent.  

Anleihenfonds dominieren
Dominiert wird das Top-Ten-Ranking von den Rentenfonds, die allein acht Plätze einnehmen. Ihr Score ist mit mindestens 96 Prozent der maximal erreichbaren Bewertungspunkte sehr hoch. Der allgemeine Mittelwert im gesamten Sample liegt bei 72 Prozent.

Zu erwähnen ist allerdings, dass Renditeaspekte in der Studie nicht bewertet wurden – so befinden sich etliche Mündelfonds unter den Bestplatzierten; mit denen konnten Anleger in den vergangenen Jahren bekanntlich nichts gewinnen. Die zwei Aktienfonds, die den Einzug ins Top-Klassement schafften, stammen von der Erste Asset Management und von der Raiffeisen KAG. Aktienfonds waren mit 43 Prozent der untersuchten Produkte die größte Gruppe, 38 Prozent waren Anleihenfonds und 16 Prozent Mischfonds, der Rest entfiel auf sonstige Fonds.

Quelle: ESG-Plus/Cleanvest, AK OÖ

In die Analyse wurden alle verfügbaren 180 nachhaltigen Aktien-, Anleihen- und Mischfonds (Artikel-8- und Artikel-9-Fonds) am österreichischen Markt einbezogen. Einige Fonds, die nötige Ergänzungsdaten nicht lieferten, kamen nicht in die Bewertung. Dachfonds waren ebenfalls nicht Teil der Erhebung. Außerdem sind einzelne Vehikel nicht vertreten, weil die Bewertungsmethodik dafür nicht ausreicht (insbesondere Immobilien-, Edelmetall- oder Derivate-Investments). Auch für die Beurteilung von Green-Bond- oder Social-Bond-Fonds ist die Methodik nicht geeignet.  

Negativ setzten die Studienautoren unter anderem den in Österreich weitgehend als nicht nachhaltig erachteten Atomstrom an. In der EU-Taxonomie wurde Nuklearkraft unlängst in einer viel kritisierten Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig eingestuft.

Artikel 8 oder 9: Kein Qualitätskriterium
Nach EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) müssen sich alle Fonds, die eine nachhaltige Komponente bewerben, entweder als Artikel-8- oder Artikel-9-Produkt einstufen. Artikel-8-Fonds sind quasi die Grundstufe; darunter fallen alle Vehikel, sobald sie behaupten, ökologische oder soziale Kriterien zu berücksichtigen. Umgangssprachlich hat sich der Terminus "hellgrün" etabliert. Artikel-9-Fonds gelten hingegen als jene, die aktiver an nachhaltigen Themen arbeiten. Sie streben ein konkretes Nachhaltigkeitsziel an und müssen die Wirksamkeit zur Erreichung dieses Zieles nachweisen ("dunkelgrün").

Unter den Fonds in der Studie befanden sich nur zehn Artikel-9-Produkte. Obwohl sich öffentlich die Wahrnehmung eingebürgert hat, sie seien höherwertig, stimmt das mit Blick auf die Analyse nicht. Unter den nachhaltigsten zehn ist nur ein Fonds aus dieser Klassifizierungsgruppe. ESG-Plus/Cleanvest hat bereits in einer früheren Studie gezeigt, dass sogar sogenannte "braune" Produkte (ohne Artikel-8/9-Einstufung) einen Top-Score erzielen können, oder umgekehrt (FONDS professionell ONLINE berichtete). (eml)


Das vollständige Ranking von Platz 1 bis 180 ist in der Studie zu finden (externer Link).